Der Freiberger Bassam Chammas kam vor 38 Jahren aus Syrien nach Deutschland. Der 54-Jährige ist nicht nur gläubiger Christ, seine Muttersprache ist aramäisch – die Sprache von Jesus und seinen Jüngern vor 2000 Jahren.

Würde er sich mit Jesus unterhalten können? Bassam Chammas schmunzelt. „Ein bisschen würde er mich verstehen“, sagt der 54-Jährige, der in Freiberg mit seinem Bruder eine Änderungsschneiderei mit Schusterei und Schlüsseldienst betreibt. Beide sind Aramäer, leben mit ihrer Familie seit 38 Jahren in Deutschland und sind tiefgläubige Christen, die auch an Heiligabend in diesem Jahr in der freikirchlich-evangelischen aramäischen Gemeinde in Ludwigsburg das Fest der Geburt Jesu in einem Gottesdienst feiern.

 

Die Sprache Aramäisch hat sich seit der Zeit Jesu weiterentwickelt

Aramäisch – das ist tatsächlich die Sprache, mit der sich Jesus von Nazareth und seine Jünger in Galiläa verständigt haben. Das ist geschichtlich bedingt und hängt mit der jahrhundertelangen Vormachtstellung der Assyrer in dem Gebiet zwischen Palästina und dem Perserreich zusammen. „Wir sprechen heute einen aramäischen Dialekt als Umgangssprache – die Sprache hat sich weiterentwickelt“, erzählt Bassam Chammas. So eben, wie die heutigen romanischen Sprachen nur noch entfernt Latein ähnelten. „Wenn Jesus von Nazareth uns heute ,Frohe Weihnachten’ wünschen würde, dann würde er ,Ido bricho’ sagen: ,Ein gesegnetes Fest’.“ Eine Bibel auf Aramäisch hat die Familie aber, wie auch welche auf Deutsch und Arabisch – der Sprache, welche die Aramäer in Syrien offiziell anwenden mussten.

In Ludwigsburg feiern rund 100 freikirchliche Aramäer Weihnachten

An Heiligabend feiert Bassam Chammas mit etwa 100 anderen aramäischen Christen, die ins Gemeindehaus im Westen von Ludwigsburg kommen. Die meisten von ihnen stammen aus Familien, die ursprünglich im Norden und Südosten von Syrien und im Irak bei Mossul beheimatet waren. Bekehrt worden seien seine Vorfahren durch amerikanische Missionare, die 1890 unterwegs waren. „Uns ist wichtig, eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus zu pflegen“, sagt Chammas, der dies als wichtigstes Weihnachtsgeschenk ansieht, wie auch die Tatsache, dass er seine Frau und seine drei 23- bis 29-jährigen Söhnen gebe und es ihnen gutgehe.

Die Familie hatte Angst, wegen ihres Glaubens verfolgt zu werden

Die Familie Chammas kam 1984 nach Deutschland und hat sich gut integriert, sagt der Großvater eines Enkels. „Wir hatten einfach Angst, dass wir irgendwann wegen unseres Glaubens verfolgt werden könnten.“ Dass die Ängste der Aramäer in Syrien nicht unbegründet waren, zeigte das Vorgehen des Islamischen Staates gegen Andersgläubige während des syrischen Bürgerkriegs.

In Deutschland nimmt die freikirchliche evangelische Gemeinde der Aramäer eine Sonderstellung ein, erzählt Bassam Chammas. Die meisten syrischen Christen gehörten der syrisch-orthodoxen Kirche an, die weltweit fünf bis sechs Millionen Mitglieder zähle. Deren Gemeinde in Bietigheim-Bissingen hat im Jahr 2019 eine Kirche gebaut und feiert das Geburtsfest Jesu ebenfalls intensiv. Die Christen treffen sich dort um 16 Uhr sowie einen Tag später um 8 Uhr morgens zum Gottesdienst.

Die freikirchliche Gemeinde in Ludwigsburg kommt laut Chammas immer sonntags um 15 Uhr zusammen. Die Geburt Jesu feiere man normalerweise im Gottesdienst am ersten Weihnachtstag. „Weil Heiligabend in diesem Jahr auf einen Samstag fällt, feiern wir schon am Abend um 18.30 Uhr und sind dann nach einer Geschenkübergabe und einem gemeinsamen Abendessen bis etwa 22  oder 23 Uhr zusammen“, erzählt Bassam Chammas, der die Kirchengemeinde leitet und auch an Heiligabend predigen wird. Damit ihn auch alle verstehen, wird im Gottesdienst simultan übersetzt: vom Arabischen ins Deutsche – „für die Jüngeren, die hier aufgewachsen sind“, sagt Chammas. Zwar sprächen die meisten Gemeindemitglieder auch Aramäisch, doch sei Arabisch die Sprache, die die meisten Mitfeiernden von ihrer Zeit in Syrien beherrschten.

Am ersten Weihnachtsfeiertag können Familien unter sich sein

Der Vorteil des früheren Feierns diesmal am Samstag besteht für die Familien darin, dass sie am ersten Weihnachtsfeiertag einmal ganz unter sich sein können. Denn ein Sonntag oder ein Feiertag in der freikirchlichen Gemeinde erstreckt sich schon einmal über einen ganzen Nachmittag. Wenn dann noch Mitchristen nach Hause gefahren werden, dauert es bis in den Abend, bis Bassam Chammas zu Hause ankommt.