Tipps von einem Topsommelier Welcher Wein darf es zum Essen sein?

Beim Thema Wein zum Essen gibt es ebenso viele Regeln wie Freiheiten, mit denen man umzugehen wissen muss. Foto: Imago/Westend61

Weiß zu Fisch, Rot zu Fleisch: Beim Thema Wein zum Essen gibt es ebenso viele Regeln wie Freiheiten, mit denen man umzugehen wissen muss – wie Topsommelier Christophe Meyer aus dem Dollenberg im Schwarzwald.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Die Geschmäcker sind verschieden – beim Essen, beim Wein und erst recht bei der komplizierten Beziehung zwischen Wein und Essen. Die einen sprechen von gleichberechtigten Partnern, andere sagen, der eine habe sich dem anderen unterzuordnen. Und dann gibt es nicht wenige, die meinen, erlaubt ist, was gefällt, so ganz ohne Regeln und Gesetze, womit wir an dieser Stelle sagen könnten: Ende der Durchsage.

 

Und doch gibt es eine ganze Zunft, die sich – neben der Pflege des Sortiments im Keller – in erster Linie damit auseinandersetzt: Welcher Wein passt am besten zu welchem Essen? Kein Spitzenrestaurant kommt ohne Sommelier aus. Einer der besten des Landes, der Republik, um nicht zu sagen der Republiken, ist Christophe Meyer, gebürtiger Franzose mit inzwischen auch deutscher Staatsbürgerschaft und Mitglied in zwei Sommelier-Vereinigungen. Er arbeitet seit 17 Jahren im Hotel Dollenberg in Bad Peterstal-Griesbach und ist dort vor allem auch für die Weinbegleitung im Zwei-Sterne-Restaurant Le Pavillon zuständig. In seinem Keller ist er mit 650 Positionen gewappnet: ein Drittel Weine aus Deutschland, ein Drittel aus Frankreich, ein Drittel aus 30 weiteren Ländern, darunter „exotische“ wie Moldawien, Mexiko und Tahiti.

Eine Flasche zu einem ganzen Menü ist schwierig

Was sagt der Sommelier des Jahres im „Gault & Millau“ 2022, der dieses Jahr zudem mit dem Sommelier Award des „Guide Michelin“ ausgezeichnet worden ist? „Erst einmal ist es wichtig, auf den Gast zu hören, denn eigentlich hat doch jeder so seine Erfahrungen mit Wein gemacht“, so Christophe Meyer. Das heißt, er berät und empfiehlt – muss aber auch mal ein Auge zudrücken, insbesondere dann, wenn nicht die auf jeden Gang abgestimmte glasweise Begleitung, sondern eine ganze Flasche gewollt wird. „Möchte ein Gast zum kompletten Menü einen Müller-Thurgau, weise ich darauf hin, dass dieser zu leicht sein könnte, er ihn aber natürlich gerne bestellen kann.“ Dazu muss man wissen: Küchenchef Martin Herrmann ist ein Meister der komplexen Soßen, die nach kräftigen Weine verlangen.

Geht man im Gespräch mit Christophe Meyer mehr in die Tiefe, kommen einige Prinzipien zum Vorschein. „Ob jetzt Weiß- oder Rotwein zum Fisch – in der Abfolge des Menüs geht es immer darum, mehr Crescendo im nächsten Gang zu haben.“ Rotwein zum Fisch? Ja, es gibt diese Regeln wie Weißwein zu Fisch und hellem Fleisch, Rotwein zu dunklem Fleisch, die auch ihre Berechtigung haben, aber: „Zu Wolfsbarsch mit Paella habe ich auch schon mal einen Rioja serviert“, sagt Meyer. Und wir erinnern uns daran, dass er uns zur Jakobsmuschel einen Blaufränkisch kredenzte.

Auf die Garmethode und auf die Soße kommt es an

Grundsätzlich ist es so: In einem Gericht kommt es weniger auf das Hauptprodukt an, sondern mehr auf die Zubereitungsart – und auf die Soße und auch Beilage. Die Röstaromen eines gegrillten Fischs können durchaus Tannine, also Gerbstoffe vertragen. Auch lange reduzierte Soßen (zur Jakobsmuschel gab es eine dunkle Soße mit Maronen und Trüffel) harmonieren gut mit Rotweinen, cremig-sahnige Soßen eher mit gehaltvollen Weißweinen. Generell ist man mit Weißweinen als Begleiter „auf dem einfacheren und sichereren Weg“, wie auch Christophe Meyer sagt. So muss man in vielen Spitzenrestaurants ewig warten, bis nach drei, vier oder fünf Gängen endlich ein Rotwein serviert wird – zum Reh, zum Rind, zum Lamm. Die größte Herausforderung für Sommeliers ist viel Säure und Schärfe in Gerichten, der sie häufig mit Süße begegnen. Christophe Meyer sagt: „Zu exotischen Gerichten mit viel Würze und Schärfe etwa aus der mexikanischen oder thailändischen Küche kann ein Wein mit Restsüße beruhigend wirken“ – zum Beispiel ein gereifter Riesling.

Süßes zu Süßem und Weißwein zu Käse

Überhaupt Süße – die verlangt nach mehr Süße. „Wobei immer die Frage ist: Welche Süße brauche ich zum Dessert? Eine Auslese oder gar einen Eiswein? Ein sehr süßer Wein jedenfalls neutralisiert auch die Cremigkeit“, weiß Christophe Meyer, der vor der beliebten Variante Champagner zum Dessert warnt. Grundsätzlich könne Champagner ein schöner Begleiter zu jedem Gang sein, „aber ein eiskalter Brut tut dem Dessert gar nicht gut. Da sollte es schon einer mit 45 bis 50 Gramm Restsüße sein.“

Und um noch eine falsch überlieferte Farbenlehre zu relativieren, von wegen Rotwein zum Käse: Zu den meisten Sorten macht sich Weißwein besser. „Regel Nummer eins: Vorsicht mit den Tanninen zum Käse. Regel Nummer zwei: Je kräftiger der Käse, desto mehr Restsüße verträgt er“, sagt Christophe Meyer, der zu vielen Sorten einen Gewürztraminer empfiehlt und zum Blauschimmel auch mal einen Portwein. Laut seiner eher klassischen Lehre sollte die Komplexität von Speisen und Weinen in Harmonie zusammenkommen. Es gibt allerdings auch Sommeliers, die mehr auf Kontraste setzen. Wie gesagt: Erlaubt ist, was gefällt, und ein jeder kann sich erst recht zu Hause auf seine individuelle Art herantasten. In einem Punkt aber sind sich viele einig, und so sagt auch Christophe Meyer: „Die sehr, sehr guten Weine sollte man vielleicht am besten ohne Essen genießen.“

Sensorische Wechselwirkungen zwischen Essen und Wein

Fett
Stark fetthaltige Speisen sind bekömmlicher mit Weinen, die viel Alkohol und Säure oder Gerbstoffe enthalten. Allerdings verstärkt ein hoher Alkoholgehalt auch den Eindruck von Süße und Würze.

Salz
Säurebetonte trockene Weine können den Salzgehalt neutralisieren und wirken dazu harmonisch im Geschmack. Bitterstoffe hingegen, also auch Tannine, können durch salzige Speisen verstärkt werden.

Säure
Weine mit viel Säure verstärken nicht den Eindruck von Säure, sondern flachen im Geschmack ab, weswegen mineralische oder restsüße Weine geeigneter sind. Säure (Zitrusfrüchte, Vinaigrette) und Gerbstoffe kollidieren miteinander. mri

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