Die Statue von Kardinal Franz Hengsbach vor dem Essener Dom ist wegen Missbrauchsvorwürfen abgebaut worden. Weniger als eine Woche nach Bekanntwerden der Vorwürfe hat sich das Bistum von seinem bekanntesten Geistlichen der Diözese distanziert. In Wiesbaden tagt derweil die Bischofskonferenz. Wichtiges Thema: Missbrauchsvorwürfe.
Das Denkmal des unter Missbrauchsverdacht stehenden Kardinals Franz Hengsbach in Essen ist abgebaut worden. Monteure lösten am Montagmorgen (25. September) die Halterungen der tonenschweren Bronzestatue und ein Kran hievte sie auf einen Lastwagen. Auch ein Schild mit den Lebensdaten des Kardinals wurde entfernt. Die Skulptur soll nun eingelagert werden.
Das Denkmal muss weg
Betroffenenvertreter und die Reforminitiative Maria 2.0 hatten in der vergangenen Woche die Entfernung der überlebensgroßen Statue des hohen Geistlichen gefordert. Missbrauchsopfer hatten eine Mahnwache vor der Hengsbach-Skulptur abgehalten. Das Denkmal der Bildhauerin Silke Rehberg war im Oktober 2011 von dem amtierenden Essener Bischof Franz-Josef Overbeck enthüllt worden.
Missbrauchsvorwürfe gegen verstorbenen Kardinal
Vor knapp einer Woche hatte das Bistum Essen mitgeteilt, dass der „gravierende“ Verdacht bestehe, Hengsbach (1910-1991) könnte in seiner Zeit als Weihbischof in Paderborn in den 1950er Jahren eine 16-Jährige sexuell missbraucht haben. Außerdem beschuldigt eine Frau Hengsbach eines weiteren Übergriffs im Jahr 1967 in seiner Essener Zeit als Bischof.
Katholiken-Komitee: Reste an Vertrauen sind zerstört
Die mutmaßlichen Taten und die abermals dokumentierte Vertuschungsstrategie der Kirche zerstörten die Reste an Vertrauen, erklärt die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp. „Wieder entsteht der Eindruck, dass nicht die Betroffenen, sondern die Täter geschützt wurden.“
Eine erste Überprüfung des ZdK-Archivs habe keine Hinweise auf Kontakte zu den gegen Hengsbach erhobenen Vorwürfen ergeben, erklärte Stetter-Karp. Die Korrespondenz werde aber weiter gesichtet. Hengsbach war ab 1947 ZdK-Generalsekretär und von 1953 bis 1968 bischöflicher Generalassistent des Komitees.
Ein kirchliches Denkmal nimmt seinen letzten Weg
Weitere Hengsbach-Betroffene melden sich
Das Essener Bistum hatte die Gläubigen in der vergangenen Woche dazu aufgerufen, mögliche weitere Missbrauchsfälle zu melden. Daraufhin seien bereits einige neue Meldungen eingegangen, sagte ein Bistumssprecher am Montagmorgen. Die neuen Fälle würden nun überprüft.
„Es gibt, wie ich weiß, einige, die sich gemeldet haben, aber ich weiß noch nicht, wie viele“, erklärte Bischof Franz-Josef Overbeck am Sonntagabend (24. September) in der WDR-Sendung „Aktuelle Stunde“.
Essener Bischof zeigt sich erschüttert
„Ich habe mir lange gar nicht vorstellen können, dass so etwas auch durch einen Kardinal und Bischof, zudem noch meinen Vorgänger als Bischof von Essen, hätte geschehen können.“ Das Entsetzen sei auch deshalb so groß, weil Hengsbach eine wichtige Identifikationsfigur gewesen sei, betont Overbeck. „Aber die Fakten sprechen jetzt eine andere Sprache und so musste ich auch entsprechend reagieren.“
Overbeck hatte sich in einem Brief, der am Sonntag im Gottesdienst verlesen wurde, für seinen Umgang mit den Hengsbach-Vorwürfen entschuldigt. Er hatte demnach bereits 2011 von ersten Vorwürfen gegen Hengsbach in Paderborn erfahren, sich aber auf die Auskunft aus Rom verlassen, dass die Vorwürfe nicht plausibel seien und deshalb nichts weiter unternommen. Dies bezeichnete Overbeck im Rückblick als Fehler.
Franz Hengsbach – Reinkarnation eines bischöflichen Renaissancefürsten
Der „große“ Franz, wie der gebürtige Sauerländer im Bistum Essen genannt wurde, war eine Art Reinkarnation eines bischöflichen Renaissancefürsten. Franz Hengsbach war ein erzkonservativer Geistlicher und weltweit - besonders im Vatikan und in Lateinamerika – mit anderen konservativen Oberhirten bestens vernetzt.
Sein Einfluss reichte weit über die Grenzen des Bistums Essen und der deutschen Kirche hinaus. Vielen Katholiken gilt er bis heute als einer der bedeutendsten deutschen Kirchenmänner des 20. Jahrhunderts, eine kirchliche Ikone und ein konservativer Vorzeigebischof.
Der „Ruhrpott-Bischof“ galt auch im Ruhrgebiet viele Jahrzehnte als Lichtgestalt. 33 Jahre lang war er erster Bischof des 1958 gegründeten Ruhrbistums, zugleich Gründer von Adveniat – dem bischöflichen Lateinamerika-Hilfswerk –, lange Jahre deutscher Militärbischof und sozialpolitisch engagiert für das Revier in der Stahl- und Kohlekrise. Legendär war sein Bischofsring, der nicht mit Gold und Edelsteinen, sondern aus einem Stück Kohle geformt war – und sein geradezu fürstliches Auftreten mit weit wehendem Mantel.
Kaum jemand verfolgt den Denkmal-Abbau
Den Abbau der zwei Meter hohen, schweren Skulptur aus Hartkeramik verfolgten am frühen Morgen nur wenige Passanten. Ein Passant berührte noch einmal die Hand der Kardinals. Eine Nonne stand schweigend etwas abseits und wandte sich dann ab.
In Wiesbaden beginnt an diesem Montag die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Die 65 Bischöfe der katholischen Kirche in Deutschland beraten bis einschließlich Donnerstag (28.September). Themen sind unter anderem der Missbrauchsskandal und der innerkirchliche Reformprozess, auch synodaler Weg genannt.