Auch 101 Jahre nach dem ersten internationalen Frauentag hapert es mit der Beteiligung von Frauen. Das offenbarten Parlamentarierinnen im Stuttgarter Landtag.

Stuttgart - Auch 101 Jahre nach dem ersten internationalen Frauentag hapert es mit der Beteiligung von Frauen. „Die gleichberechtigte Teilhabe in Politik und Wirtschaft ist noch nicht verwirklicht“, konstatiert Brigitte Lösch (Grüne), die Vizepräsidentin des Landtags. Gerade in Baden-Württemberg ist der Handlungsbedarf groß, sagt Lösch. Am Mittwoch ging man das Problem mit einem Frauenplenartag am Vormittag und mit einer offiziellen Veranstaltung am frühen Abend an.

 

Besonders im Landtag mangelt es an politischer Teilhabe. In keinem Landesparlament sitzen anteilmäßig weniger Frauen als in Stuttgart. Schon in der vergangenen Legislaturperiode war der Südwesten mit einem Frauenanteil von 23,7 Prozent Schlusslicht, nun ist die Quote sogar noch um fünf Prozent auf 18,8 Prozent gesunken.

In der grün-roten Regierung sind immerhin fünf von zwölf Ministern Frauen. Diese essen jedoch zeitweilig ein hartes Brot. Steht eine Ministerin am Rednerpult, steigt regelmäßig die Geräuschkulisse im Plenarsaal. Die Zwischenrufe mehren sich, wobei die inhaltliche Qualität mit zunehmender Häufigkeit rapide abnimmt. Ein trauriges Lied von Auftritten vor nahezu grölendem männlichen Publikum können die Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer und die Integrationsministerin Bilkay Öney (beide SPD) singen. Auch Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD), die als langjähriges Parlamentsmitglied von den schenkelklopfenden Störenfrieden vergleichsweise wenig belästigt wird, empfindet die Atmosphäre zeitweilig als schlicht „dumpf“. „Auch im 101. Jahr des Frauentags sind noch viele Anstrengungen nötig, um sich durchzusetzen“, sagt Altpeter. „Wären mehr Frauen im Parlament, wäre die Atmosphäre anders.“

In Frankreich gibt es ein Parite´-Gesetz

Ein Weg, mehr Frauen in die Parlamente zu bekommen, könnte eine Gesetzesänderung sein, meint Lösch. Die politische Teilhabe von Frauen erörterten unter dem Motto „Mittendrin und außen vor“ die frauenpolitischen Sprecherinnen der Fraktionen sowie die Wissenschaftler Lars Holtkamp und Silke Ruth Laskowski. Rund 350 Frauen haben sich laut Lösch angemeldet, um unter anderem zu hören, ob das französische Parité-Gesetz auf das Kommunalwahlrecht übertragbar wäre. Müsste man paritätisch besetzte Listen aufstellen, wären die Parteien gezwungen, frühzeitig ausreichend Kandidatinnen zu suchen, meint die Landtagsvizepräsidentin.

Diejenigen die schon im Landtag sind, traten beim Frauenplenartag am Vormittag redlich für ihr Geschlecht ein. Es war der dritte nach 2002 und 2007. Auf überragendes Interesse stieß er nicht. Immerhin konnten die Rednerinnen ungestört ihre Ansichten vortragen. Sie alle stützten ihre Reden auf eine Fülle von statistischem Material, das gab der aktuellen Debatte den Charakter einer Pflichtveranstaltung. Es wurden Quoten gefordert und bessere Kinderbetreuung. Alle Redner wollen mehr Frauen in MINT-Berufen und warnen vor dem Armutsrisiko von Rentnerinnen. Symptomatisch nannten sie es, dass von den Rekordprämien bei Porsche überwiegend Männer profitierten, während die Schlecker-Pleite vor allem Frauen betreffe.

Die FDP schickt mangels Frauen einen Mann ans Rednerpult

Sabine Wölfle (SPD) klagte, nur 16 Prozent der Führungskräfte in der Wirtschaft seien Frauen, Baden-Württemberg damit auf dem vorletzten Platz. Friedlinde Gurr-Hirsch (CDU) verlangt eine Verstetigung der beruflichen Entwicklung von Müttern. Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Grüne) unterstrich, dass Frauen im Land bei gleicher Qualifikation acht bis zwölf Prozent weniger verdienen als ihre männlichen „statistischen Zwillinge“. Mangels Fraktionskollegin ging für die FDP Jochen Haußmann in die Bütt. Er forderte „familienbewusste Personalpolitik“. Die Sozialministerin hofft, dass die Entgeltgleichheit zügig erreicht wird. Eine Bundesratsinitiative hat die Regierung vorbereitet.

Schwung brachte schließlich am frühen Abend das Frauentrio Dreist in den Frauentag im Landtag. Die drei aus dem Kreis Göppingen charakterisierten musikalisch die „Weibsbilder“ und kamen zu dem Schluss: „Weibsbilder sind hienieden, mannigfaltig und verschieden.“