Der Weltklimarat IPCC hat in Kopenhagen die wichtigsten Ergebnisse aus seinem Bericht zusammengefasst: Die bisherigen Bemühungen reichen nicht, um den Klimawandel aufzuhalten. Die Emissionen von Treibhausgasen müssten drastisch gesenkt werden, empfehlen die Experten.

Stuttgart - Wie in den Jahren davor, ist auch 2013 die Menge der weltweiten CO2-Emissionen wieder gestiegen. Durch fossile Brennstoffe gelangten 36 Milliarden Tonnen des Treibhausgases in die Atmosphäre. Die CO2-Konzentration stieg daher weiter an, weil sich neu hinzukommendes Gas jeweils 100 Jahre dort hält. Einige Wissenschaftler fragen sich inzwischen, ob das Ziel der Vereinten Nationen noch zu erreichen ist, den vom Menschen verursachten Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen. Bei den gegenwärtigen Emissionen dauert es keine 30 Jahre mehr, bis so viel CO2 in der Atmosphäre ist, um die Temperatur entsprechend steigen zu lassen. Danach müsste man der Atmosphäre in großem Stil CO2 entziehen, etwa durch riesige Aufforstungsprojekte, oder die Erde auf anderem Weg kühlen – etwa mit Sonnenschirmen im All, die der Erde Schatten spenden. Manche Forscher sagen, dass man es sich nicht mehr leisten könne, auch solche auf den ersten Blick absurd erscheinenden Maßnahmen zu untersuchen.

 

Im Wissenschaftsmagazin „Nature“ haben David Victor und Charles Kennel von der University of California kürzlich argumentiert, dass das Zwei-Grad-Ziel bloß die politische Funktion erfüllt habe, ehrgeizigen Klimaschutz vorzutäuschen. Es sei nichts damit erreicht worden. Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat im Blog „Real Climate“ dagegen gehalten: den Temperaturanstieg auf zwei Grad zu begrenzen sei weiterhin machbar – es würde die Wirtschaftsleistung um 0,06 Prozentpunkte reduzieren. Diese Zahl entnimmt er dem jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC.

Am Sonntag hat sich der IPCC noch einmal zu Wort gemeldet: Nach einer einwöchigen Sitzung in Kopenhagen hat er die wichtigsten Ergebnisse aus seinem umfangreichen Bericht noch einmal zusammengefasst und aus der Zusammenfassung eine Kurzversion für die internationale Politik destilliert. Auf 45 Seiten steht nun, was die Klimaforschung für entscheidend hält, und alle 194 beteiligten Staaten haben den Schlussfolgerungen zugestimmt. Und welche Botschaft gibt der IPCC den Staaten mit, wenn sie in einem Jahr auf dem UN-Klimagipfel in Paris einen globalen Klimaschutzvertrag aushandeln werden? Die bisherigen Bemühungen reichen nicht. „Wir haben nur noch wenig Zeit, bevor die Gelegenheit verstreicht, unterhalb einer Erwärmung um zwei Grad zu bleiben“, sagt der Chef des IPCC, Rajendra Pachauri.

Schwerwiegende Veränderungen drohen

Wenn es so weiter gehe wie bisher, heißt es im Abschlussbericht des IPCC, sei bis zum Ende des Jahrhunderts ein Temperaturanstieg um rund vier Grad zu erwarten. Schon bei zwei Grad werde die Gefahr von Naturkatastrophen zunehmen, bei vier Grad sehe die Welt dann anders aus. Der IPCC spricht ganz allgemein von einem hohen Risiko „schwerwiegender, allgegenwärtiger und unumkehrbarer Veränderungen“. Die größten Risiken für Europa sind Überschwemmungen durch Regen und den Anstieg des Meeresspiegels um mehr als einen halben Meter, Trockenheit mit Wasserknappheit sowie Hitzewellen mit Waldbränden. Mit Gegenmaßnahmen lässt sich ein Teil des Risikos eindämmen. Das gilt jedoch nicht für viele Gefahren in anderen Regionen der Welt: Bei vier Grad ist das Risiko von Ernteausfällen und Hungersnöten in Afrika so groß, dass sich kaum noch etwas dagegen ausrichten lässt. Zudem dürften viele Tier- und Pflanzenarten aussterben, weil sie sich nicht schnell genug an die neuen Bedingungen anpassen können. Und bewaffnete Konflikte könnten ausbrechen, wenn der Klimawandel zu mehr Armut führt. Allerdings sei der eine oder andere kalte Winter auch in Zukunft möglich.

Sonnenschirme im All und andere Ideen, die Erde zu kühlen, hält der IPCC für problematisch. Man könnte zum Beispiel die Ozeane düngen, um Algen sprießen zu lassen, die der Luft CO2 entziehen. Es wäre auch möglich, Partikel in der Luft zu versprühen, damit sich mehr Wolken bilden, die Sonnenlicht ins All reflektieren können. Diese Eingriffe in die Natur müssten aber so umfassend sein, um Wirkung zu zeigen, dass ihre unerwünschten Nebenwirkungen kaum abzuschätzen sind. Nach jetzigem Stand rät der Weltklimarat davon ab. Eine vielversprechende Methode sind aus seiner Sicht vielmehr Steuern auf CO2-Emissionen. Das sei effektiver, sagt der IPCC, als CO2-Emissionsrechte auszugeben, mit denen dann gehandelt werden kann, wie es die EU derzeit praktiziert. Allerdings hält er auch fest, dass die negative Bewertung des Emissionshandels auf einer schmalen Datenbasis beruhe.

Die Regionen der Welt sind unterschiedlich stark betroffen

Im Mittelpunkt der Klimapolitik muss nach Ansicht des Weltklimarats weiterhin das Ziel stehen, die Emissionen von Treibhausgasen zu senken, denn je wärmer es werde, umso schwieriger sei es, mit den Folgen der Erwärmung fertig zu werden. Um das Zwei-Grad-Ziel einhalten zu können, müssten die Emissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts jedoch um 40 bis 70 Prozent unter den aktuellen Stand sinken. Dafür gebe es unterschiedliche Wege, sagt Rajendra Pachauri. „Alles, was wir brauchen, ist der Wille, etwas zu verändern.“ Auch eine Änderung der Lebens- und Konsumgewohnheiten könne helfen, heißt es in dem IPCC-Bericht. Aus Sicht der Klimaforschung wäre vor allem eins wichtig: Sich mit den aktuellen Verpflichtungen zum Klimaschutz zufrieden zu geben und weitere Maßnahmen auf das Jahr 2030 zu verlegen, würde den Klimaschutz auf lange Sicht deutlich verteuern. Außerdem müssten unpopuläre und unsichere Technologien eingesetzt werden wie das Speichern von CO2 im Untergrund.

Rajendra Pachauri weist auch auf den Knackpunkt der internationalen Klimapolitik hin: Sowohl die Ursachen als auch die Auswirkungen des Klimawandels sind auf der Welt ungleich verteilt. Die Industrienationen sind für einen Großteil der Emissionen verantwortlich und die Entwicklungsländer bekommen die Nachteile zu spüren – und sind darüber hinaus kaum in der Lage, mit den Gefahren umzugehen. „Viele der Länder, die durch den Klimawandel am stärksten verwundbar sind, trugen und tragen wenig zum Ausstoß von Treibhausgasen bei“, sagt Pachauri. Der Weltklimarat hält in seinem Bericht allerdings nur erstaunlich vage fest, dass es möglicherweise eine Lücke gebe zwischen den weltweit benötigten und den vorhandenen Mitteln, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen.

Die Berichte des Weltklimarats IPCC

Auftrag
Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) wurde 1988 gegründet und damit beauftragt, den Stand der Klimaforschung für die internationale Politik zusammenzufassen. In den vergangenen Monaten hat er seinen fünften Bericht herausgegeben. Nach der Publikation des vierten Berichts im Jahr 2007 erhielt er den Friedensnobelpreis.

Berichte
Jeder Bericht besteht aus drei Teilen. Darin gehtes um das Ausmaß des Klimawandels und dessen Ursachen, um die Folgen des Klimawandels für die Gesellschaft und schließlich umden zu erwartenden Erfolgvon Gegenmaßnahmen. Am Sonntag hat der Weltklimarat die wichtigsten Erkenntnisse aus den drei Berichten in einer Synthese zusammengestellt.

Arbeit
Der Weltklimarat forscht nicht selbst, sondern wertet mit der Unterstützung vieler ehrenamtlich arbeitender Forscher die Fachliteratur aus. Er gewichtet die Erkenntnisse und formuliert ein vorläufiges Fazit daraus. Entwürfe werden international zur Diskussion gestellt.

Debatte
In jeweils einwöchigen Tagungen präsentiert der Weltklimarat den Vereinten Nationen jeden Berichtsteil. Die politisch brisanten Zusammenfassungen werden von allen 194 beteiligten Nationen Satz für Satz abgestimmt. Die Zusammenfassungen sind also politisch international anerkannt.