Meinung: Das Priorisieren in der Politik ist zwar nötig, aber längst nicht so einfach, findet LKZ-Redaktionsleiter Thomas K. Slotwinski

Was ist wichtig? Darüber dürften die Meinungen weit auseinander gehen. Die meisten von uns haben äußerst individuelle Vorstellungen von dem, was von Bedeutung ist. So ist auch eine Priorisierung in der Kommunalpolitik leichter gesagt als getan. Klar, die sogenannte Daseinsfürsorge ist gesetzt: Betreuung von Alten und Jungen, Schulen, Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen, Versorgungsmöglichkeiten und ähnliches.

 

Doch dann wird es schon schwieriger: Wie wichtig ist Kultur? Wie groß muss ein Sportangebot sein? Haben Vereine Anspruch auf öffentliche Förderung? Wie viel Geld soll in das Ambiente einer Stadt gesteckt werden? Oder in das Eigenmarketing und die Wirtschaftsförderung ? All diese Fragen dürften je nach Blickwinkel höchst unterschiedlich beantwortet werden.

Lichter aus in Weil der Stadt

So lange genügend Geld in den kommunalen Kassen ist, können viele Wünsche erfüllt werden. In Weissach beispielsweise war das dank des Großsteuerzahlers Porsche lange Jahre der Fall. Entsprechend gab es großzügige Unterstützungen für das öffentliche Leben oder bauliche Goldrandlösungen wie bei der Strudelbachhalle. Auch Hemmingen hatte lange vom Steuerzahler Porsche profitiert. Und in Ditzingen ist der Stadtsäckel vergleichsweise gut gefüllt.

Doch es gibt auch die anderen: Weil der Stadt hat schon nachts die Lichter ausgemacht, als von Energiesparen noch keine Rede war. Gerlingen, früher finanziell verwöhnt, muss mittlerweile jeden Euro mindestens einmal umdrehen. In Leonberg ist ein Schuldenlevel von um die 100 Millionen Euro ein trauriger Dauerzustand.

Der Schwerpunkt des OB

Und das macht es gerade am Engelberg so schwierig. Die Idee eines neuen Kongresszentrums, das die in die Jahre gekommene Stadthalle ersetzen soll, verschwindet gerade wieder still und leise in der Schublade. Von hehren Pläne einer Kulturmeile und grünen Bändern durch die Innenstadt ist ebenfalls nicht mehr viel zu hören. Dass aus der alten Schuhfabrik tatsächlich ein Begegnungszentrum werden könnte, glauben nur noch die größten Verfechter dieser Vision. Nicht, weil all das nicht schön oder sinnvoll wäre, sondern weil schlicht das Geld fehlt. Und weil, auch das gehört zur Wahrheit, erhebliche Mittel in das Zukunftsprojekt „Stadt für morgen“ fließen.

Das ist tatsächlich ein Schwerpunkt, nicht zuletzt weil Oberbürgermeister Martin-Georg Cohn (SPD) die Vision einer verkehrsarmen Innenstadt zu seinem ganz persönlichen Projekt gemacht hat. Doch das ist dann auch die einzige Priorität, die momentan in der Leonberger Kommunalpolitik erkennbar ist. Dabei, die SPD weist zurecht darauf hin, war sich der Leonberger Gemeinderat vor zwei Jahren einig, dass der Weg der Schwerpunktsetzung konsequent beschritten werden muss. Doch das war es dann. Ein von Prioritäten geprägter Haushalt ist auch für das kommende Jahr nicht in Sicht.

Pläne müssen sich an der Wirklichkeit orientieren

Es ist zugegebenermaßen schwierig, etwa den Sport mit der Kultur aufzuwiegen. Und die Vorstellung der SPD, nur in jene Dinge zu investieren, die einen Großteil der Menschen betreffen, ist zwar im Grundsatz richtig. Aber ein Gemeinwesen lebt von der Vielfalt. Nischenangebote sind oft das Salz in der Suppe und können den Charakter einer Kommune prägen.

So bleibt den Lokalpolitikern nur der Spagat, einerseits die wesentlichen Themen voranzutreiben, ohne dabei den Blick auf vermeintliche Kleinigkeiten zu verlieren. Doch dass mit dem Priorisieren dringend angefangen werden muss, liegt auf der Hand. Das verlangt von allen den Willen, trotz aller Widrigkeiten eine an der Wirklichkeit orientierte Zukunftsplanung zu entwickeln. Und es verlangt den Mut zur Entscheidung.