Wirtschaft in Baden-Württemberg Im Herbst droht ein böses Erwachen
Die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg dürfte in diesem Jahr um zehn Prozent sinken. Auch an den 50 größten Unternehmen im Südwesten geht der Einbruch nicht spurlos vorbei.
Die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg dürfte in diesem Jahr um zehn Prozent sinken. Auch an den 50 größten Unternehmen im Südwesten geht der Einbruch nicht spurlos vorbei.
Stuttgart - Heinrich Baumann bringt die dramatische Lage auf den Punkt: „Sparpläne, geringe Konsumneigung, zurückgestellte Investitionen, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit“ – all dies sind nach Ansicht des Präsidenten der Landesverbands der Industrie (LVI) Bremsklötze für die weitere wirtschaftliche Entwicklung. „Die Wirtschaftsleistung in Baden-Württemberg wird in diesem Jahr wohl um zehn Prozent zurückgehen“, meint Johannes Schmalzl, der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. „Dass wir einen dramatischen Einbruch haben, hat sich in den vergangenen vier Wochen verdichtet“, sagt Schmalzl. „Im Herbst wird es noch das eine oder andere böse Erwachen geben“, erklärt Baumann.
Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut sagte unserer Zeitung, sie rechne damit, dass „das Tal durchschritten ist“. Entscheidend werde jetzt sein, wie sich die Wirtschaft im Südwesten im September und Oktober entwickle. „Für eine Erholung braucht es nun aber noch längere Zeit“, meint sie. Dabei könne es sich durchaus um zwei Jahre handeln. Die Landesregierung werde auch als Konsequenz aus der Krise noch stärker auf Zukunftstechnologien wie etwa künstliche Intelligenz setzen. „Wir müssen in die Software rein“, sagt die Wirtschaftsministerin, „es kann nicht sein, dass wir bei unseren Produkten die Hardware herstellen und die Software zukaufen.“
Der Einbruch geht auch an den 50 größten Unternehmen in Baden-Württemberg nicht spurlos vorbei, die unsere Zeitung jährlich in einer eigenen Auswertung ermittelt. Das zeigt auch ein Blick auf Kernbranchen wie Autoindustrie und Maschinenbau. Gerade die Fahrzeughersteller sind nicht nur Opfer der schlechten Konjunktur, sondern zumindest teilweise auch die Auslöser für den Abwärtstrend. Wenn Daimler seinen Sparkurs verschärft, trifft dies auch viele Zulieferer. Nicht nur der Stuttgarter Automobilbauer – seit Jahren unbestritten die Nummer eins unter den größten Unternehmen im Südwesten – erwartet magere Jahre für den Fahrzeugbau. Das zweite Quartal 2020 bescherte Daimler ein deutliches Umsatzminus und rote Zahlen.
Volkmar Denner, der Chef des weltweit größten Autozulieferers, sah Bosch schon bei der Vorlage der Bilanz im April „im Ausnahmezustand“. Ende Juli wurde mit dem Betriebsrat für viele Beschäftigte eine Vereinbarung über eine Kürzung der Arbeitszeit bei entsprechender Gehaltsreduzierung ausgehandelt. Das drittgrößte Unternehmen im Südwesten könnte dieses Jahr in die roten Zahlen rutschen. Schon 2019 war der Umsatz von Bosch zurückgegangen. Für 2020 gibt Bosch noch keine Prognose ab.
„Es ist äußerst schwierig, die Entwicklung im zweiten Halbjahr zu prognostizieren“, meint Dietrich Birk, Geschäftsführer des Maschinenbauverbandes im Land. Immerhin aber gebe es einen Hoffnungsschimmer: „Ein Viertel der Unternehmen rechnet im kommenden Jahr wieder mit einer Besserung“, sagt Birk. Manchen Firmen sind in den ersten fünf Monaten bis zu 40 Prozent ihrer Umsätze weggebrochen.
Zu den 50 größten Unternehmen im Südwesten gehören auch zwei Softwareschmieden: SAP in Walldorf und Bechtle in Neckarsulm. Beide rechnen damit, ihren Umsatz auch im laufenden Jahr steigern zu können.