Zum ersten Mal rufen die christlichen Kirchen Baden-Württembergs landesweit gemeinsam zur „Woche für das Leben“ auf, die am Samstag beginnt. Auch in Stuttgart wollen sie die politische Stellung von Menschen mit Behinderung verbessern.

Volontäre: Maximilian Kroh (kro)

Seit 30 Jahren richten evangelische und katholische Kirche in Deutschland jährlich die „Woche für das Leben“ aus. In diesem Jahr beginnt sie am 13. April, im Mittelpunkt sollen die Lebenswirklichkeiten von Jugendlichen und jungen Menschen mit Behinderung stehen. In Baden-Württemberg ziehen erstmals alle Landeskirchen an einem Strang. Bei der Auftakt-Pressekonferenz in Stuttgart machen sie deutlich, wie sie ihr Engagement mit politischen Forderungen verknüpfen.

 

„Wir machen die Fürsorge für Menschen mit Behinderungen zu einem landesweiten ökumenischen Anliegen“, erklärt Karin Schieszl-Rathgeb, Ordinariatsrätin der Diözese Rottenburg-Stuttgart. So sind auch die Erzdiözese Freiburg, die Evangelischen Landeskirchen in Baden und Württemberg sowie die Evangelisch-methodistische Kirche an den gemeinsamen Projekten beteiligt. Die Anliegen sind dabei klar, „dass wir es landesweit gemeinsam angehen, zeigt, wie dringlich unsere Forderungen sind“, sagt Schieszl-Rathgeb.

Barrierefreiheit als Schlüsselwort

Barrierefreiheit ist dabei eines der Schlüsselworte. „Junge Menschen mit Behinderung unterscheiden sich mit ihren Wünschen und Sorgen nicht von jungen Menschen ohne Behinderung“, sagt der Stuttgarter Caritasdirektor Raphael Graf von Deym. „Sie benötigen aber individuelle Hilfe und ein barrierefreies Umfeld, um ihre eigene Lebensperspektive zu finden.“ Neben dem barrierefreien Zugang zu öffentlichen Gebäuden oder uneingeschränkt nutzbaren öffentlichen Verkehrsmitteln meint er damit beispielsweise auch bezahlbaren Wohnraum, Zugang zum Arbeitsmarkt oder leichte Sprache als Standard in allen Lebensbereichen.

Ein Sorgenkind ist der Arbeitsmarkt

Es sei Aufgabe der Politik, dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen. Gerade der Arbeitsmarkt gibt den Kirchen Anlass zur Sorge. Während es in Sachen Bildungsgerechtigkeit merkliche Fortschritte gebe, komme es nach dem Schulabschluss zum Bruch. „Viele Arbeitgeber scheuen sich, jungen Menschen mit einem Handicap einen Ausbildungsplatz anzubieten“, sagt Schieszl-Rathgeb.

Erst im November hatte eine Studie der Aktion Mensch ergeben, wie sehr Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden. Demnach beschäftigt mehr als ein Viertel der etwa 24 000 dazu verpflichteten Betriebe im Land überhaupt keine Menschen mit Behinderung. Und nur rund 8000 Betriebe erfüllen die Vorgaben der Beschäftigungspflicht in vollem Umfang. „Teils dürfte Unsicherheit oder Unwissenheit über begleitende Fördermöglichkeiten der Grund sein“, sagt die Ordinariatsrätin. „Vielfach dürften diese jungen Menschen aber einfach nicht im Blick sein – trotz des aktuellen Personalmangels in fast allen Branchen.“

Die „Woche für das Leben“ soll dabei helfen, auf diese Missstände aufmerksam zu machen. Den Auftakt für das Programm in Baden-Württemberg bildet ein ökumenischer Gottesdienst am Samstag in Gammertingen. In den Tagen danach finden in vielen Kirchengemeinden Veranstaltungen und Aktionen statt – auch zahlreiche Gemeinden aus Stuttgart beteiligen sich.