Bisher wurden 89 Umwandlungen von Wohnungen in Büros oder Praxen gegen die Ersatzschaffung von 40 000 Quadratmeter Wohnfläche, das sind rund 500 Einheiten, genehmigt.

Stuttgart - Die Stadt Stuttgart hat in diesem Jahr sieben Bußgeldverfahren gegen Eigentümer eingeleitet, weil sie gegen das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum verstoßen haben sollen. Ihnen droht wegen Nichtvermietung oder unerlaubter gewerblicher Nutzung ein Bußgeld. Vorrangig sei aber nicht die Bestrafung, sondern die Beratung, heißt es in einem noch nicht veröffentlichten Bericht des Baurechtsamts.

 

So fürchteten viele Eigentümer, mit der Vermietung überfordert zu sein. Die Stadt bietet deshalb Garantieverträge, die Mietausfälle und die Renovierung regeln. Eine Zweckentfremdung von Wohnraum liegt etwa dann vor, wenn dieser überwiegend für gewerbliche oder berufliche Zwecke verwendet oder nicht nur vorübergehend „für Zwecke der Fremdbeherbergung“ genutzt wird; länger als sechs Monate leer steht oder gleich ganz verschwindet. Die kommunale Satzung konnte Ende 2015 beschlossen werden, nachdem die Landesregierung der Stadt Stuttgart offiziell eine Wohnungsnot attestiert hatte.

Gewerbliche Bauherren unzufrieden

Die Zahl der Bußgeldverfahren wird steigen, denn die Behördenleitung setzt nun nicht mehr allein auf Anfragen aufgeschreckter Eigentümer und Leerstandsmeldungen aufmerksamer Dritter, sondern verstärkt auf Eigenrecherchen. Die Materie ist komplex und sorgt für Verdruss: So zeigen gewerbliche Bauherren, die Wohnobjekte abbrechen und neu bauen wollen, wenig Verständnis, neben einer Genehmigung fürs Bauen eine für die Nicht-Zweckentfremdung einholen zu müssen.

Der Teufel steckt eben im Detail: Eine Baugenehmigung stellt nur die Berechtigung, nicht aber die Verpflichtung zu Realisierung von Ersatzwohnraum dar. Das muss gesondert abgesichert werden. Besonders uneinsichtig seien Antragssteller, die Wohnungen in Büros oder Praxen umwidmen wollten.

707 Verfahren eingeleitet

Seit zwei Mitarbeiter im Herbst 2016 ihre Kontroll- und Beratungsaufgaben wahrnehmen, wurden 707 Verfahren eingeleitet und 436 abgeschlossen. Ursprünglich sollte die Zwischenbilanz der vor allem in konservativen Kreisen umstrittenen Zwangsmaßnahme am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik erfolgen. Die Debatte wird nun aber um eine Woche verschoben. Der Fraktionschef der Freien Wähler, Jürgen Zeeb, ist verhindert. Der Architekt will es sich aber nicht nehmen lassen, die Maßnahme erneut persönlich zu kritisieren. Schon vor der Einführung hatte er sie als „vermieterunfreundlich“ und als überflüssig gegeißelt, da kein Vermieter freilich auf Einnahmen verzichte.

Der Haus- und Grundbesitzerverein sieht eine Kultur der Denunziation befördert. Die Sorge sei unbegründet, bilanziert Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne). Die Mailbox „Zweckentfremdung“ diene in erster Linie als „formlose und niederschwellige Kommunikationsplattform“. Er zeigt sich mit den bisherigen Erfahrungen zufrieden, die vom Gemeinderat formulierten Erwartungen würden erfüllt.

89 Fälle von Zweckentfremdung genehmigt

Bislang hat man 15 Wohnungen wieder ihrem eigentlichen Zweck zugeführt. Es wurden aber 89 Fälle von Zweckentfremdung genehmigt. Bei öffentlichem Interesse wie der Einrichtung von Kitas oder eines Hospizes, aber auch bei „schutzwürdigem privaten Interesse“ geschieht das ohne Ausgleich, in anderen Fällen gegen eine Geldzahlung, oder es muss alternativer Wohnraum geschaffen werden. Bisher wurden 17 000 Euro Ausgleichszahlungen fällig, die Zweckentfremdung von 19 800 Quadratmetern gestattet und 39 800 Quadratmeter Ersatz gesichert. Diese Zahl ist für die Stadt entscheidender als die gesicherten 15 Wohneinheiten, beschreibt sie doch einen Zuwachs von rund 500 Wohnungen.