Bei gerichtlich angeordneten Hinrichtungen gab es 2022 ein Fünf-Jahres-Hoch. Für die Zunahme sind nur wenige Länder verantwortlich. Ein Überblick über die Todesstrafe und Länder, in denen sie noch vollstreckt wird.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Das Fallbeil fiel im Hof des Tübinger Gefängnisses um 6 Uhr morgens. Der 28 Jahre alte gelernte Mechaniker Richard Schuh hatte ein Jahr zuvor einen Lastwagenfahrer getötet und die Reifen von dessen Fahrzeug gestohlen.

 

Tod durch das Fallbeil

Für den Raubmord sollte er nun mit dem Leben bezahlen. Vor 75 Jahren, am 18. Februar 1949, wurde an ihm das letzte von einem westdeutschen Zivilgericht angeordnete Todesurteil vollstreckt. Durch Enthaupten – die Guillotine, das Fallbeil also.

Während Schuh auf seinen Tod wartete, diskutierte die Politik in Bonn über die Abschaffung der Höchststrafe. Bei einer Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rats forderte der Justizminister des Landes Württemberg-Hohenzollern, Carlo Schmid (SPD), dem Töten von Amts wegen ein Ende zu setzen. Schließlich mit Erfolg: Die Abschaffung der Todesstrafe wurde im Grundgesetz festgelegt.

„Archaisches Bedürfnis nach Rache“

Im damaligen Zwergstaat Württemberg-Hohenzollern hatten die Gerichte seit der Kapitulation am 8. Mai 1945 bis zur Abschaffung fünf Todesurteile gesprochen, von denen das gegen Schuh als einziges ausgeführt worden sei, berichtet Hans-Joachim Lang, Professor für Empirische Kulturwissenschaft in Tübingen.

„Die Todesstrafe entspricht einem archaischen Bedürfnis nach Rache in der Bevölkerung», betont der Strafrechtswissenschaftler Jörg Kinzig, Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Tübingen. „Es sollte einem Staat nicht erlaubt sein, einem seiner Bürger das Leben zu nehmen.“ Zudem sei nicht hinreichend nachgewiesen, dass mit der Todesstrafe besondere generalpräventive Effekte verbunden seien.

Todesstrafe noch in 20 Ländern

  • Länder: Nach Angaben von Amnesty International (AI) hat die Mehrzahl der Staaten in der Welt die Todesstrafe abgeschafft oder vollzieht sie nicht mehr. Dennoch gab es laut Amnesty im Jahr 2022 mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern (Stand: Mai 2023). Das sei der höchste Wert in einem Zeitraum von fünf Jahren gewesen.
  • Methoden: Im Jahr 2022 kamen die folgenden Hinrichtungsmethoden zur Anwendung: Enthaupten, Erhängen, Giftinjektion und Erschießen.
  • Verurteilte: Zum Jahresende 2022 hatten sich laut AI weltweit mindestens 28 282 Menschen im Todestrakt befunden.
  • Stickstoffhypoxie: Die erste Hinrichtung in den USA 2024 erregte besonders viel Aufsehen: Erstmals wurde ein zum Tode verurteilter Mensch mit einer neuen Stickstoff-Methode hingerichtet. Der 58 Jahre alte Kenneth Eugene Smith wurde in einem Gefängnis im US-Bundesstaat Alabama mittels sogenannter Stickstoffhypoxie exekutiert.
Blick in die Kammer für Hinrichtungen mit tödlicher Injektion in der Holman Correctional Facility (Justizvollzugsanstalt) im US-Bundesstaat Alabama. Foto: AP/dpa/Dave Martin
  • Rangliste: Mehr als zwei Drittel aller Staaten weltweit haben Amnesty International zufolge die Todesstrafe per Gesetz oder zumindest in der Praxis abgeschafft. Die Länder mit den meisten bekannt gewordenen Hinrichtungen 2022 waren China, Iran, Saudi-Arabien, Ägypten und die USA.
In Alabama wurde am 25. Januar 2024 ein verurteilter Mörder mit Stickstoffgas getötet. Diese Hinrichtungsmethode wurde weltweit zum ersten Mal angewendet. Foto: Globus/dpa-Infografik
  • China: In einigen Ländern wie China, Nordkorea und Vietnam sind nach Amnesty-Angaben die genauen Zahlen geheim geblieben. Doch es bestehe kein Zweifel daran, dass etwa China nach wie vor jährlich Tausende Menschen hinrichte.

Zahl der erfassten Hinrichtungen

  • Iran: 576 (2021: 314). Von den weltweit 13 exekutierten Frauen fanden zwölf in der Islamischen Republik den Tod.
  • Saudi-Arabien: Der Golfstaat verzeichnete mit 196 Hinrichtungen (2021: 65) den höchsten Wert seit 30 Jahren.
  • USA: 18 (2021: 11)

Verschiedene Länder, verschiedene Arten der Hinrichtung

  • Enthaupten: Nach Amnesty-Kenntnissen werden Verurteilte in Saudi-Arabien enthauptet.
  • Erhängen: In Ägypten, Bangladesch, Irak, Iran, Japan, Myanmar, Singapur, Südsudan und Syrien erhängt.
  • Giftspritze: In China, den USA und Vietnam sterben zum Tode Verurteilte durch die Injektion von Gift.
  • Erschießen: Erschießungen gibt es in Afghanistan, Belarus, China, Jemen, Kuwait, Nordkorea, Somalia und den Palästinensergebieten.
  • Steinigen: Berichte über gerichtlich angeordnete Steinigungen gab es 2022 nach Amnesty-Angaben keine.
  • Drogendelikte: Knapp 40 Prozent der Hinrichtungen basierten demnach 2022 auf Drogendelikten, etwa in China, Iran, Saudi-Arabien oder Singapur. Die Anwendung der Todesstrafe bei dieser Art von Delikten verstößt gegen das Völkerrecht und internationale Normen.