Eine kleine Gruppe von Kassenpatienten braucht besonders viele Zahnbehandlungen - denn sie werden nicht von den Vorsorgemaßnahmen erreicht.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Es zieht und zwickt, pocht und sticht. Anfangs nur ganz leicht, dann immer stärker. Wenn die Pein zu groß wird und weder Hausmittel noch Schmerztabletten helfen, muss man zum Zahnarzt. Der schwere Gang zum Dentisten lässt sich nicht mehr aufschieben. Hoffentlich wird er den schmerzenden Beißerchen alsbald Linderung verschaffen.

 

Wie steht es um die Zahngesundheit der Deutschen?

Ganz gut, wie aus dem aktuellen Barmer-Zahnreport hervorgeht. Allerdings wird laut Report offensichtlich ein Teil der Bevölkerung nicht von den Vorsorgemaßnahmen erreicht. Diese Menschen bräuchten dann beispielsweise deutlich mehr Füllungen und Kronen, was auch höhere Kosten verursache.

Wie hoch ist der Behandlungsbedarf?

Bei den oberen zehn Prozent der Versicherten zwischen 25 und 74 Jahren mit einem hohen Behandlungsbedarf erhielt ein Patient oder eine Patientin demnach innerhalb von zehn Jahren im Schnitt 18 Zahnfüllungen. Diese Gruppe entspricht hochgerechnet etwa 5,4 Millionen Menschen in dieser Altersspanne.

Im obersten Prozent, also bei immerhin 540 000 Menschen, waren dies binnen zehn Jahren sogar 35 Füllungen.

Barmer-Chef Christoph Straub sieht dies als Beleg für die Notwendigkeit einer zielgerichteteren Vorbeugung. Dies könne zahnärztliche Eingriffe vermeiden und Kosten sparen.

Wie steht es um den Zahnersatz?

Dies betrifft auch den Zahnersatz. Für die durchschnittlichen 45- bis 54-jährigen Versicherten im Jahr 2012 entstanden in den zehn Folgejahren demnach Kassenausgaben für Zahnersatz und Zahnkronen um 200 Euro.

Bei den oberen zehn Prozent, also denjenigen mit höherem Behandlungsbedarf, war es mit etwa 2700 mehr als 13-Mal so viel, wie Studienleiter Michael Walter von der Technischen Universität Dresden erklärt.

Für den Zahnreport wurden auf Basis von Abrechnungsdaten über ein Jahrzehnt hinweg Behandlungsverläufe von etwa 2,7 Millionen Versicherten differenziert nach drei Altersgruppen zwischen 25 und 74 Jahren analysiert.

Info: Geschichte der Zahnheilkunde

Dentisten
Der erste „Dentist“ ging nachweislich vor 14 000 Jahren seinem stomatologischen Gewerbe nach. Das belegt ein kariöser Backenzahns, der 1988 in der Felshöhle von Riparo Villabruna bei Sovramonte in Norditalien gefunden wurde. Er gehörte einem Mann, dem ein vorzeitlicher Heilkundiger sein faules Beißerchen gezogen hatte. „Der Backenzahn aus Villabruna beweist, dass es bereits vor mindestens 14 000 Jahren, in der jüngeren Altsteinzeit, erste Eingriffe an kariösem Zahngewebe gab“, erklärt der Anthropologe Ottmar Kullmer, Experte für Evolution und Funktionsmorphologie von Urmenschen-Zähnen im Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt am Main.

Zahnlose Jungfrau
Wenn fromme Christen unter Zahnschmerzen leiden, erhoffen sie sich von den Bittgebeten an Apollonia –Patronin der Zahnärzte und Schutzheilige bei Zahnkrankheiten – Linderung von ihrer Pein und Stärke im Ertragen der Schmerzen. „Heilige Apollonia, ein armer Sünder steh ich da. Mich schmerzen meine Zähne. Lass Dich doch bald versöhnen. Und schenk mir Ruh in mein Gebein, dass ich vergess der Zahnweh Pein.“ Der frommen Legende nach musste die Jungfrau Apollonia höllische Qualen erleiden, als Schergen des römischen Kaisers und Christenverfolgers Decius (249-251) die Kinnlade zertrümmerten und alle Zähne ausschlugen. Anschließend wurde die zahnlose Märtyrerin bei lebendigem Leib verbrannt. Apollonia wird in der sakralen Kunst mit den Attributen ihres Martyriums dargestellt: Märtyrerpalme, Krone, Zange und Zähne. Papst Johannes XXI. (1276-1277) riet den Gläubigen, bei Zahnschmerzen zur zahnlosen Jungfrau zu beten.

Zahnbrecher
Die heute in Deutschland tätigen Dentisten dürfen nur mit Approbation ihren Beruf ausüben. Das war nicht immer so. Im Mittelalter priesen Quacksalber und Kurpfuscher marktschreierisch ihre angeblichen ärztlichen Kunstfertigkeiten an. Diese „Zahnbrecher“ und „Zahnreißer“ prahlten mit ihrer Geschicklichkeit und Kunst, die sie allerdings – zum Schaden ihrer bemitleidenswerten Patienten – selten wirklich beherrschten.

Zahnwurm
Bis in die Neuzeit hielt sich der Glaube, dass der Zahnwurm (englisch: Tooth worm) für Karies verantwortlich sei. Scribonius Largus, Leibarzt von Kaiser Claudius empfahl Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. zur Behandlung Räucherungen und Spülungen, Einlagen und Kaumittel.

Dentalphobie
Nach Angaben der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) leiden fünf bis zehn Prozent der Menschen in Deutschland unter einer Zahnbehandlungsphobie. Dabei handelt es sich um eine psychosomatische Angsterkrankung. Betroffene geraten regelrecht in Panik, wenn sie auch nur an den Besuch beim Zahnarzt denken. Einfach nicht hingehen ist aber keine Option: Entzündete Zähne, die über einen längeren Zeitraum unbehandelt bleiben, können ernsthafte akute und chronische Erkrankungen die Folge sein – von den Schmerzen mal ganz abgesehen. So können Bakterien über den befallenen Zahn hinaus bis tief in die Kieferknochen eindringen. Über den Blutkreislauf kann es so zu einer manchmal lebensbedrohlichen Entzündung im Körper kommen.