Der Sender ist für das Fernsehen der Zukunft gar nicht so schlecht gerüstet. Die Herausforderung des Medienwandels hat er gemeistert.

Mainz - An diesem Wochenende gehen beim Zweiten Deutschen Fernsehen zwei wichtige ältere Herren in den Endspurt: Thomas Gottschalk, der "Show-Dino", moderiert morgen die letzte Mallorca-Ausgabe von "Wetten, dass..?"; Anfang Dezember geht unwiderruflich seine allerletzte Sendung über die Bühne. Und bereits am Freitag wird der ZDF-Intendant Markus Schächter wohl seinem frisch gewählten Nachfolger Thomas Bellut, der ihm im März 2012 folgen soll, die Hand schütteln und gutes Gelingen wünschen.

 

Dass mit Gottschalks Abschied von dem Show-Flaggschiff des Mainzer Senders nach 25 Jahren eine Ära endet, ist allenthalben heftig betrauert worden. Markus Schächter, dessen Wahl zum Nachfolger des scheinbar unersetzlichen Dieter Stolte 2002 erst nach langem Hickhack glückte, macht zwar nur ein Jahrzehnt an der Spitze des Zweiten voll, aber diese Jahre waren in vielerlei Hinsicht entscheidend - für die Zukunft des Senders und für die Zukunft des Fernsehens insgesamt. Auch wenn der oberflächliche Eindruck ein anderer ist.

Dass man "mit dem Zweiten" besser sehe, wie der Slogan der Eigenwerbung behauptet, hat Spötter zu der treffenden Verballhornung inspiriert, mit "den" Zweiten kaue man besser. In der Tat beschert die Vorabendwerbung dem ZDF-Zuschauer interessante Erkenntnisse über den Stand der Dinge bei Damenwindeln, Stärkungsmitteln und Venensalben. "Kukident-Sender" ist der Begriff, der dem Umstand Rechnung trägt, dass der Altersdurchschnitt seines Publikums jenseits der sechzig liegt. Und vieles von dem, was als Programm zwischen den Werbeblöcken angeboten wird - Kriminal- und Medizinerpossen aus den schönsten Regionen Deutschlands, gern garniert mit beliebten Tierarten -, verleitet niemanden zu gefährlichen Sprüngen aus dem orthopädischen Fernsehsessel.

Der große Vorteil ist Flexibilität

Andererseits steht das Kürzel ZDF mittlerweile für eine Sendergruppe, die aufs Ganze gesehen den Herausforderungen des Medienwandels flexibler und profilierter begegnet als die öffentlich-rechtliche Konkurrenz. Was der jüngst wiedergewählte SWR-Intendant Peter Boudgoust gern hätte und einstweilen nicht bekommt, einen Jugendkanal innerhalb der ARD nämlich, hat das ZDF bereits in doppelter Ausführung: ZDF neo ist der Spartenkanal, in dem anspruchsvolle Serienfreunde fündig werden, vom innovativen US-Erfolgsformat "Mad Men" bis zu Klassikern wie "Star Trek". Der jüngste Streich der Mainzelmänner, ZDFKultur, hebt sich vom seriös-anspruchsvollen 3Sat-Angebot ab und setzt erfrischend konsequent auf Popkultur.

Dazu kommen Kleinigkeiten: Der ZDF-Infokanal zieht digitale Eingeborene und Einwanderer mit Nischenstoff wie dem "Elektrischen Reporter" an, im Hauptprogramm gab es den mutigen Versuch, TV und Web 2.0 im interaktiven Krimi "Wer rettet Dina Foxx?" zusammenzubringen, und die Verantwortlichen haben souverän reagiert, als sie das zunächst von ein paar Fernsehfans gegründete Twitter-Konto @zdf-online kurzerhand adoptiert haben. Beispiele wie diese zeigen den großen Vorteil der Anstalt auf dem Lerchenberg im Vergleich mit dem Ersten: ihre Flexibilität.

In der ARD heißt die Werbelosung zwar "Wir sind eins", zutreffender aber lautete sie "Wir sind langsam". Die tankerhaften Abmessungen dieser Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten Deutschlands führen gelegentlich dazu, dass gewagte Einfälle und neue Konzepte im Hin und Her zwischen München und Köln, Stuttgart und Hamburg weniger befördert als zerrieben werden. Die dritten Programme könnten als Labor für Neues fungieren, aber diese Aufgabe nehmen sie vor lauter Formatfernsehen für die Mitte der Gesellschaft weniger wahr als im vergangenen Jahrhundert.

Im Fernsehen aber geht es manchmal zu wie im Leben: Wer nichts wagt, wird neue Zielgruppen nicht gewinnen.