Kultur: Tim Schleider (schl)

So lange aber niemand unter den politisch Verantwortlichen die Zukunft des Stuttgarter Opernhauses wirklich zu seinem Projekt macht, so lange niemand sich mit einer Idee oder Vorstellung, welche Rolle das Gesamtensemble der Staatstheater im Schlossgarten im Herzen der Stadt spielen soll, was das eigentliche Ziel der womöglich kostspieligen Investitionen an dieser Stelle zu sein hat, so lange wird die Debatte im Für und Wider von Sachbearbeitern und Denkmalschützern mäandern, werden Sichtachsen inspiziert, Parkplätze gezählt und Erdwärmeleitungen entdeckt. Alles Dinge, die wichtig sein können. Wenn man das Wegziel kennen würde.

 

Streng juristisch betrachtet ist der Bauzustand des Staatstheater ein Problem des Hausbesitzers, also des Landes. Im Kern aber muss natürlich die Stadt wissen, was sie eigentlich von der Oper will, welchen Ort und welchen Stellenwert im städtischen Leben diese spielen soll. Ist man im Großen und Ganzen zufrieden, wie es läuft, weil ja ohnehin nur eine kleine Schicht der Bevölkerung dort vorbei schaut? Dann würde es vermutlich reichen, ein paar technische Anlagen zu erneuern und die Toiletten aufzuhübschen. Will man dagegen die Kette der erfolgreichen Kulturinvestitionen der Landeshauptstadt der vergangenen 15 Jahre fortsetzen – Literaturhaus, Theaterhaus, Kunstmuseum, Tagblattturm, Stadtbibliothek –, erkennt man die Bedeutung der Theater an als öffentlicher, städtischer Raum für alle, wie es Kommunen anderswo in jüngerer Zeit eindrucksvoll getan haben, dann ist eine mutigere Investition nötig. Dann muss man ein Projektziel formulieren. Und dann heißt es, Bündnispartner zu finden, zu überzeugen – bei den Bürgern, unter den politischen Fraktionen, bei Unternehmern, Mäzenen.

Eine solch umfangreiche kulturpolitische Investition wird in naher Zukunft zweifellos nicht leichter. Man kann argumentieren, dass der Stuttgarter Aufgabenzettel sich just in den vergangenen Monaten gründlich verändert hat. Man kann ebenso argumentieren, dass eine sozial intakte Stadt und eine starke kulturpolitische Entwicklung sicher nicht im Widerspruch zueinander stehen. Kulturpolitische Investitionen rütteln sich nun mal nicht irgendwie zurecht. Man muss sie wollen. So oder so müssen die maßgeblich Verantwortlichen in der Operndebatte endlich Farbe bekennen – 2016! Sonst droht eine Wiederholung dieses Artikels in genau einem Jahr.