In Filderstadt und Leinfelden-Echterdingen stehen Gebäude und Häuser, die einst einen völlig anderen Nutzen hatten als heute. Einige dieser steinernen und stummen Zeugen der Geschichte stellen wir in einer Serie vor. Heute: das ehemalige Gasthaus Zum Bären in Bernhausen.

Bernhausen - Das Gebäude an der Aicher Straße 4 fällt dem Passanten rein optisch kaum auf: Es ist schlicht und unscheinbar. Im Inneren befindet sich die Metzgerei Hörz. Ein deftiger Mittagstisch und ein Cateringservice runden das Angebot der Metzgerfiliale ab. Die Geschichte des Gebäudes selbst reicht aber viel weiter zurück. Von 1669 bis 1955 befand sich dort der Bären - die einst wichtigste Gastwirtschaft von Bernhausen. Zwar gab es noch zwei weitere Wirtschaften im Ort, doch keine war so beliebt wie der Bären. Sie lag nämlich direkt an der viel befahrenen Albstraße (die heutige B 312), die von Stuttgart auf die Alb führte.

 

Über diese Fernstraße mitten durch Bernhausen zogen nicht nur Reisende, Räte und Händler, sondern auch der württembergische Graf. Der Bären profitierte von dieser exponierten Lage und wurde als sogenannte Schildwirtschaft geführt. Als solche hatte sie das Recht, aber auch die Pflicht, Gäste und Reisende zu bewirten und zu beherbergen. Die Übernachtungsquoten für das Jahr 1844 sprechen für sich: 57 Prozent der Reisenden ließen sich im Bären nieder. Im ehemaligen Ochsen nächtigten 16 und in der Sonne sogar nur vier Prozent der Reisenden. Der Bären hatte für die Reiter und Kutscher eine eigene Pferdestation mit zehn Plätzen in einem Gaststall. Während die Tiere durch das Personal versorgt wurden, konnten sich Fahrer und Reiter auf ihrer Reise erholen und verköstigen lassen. Tagtäglich hielten mehrere Pferdegespanne vor der Gastwirtschaft. „Das ist vergleichbar mit den heutigen Autobahnraststätten“, erklärt Filderstadts Stadtarchivar Nikolaus Back.

Die Pfarrer warnten vor den Gefahren des Wirtshausbesuchs

Der erste Bärenwirt war laut Ortschronik Michael Müller – ein Vorfahre des späteren Kupferstechers Johann Gotthard Müller. Der Bärenwirt hatte einen sehr guten Ruf und wurde später zum Schultheißen von Bernhausen gewählt. Im Laufe der Zeit wechselten die Wirte, was der Beliebtheit des Bären jedoch keinen Abbruch tat. Das Gasthaus war nicht nur bei Reisenden beliebt. Die gute Stube war Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens im Ort und ein beliebter Treffpunkt für Arbeiter aus Bernhausen oder Handelsreisende aus ganz Deutschland.

Im Bären wurde gespeist, getrunken und ausgiebig gefeiert, was insbesondere den Kirchen und Pfarrern zunehmend missfiel. Mit moralisierendem Ton warnten sie die junge Bevölkerung vor den Gefahren des Wirtshausbesuches. Zur Wirtschaft gehörten Wohnungen, eine Scheuer mit gewölbtem Keller, eine Doppelscheuer mit Stallungen, ein Waschhaus mit Backofen. 1890 übernahm der Metzger Karl Wilhelm Brodbeck die Wirtschaft und richtete 1895 auch eine Metzgerei in dem Gebäude ein. Im Zuge der Nahrungsmittelknappheit im Ersten Weltkrieg wurden im Oktober 1915 auch auf den Fildern fleisch- und fettlose Tage eingeführt. Laut Verordnung durften Gaststätten und Metzgereien fortan dienstags und freitags kein Fleisch mehr ausgeben. Davon betroffen war auch der Bären.

Mit dem Bau der Eisenbahn verlor die Albstraße an Bedeutung

Negative Auswirkungen auf den Gaststättenbetrieb hatte auch der Ausbau der Infrastruktur. „Mit dem Bau der Eisenbahn von Stuttgart nach Ulm verlor die Albstraße zunehmend an Bedeutung, so dass die Gastwirtschaft 1955 schließlich aufgegeben werden musste“, berichtet Nikolaus Back. Während der geschichtsträchtige Gastbetrieb seine Pforten nach 286 Jahren schließen musste, besteht die Metzgerei nach wie vor. 1934 erwarben Karl und Emma Hörz aus Sielmingen die Metzgerei, die mittlerweile in dritter Generation betrieben wird. Bei den älteren Bernhäusern ist der ehemalige Gasthof nach wie vor fest im Bewusstsein verankert. Die Metzgerei mit dem Namen Hörz nennen sie auch heute noch liebevoll „Bären“.