Der Lebenslauf für Mukoviszidose-Kranke geht zum 20. Mal an den Start. Stephan Illing befasst sich schon seit zweimal zwanzig Jahren mit der Erbkrankheit. Er ist einer der führenden „Muko-Ärzte“ und hat viel erlebt – nicht nur Schlimmes.
Ditzingen/Fellbach - Er arbeitete 33 Jahre lang am Stuttgarter Olgahospital, leitete die Ambulanz für Mukoviszidose-Kranke. Damit wurde Stephan Illing, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin am Kinderkrankenhaus, auch zum Facharzt für volljährige Patienten. „Muko wird erwachsen“ – diesen Spruch habe nicht er erfunden, erklärt der Mediziner, sondern der Mukoviszidose-Verein, der sich für Patienten mit dieser Erbkrankheit einsetzt. Die werden dank moderner Medizin immer älter. Mit arbeiten aufhören? Das kam für den 65-Jährigen nicht infrage, als er am Klinikum Stuttgart 2016 in den Ruhestand ging. Der Fellbacher engagiert sich weiter – und erzählt begeistert, was sich bei der Behandlung der chronisch Kranken verbessert hat.
Der Lebenslauf, mit dessen Erlös Muko-Patienten geholfen wird, findet im April zum 20. Mal statt. Für Illing selbst sind es bereits zweimal zwanzig Jahre mit Muko. 1976 habe er sein Staatsexamen abgelegt – „damals wurden Studenten noch mit echten Patienten geprüft“. Dem künftigen Kinderarzt wurde ein Elfjähriger vorgestellt. „Er war spindeldürr, saß im Rollstuhl. Ich musste ihn untersuchen, feststellen, was er hat – und wie es weitergeht“, erzählt Illing. Der Elfjährige war ein Muko-Patient kurz vor dem Tod. Damals galt CF, wie Mukoviszidose wegen der englischen Abküzung „cystic fibrosis“ auch genannt wird, als Kinderkrankheit. Heute gibt es viele CF-Patienten, die 40 oder älter sind. Und die Kinder und Familie haben.
Ein Leben in äußerster Vorsicht
Damals in den Siebzigern war daran nicht zu denken. „Mukos werden nicht alt“, hieß es. Den Patienten, die ständig auch Probleme mit dem Atmen hatten, wurde ein Leben in äußerster Vorsicht empfohlen – und trotz „schonen, kein Sport, wenig Fett essen“ starben die meisten als Kinder oder Jugendliche. „Wir haben das Falsche gelernt“, meint Illing im Rückblick. Heute gelten andere Regeln, und es gibt viel bessere Therapien. „Wir sagen, die Leute sollen ganz normal leben.“ Dank der heute verfügbaren Enzyme, die dem Körper beim Verdauen helfen, können die Patienten ausreichend Kalorien aufnehmen. CF-Patienten brauchen mehr Energie als Gesunde, ihr Körper muss mehr arbeiten. Durch die Krankheit werden Organe wie Lunge, Bauchspeicheldrüse, Leber und Darm mit zähem Schleim verstopft – der weg muss. Viel Bewegung und Sport helfen dabei, ebenso wie Inhalationen oder das Abhusten – und viele Tabletten, auch Antibiotika.
Illing fasst eine weitere Erkenntnis der Ärzte zusammen: Die Psyche spielt eine Rolle, wie bei anderen Krankheiten auch. Wer motiviert ist, lebt zumindest besser. Eines sei erkennbar: „Der Sozialstatus ist ein klarer Risikofaktor.“ Würden die Krankheit und die Therapien schlecht akzeptiert, sei dies nicht förderlich. Wer gute finanzielle Ressourcen habe, komme mit dem Auto gut in die Ambulanzen. Illing betont aber: „Auch Hartz-IV-Familien können CF-Kindern gute Lebenschancen bieten. Entscheidend ist, wie die Eltern die Krankheit akzeptieren und das Kind motivieren.“
Die medizinischen Voraussetzungen seien hierzulande bestens: Mit dem Olgahospital in Stuttgart, mit den Zentren in Tübingen und in Gerlingen, mit Heidelberg, Ulm, Freiburg und Heilbronn. Ältere Patienten hätten es schwieriger: „Wir müssen die Kollegen schubsen auf eine Erwachsenenmedizin für CF-Patienten.“ Im Olgäle versorge dasselbe Ärzteteam etwa 200 Erkrankte jeden Alters. 1937 wurde die Krankheit zum ersten Mal beschrieben, in den sechziger Jahren die interdisziplinäre Behandlung begonnen – der entscheidende Fortschritt.
Betreuung durch verschiedene Ärzte
CF galt lange als Krankheit für Lungen- oder Magen/Darm-Ärzte. Heute wird der Patient parallel von verschiedenen Fachärzten betreut, dazu von Physiotherapeuten, Psychologen, Ernährungsberatern. Aller Ziel ist „das ganz normale Leben“ der 8000 Erkrankten in Deutschland. Den „klassischen“ Muko-Patienten gibt es nicht – weil es 2000 Mutationen der Krankheit gibt. Für die schweren Verläufe ist das letzte Mittel die Lungentransplantation.
„Ganz normales Leben“ der CF-Patienten bedeutet auch: Junge Frauen wollen Kinder bekommen. Ende der Achtziger hat Illing seine erste junge Patientin durch die Schwangerschaft begleitet. Eine andere, erzählt er, konnte miterleben, wie ihr Sohn erwachsen wurde. Muko hat aber auch andere Seiten: Es gibt junge Menschen, die trotz transplantierter Lunge bereits einen Rollator brauchen. „Es ist manchmal ungerecht“, meint der Arzt, der sich den „Mukos“ verschrieben hat.
Am nächsten Tag wird er in der Rehaklinik Tannheim im Schwarzwald wieder viele Patienten sehen. Wie auch beim Lebenslauf in Ditzingen am 22. April. Er freut sich darauf. „Wir brauchen solche Veranstaltungen“ – für die Patienten. Und auch, um zu zeigen, was Muko wirklich ist.
Eine Veranstaltung, die verbindet
Die Krankheit
Mukoviszidose, auch Zystische Fibrose (CF) genannt, ist eine bisher noch unheilbare Stoffwechselerkrankung, die vererbbar ist. Dabei werden lebenswichtige Organe, wie Lunge und Darm, durch zähen Schleim verstopft. Patienten müssen durch tägliche Therapie das Sekret entfernen. Ihre Lebenserwartung ist im Vergleich mit gesunden Menschen verkürzt – steigt aber von Jahr zu Jahr.
Der Lebenslauf
Der Ditzinger Lebenslauf findet statt in der Glemsaue am Sonntag, 22. April 2018, von 8 bis 16 Uhr. Veranstalter ist der Verein Mukoviszidose – Landesverband Baden-Württemberg. Die Teilnehmer können ohne Zeitwertung so weit und so lange laufen, wie sie wollen. Sie suchen sich einen oder mehrere Sponsoren, die eine Spende für den Muko-Verein geben – viele Lebensläufer erhalten auf diese Weise um die fünf Euro pro Kilometer. Gruppen sind willkommen.
Die Teilnahme
Einzelläufer können nach Belieben kommen, Gruppen müssen sich anmelden bis zum 14. April. Die Strecke von zwei und 3,5 Kilometern ist zwischen 10 und 12 Uhr stark belegt. Mehr Informationen unter www.ditzinger-lebenslauf.de und www.mukobw.de