Zum Tod der Soulsängerin Denise LaSalle Der frittenfettige Klang des Südens

Der Southern Soul ist eine Musikwelt für sich: deftig, erdig, sinnlich, vom Blues durchtränkt. Denise LaSalle, in Deutschland kaum bekannt, war eine der Meisterinnen dieser Musik. Die nun im Alter von 78 Jahren Verstorbene hat etliche zeitlose Klassiker eingespielt – die aber alle nichts für Prüde sind.
Stuttgart - Der Titel „Queen of the Blues“ ist schon vielen Sängerinnen zuerkannt worden, und mit all ihren Vorgängerinnen und Konkurrentinen hatte die Königin Denise LaSalle zumindest eines gemeinsam: Steifes Hofzeremoniell, adlige Pikiertheit und erstickend feine Sitten waren ihr völlig fremd. Sie war und blieb Botschafterin jener bis zur Rüdheit und Obszönität freimütigen Sinnlichkeit, die den Blues in den Ohren der frömmsten Kirchgänger stets wie die Rattenfängermusik des Teufels klingen lässt. Wobei man mit dem Ausdruck Blues vorsichtig sein muss: Denise LaSalle, die am 8. Januar 2018 im Alter von 78 Jahren gestorbene ist, war eine wunderbare Vertreterin des Southern Soul.
Auf Youtube findet sich auch das Titelstück von Denise Lasalles Debütalbum:
Das für den Südstaatensoul typische Wunderwerk, das lüstern dampfend Frittenfettige mit muskulöser, raubtierhafter Energie zu verbinden, ging LaSalle leicht von der Hand. Ihr Debütalbum „Trapped by a Thing Called Love“, 1972 fürs kleine Detroiter Label Westbound mit bestens aufgelegten Studiomusikern eingespielt, ist ein zeitloses Meisterstück des Soul, von jenem lässigen Selbstbewusstsein durchtränkt, das damals Herzschmerz-Kitsch in Hymnen schwarzer Befreiungshoffnung verwandeln konnte.
Der alte Klang vom Land
Dass die großen musikalischen Moden der Zeit ganz andere seien, dass sie bald ganz abgehängt sein werden, hat Denise LaSalle ab Mitte der Siebziger wohl andauernd gehört. Aber als sogar die Bluesbegeisterung der neuen weißen Fanboys Ende der Siebziger abzuflauen schien und der Soul der Aufbruchsjahre vielen Großstadt-DJs wie staubige Dachbodenmucke aus Omas Hochzeitskiste vorkam, hielt das 1962 gegründete Label Malaco aus Jackson Mississippi an der Idee fest, dass es auf dem Land immer Menschen geben würde, die den alten Sound bevorzugen. Um ihn nicht ganz nostalgisch klingen zu lassen, konnte man ihn ja hie und da mit ein wenig Disco-Geflirre sprenkeln.
Youtube hat eltiche Konzertausschnitte der etwas älteren LaSalle zu bieten:
Denise LaSalle gehörte wie Z. Z. Hill und Johnnie Taylor zu den Old-School-Künstlern, die Malaco unter Vertrag nahm und mit denen sich, ganz abseits vom Musik-Mainstream und dem Top-40-Radio der Achtziger, eine erstaunliche Erfolgsgeschichte entwickelte. Malaco nahm all jene mit, von denen die anderen nicht einmal mehr glaubten, dass sie noch abgeholt werden wollten.
Geilheit und Eifersucht
Was Denise LaSalle in jenen Jahren aufgenommen hat, ist von wechselnder Qualität. Und vielleicht hat sie es mit dem Image der lustbetonten Frau, die noch im Alter aus dem Unterleib heraus lebt und das ganze Leben als Rahmenveranstaltung für guten Sex sieht, etwas übertrieben. Aber stets ist ihre Energie spürbar, ihre nicht auf heiseres Herausbrüllen angewiesene Emotionalität, ihre Kraft gerade in den konversationshaft beiläufigen Passagen. Wer deftigen Soul mag und sich durch die hierzulande eher unbekannten Aufnahmen von LaSalle hört, wird auch in den späteren Werken manches finden, was ihm eben diese Unbekanntheit unerklärlich erscheinen lässt. „Ich will ja nicht behaupten, dass ich alles selber erlebt habe, worüber ich Lieder schreibe“, kommentierte sie in einem Interview mal Geilheitskoller, Treubruch, Beziehungsknatsch, Hass und Euphorieschübe ihrer Songs. „Aber alles, worüber ich schreibe, habe ich zumindest an Leuten um mich her beobachtet.“ Und das findet man in LaSalles vielen guten Aufnahmen tatsächlich: das Leben, mit heruntergelassenen Hosen erwischt.
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