Wenige Politiker haben so provoziert wie er. Dabei war er im persönlichen Umgang überaus aufmerksam und zuvorkommend. Ein witziger Zeitgenosse, Rheinländer halt. Seinen engsten Mitarbeitern hielt er ein Leben lang und auch in schwierigen Zeiten die Treue. Politisch aber war er rund um die Uhr rauflustig. Feindschaften nahm er in Kauf, die Welt teilte er in Gut und Böse. Zeit seines Lebens trieb ihn das Bedürfnis nach Anerkennung. „Leistung muss sich lohnen“, lautete einer seiner harten Imperative. Dieses Prinzip wollte er auch für sich geltend machen. Vertraute sagen, dass er wohl auch deshalb oft mit brachialer Wucht Aufmerksamkeit erzwang. Als Lohnersatzleistung für den Respekt, von dem er glaubte, dass man ihm diesen absichtsvoll vorenthielt.

 

Ja, er konnte austeilen, gern live und in Farbe. Abseits der Kameras wirkte er hingegen oft verletzlich. In kleiner Runde empörte er sich darüber, dass ihm die rot-grünen Politmachos Gerhard Schröder und Joschka Fischer den Umgang auf Augenhöhe verwehrten. Als Fischer Außenminister war, hat er den Liberalen einmal mit ausgestreckter Hand einfach stehen lassen, bewusst den höflichen Gruß Westerwelles ignorierend, als sei dieser nichts als Luft. Den FDP-Granden haben solche Demütigungen tief getroffen.

Wer Westerwelle besser verstehen will, der muss zurück in seine Kindheit blicken, von der er in jenen seltenen Momenten erzählte, in denen er die sonst fest verriegelte Tür zu seinem Innern einen kleinen Spalt öffnete. Die Eltern, selbstständige Rechtsanwälte, trennten sich, als Westerwelle neun Jahre alt war. Sie stritten ums Sorgerecht, schließlich entschieden die vier Söhne, beim Vater zu leben. Die Trennung hinterließ Spuren, Westerwelle scheiterte zunächst am Gymnasium, fremdelte in der Realschule mit seinen Mitschülern, ein dicklicher Junge mit großer Klappe, kaum gemocht. Aber diese Zeit lehrte ihn zwei Eigenschaften, die ihn weit bringen sollten: Disziplin und Zielstrebigkeit. Das linke Establishment, das er in seiner Schulzeit erlebte, verachtete er. Die 68er, von denen er sich ausgegrenzt fühlte, wurden zum Feindbild, auch wenn er später einräumte, dass er es der sozialliberalen Bildungspolitik Willy Brandts zu verdanken hatte, ans Gymnasium zurückkehren zu können.