Die Partei versucht, ihre Wünsche der Wirklichkeit anzupassen und doch eigene Akzente zu setzen. Die Schulpolitiker gehen voran und suchen Schwerpunkte in der Bildungspolitik.

Stuttgart - Es rumort bei den Grünen im Land. Die Diskussionen um den Haushalt haben Unzufriedenheit ausgelöst, allen voran bei den Bildungspolitikern. „Das Bildungsthema ist zentral für uns Grüne“, unterstreicht die Landesvorsitzende Thekla Walker. Dass jetzt, eineinhalb Jahre nachdem die grün-rote Koalition den Bildungsaufbruch mit zahlreichen Reformvorhaben ausgerufen hat, auch die Bildung nicht von den Sparmaßnahmen ausgenommen wird, erscheint nicht wenigen Parteimitgliedern zumindest erklärungsbedürftig. Auch mit der Umsetzung der bildungspolitischen Neuerungen sind viele Grüne nicht besonders glücklich. Diese Einschätzung teilen sie mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Bildungsgewerkschaft hat angekündigt, dass sie am Samstag gegen die Sparpläne der Regierung protestieren wird. Und zwar am Haus der Wirtschaft, dort treffen sich die Grünen heute zu ihrem „Bildungsratschlag“.

 

Ökonomie im Blick

Rund 100 Mitglieder erwartet Walker zum Treffen mit dem Parteivorstand, bei dem es darum geht, die Inhalte und den Fortgang der Reformen „kritisch zu überprüfen“. Die Vorsitzende geht davon aus, dass die Teilnehmer Prioritäten aufstellen werden, welche Vorstellungen auch unter Berücksichtigung der ökonomischen Vorzeichen noch zum Bildungsaufbruch passen. Die Ergebnisse der heutigen Workshops können in einen Antrag für den Landesparteitag am 30. November münden.

Zur Regierungspartei entwickeln

„Die Partei muss sich weiter entwickeln“, sagt die Vorsitzende Walker. Diverse Regierungsmitglieder beklagen inzwischen unverhohlen, dass ihre Basis noch nicht recht in der Rolle als Regierungspartei angekommen sei. Edith Sitzmann, der Vorsitzenden der Landtagsfraktion, fällt die Rolle zu, dem Mittelbau der Partei das Wechselspiel von Haushaltskonsolidierung und Bildungspolitik darzulegen. Walker legt Wert darauf, dass bei dem bildungspolitischen Treffen heute aber auch die Stimmung in der Partei aufgegriffen wird. Trotz aller Zwänge will die Partei auf eigene Impulse nicht verzichten.

Gesetzt sind die Themen alternative Wege zum Abitur, Inklusion, also gemeinsamer Unterricht von behinderten und nicht behinderten Schülern, die Rolle der beruflichen Schulen und natürlich die Großthemen regionale Schulentwicklungsplanung und Gemeinschaftsschule.

Neue Wege zum Abitur

Den Grünen gefällt die von der SPD unterstützte teilweise Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium wenig. Walker hält das „Abitur im eigenen Takt“ für einen Königsweg aus dem Zwist. Dabei sollen Schüler selbst bestimmen, ob sie die gymnasiale Oberstufe in drei oder in zwei Jahren absolvieren. Das Projekt wurde in Mössingen entwickelt, der stellvertretende Projektleiter referiert aus erster Hand.

Bei der regionalen Schulentwicklung drückt die Partei aufs Tempo. „Angesichts des bereits begonnenen Wettlaufs um den Erhalt von Schulstandorten“ sei eine solche Planung „besonders dringend“. Sie will gesetzliche Regelungen, Zuständigkeiten und Verfahrensweisen sollen durch Rechtsverordnungen geklärt werden.

Gleicher Bildungsplan für alle

Klare Kriterien sollen auch für die neuen Gemeinschaftsschulen erstellt werden. „Wir wollen keine Resteschule, die Gemeinschaftsschulen sind auch kein Schulrettungsprogramm“, erteilt Walker etwaigen Hoffnungen von Gemeinden von vorneherein eine Absage. Man macht sich nichts vor. Auch in der aktuellen zweiten Antragsrunde gehen die Grünen davon aus, dass sich vor allem Werkrealschulen um die Genehmigung als Gemeinschaftsschule bewerben werden. Die Partei verlangt, „landesweit müssen große Anstrengungen unternommen werden, die Realschulen und Gymnasien stärker in die Entwicklung der Gemeinschaftsschulen einzubinden“.

Es gelte Lehrer, Eltern und Schulträger von den Vorteilen der Gemeinschaftsschule zu überzeugen. Den Grünen schwebt ein gemeinsamer Bildungsplan für alle weiterführenden Schulen vor. Sie machen sich für einen gemeinsamen Fächerkanon aller Schularten stark. Nur so könne die Arbeit der Schularten aufeinander abgestimmt werden. Das langfristige Ziel der Grünen bleibt die Überwindung des selektiven Schulsystems durch die Gemeinschaftsschule. Doch das ist zunächst vertagt. Die Erkenntnis, dass sich das Gymnasium nicht so leicht abschaffen lässt, hat sich bei den Realos schon durchgesetzt.

Kabinett beschließt

Schon vor dem Parteitag der Grünen will die SPD-Kultusministerin Warminski-Leitheußer die regionale Schulentwicklung vom Ministerrat absegnen lassen. Die Eckpunkte sollen im November ins Kabinett. Es wird erwartet, dass Mindestgrößen von 40 Schülern pro Jahrgang festgeschrieben werden, um neue Schulen zu gründen. Für bestehende Schulen kündigte die Ministerin ein „differenziertes Vorgehen“ an.

Frist abgelaufen

Die zweite Antragsrunde zur Einrichtung der neuen Schulart ist am 1.Oktober abgelaufen. Die Städte und Gemeinden können aber die notwendigen Beschlüsse von Gemeinden und Schulkonferenzen noch bis 30. November nachreichen. Gut 130 Interessenten sollen sich gemeldet haben. Welche Schularten dabei sind, ist noch nicht bekannt. Das Kultusministerium stellt in Aussicht, dass die Gesamtliste der Anträge noch im Oktober veröffentlicht wird.