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Stuttgart: Hohenheimer Rieslingapfel - Verschollen geglaubte Obssorte kehrt heim

Mit einer gemeinsamen Pflanzaktion der Universität Hohenheim und der Stadt Stuttgart haben die Hohenheimer Gärten zwei Exemplare der alten Sorte wieder in ihre Obhut genommen.

Stuttgart: Hohenheimer Rieslingapfel - Verschollen geglaubte Obssorte kehrt heim

Der Rieslingapfel kehrt zurück an die Universität Hohenheim.   Foto: Lucas Pacholet

Seine Früchte sind klein, sauer und eignen sich vor allem für Most: Die Vorzüge des Hohenheimer Rieslingapfels sind gewiss nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Doch der Genussfaktor ist in diesem Fall nicht das Entscheidende. Alte Obstsorten sind vielmehr ein Baustein zur Bewahrung der genetischen Vielfalt. Der Hohenheimer Rieslingapfel galt als verschollen, bis Hobby-Pomologen einen alten Baum in Altbach entdeckten. Nun ist er an die Universität Hohenheim in Stuttgart zurückgekehrt - an seinen Ursprungsort, an dem er um 1870 gezüchtet wurde. 

Zwei unscheinbare Apfelbäumchen sind die Stars der Pflanzaktion in den Hohenheimer Gärten: Ende November 2023 zogen sie an ihren Platz südöstlich des Schlosses, liebevoll eingepflanzt unter dem Beifall ihrer Retter. Denn es sind besondere Bäume mit einer außergewöhnlichen Geschichte.
„Der Hohenheimer Rieslingapfel wurde vor 150 Jahren an der damaligen Landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim gezüchtet“, erklärt Dr. Robert Gliniars, Kustos der Hohenheimer Gärten. „Die Sorte galt als verschollen, und dass sie heute wieder zu uns ins Landesarboretum zurückkehrt, freut uns sehr. Das ist vor allem der Spürnase der Sortenfahnder zu verdanken und dem Engagement der Streuobstfachstelle.“

Ehrenamtliches Engagement rettet alte Obstsorten

Eine der Spürnasen ist Rudolf Brenkel. Der Ehrenvorsitzende des Obst- und Gartenbauvereins Altbach wusste schon vor Jahren von einem ungewöhnlichen Altbaum auf einer Streuobstwiese bei Altbach „Der Großvater der Besitzerin war Baumwart in Hohenheim und wohl recht aktiv beim Veredeln“, berichtet Brenkel. „Über meine Vereinstätigkeit lernte ich Eckart Fritz kennen und zeigte ihm den Baum.“ Der Pomologe und Sortenspezialist erkannte den Rieslingapfel. „Mir war erst gar nicht bewusst, dass dies eine kleine Sensation ist“, räumt Brenkel ein. Und hier kommt die zweite Spürnase ins Spiel: „Erst als Lucas Pacholet 2019 mit mir Kontakt aufnahm, wurde mir die Bedeutung klar.“
Der Hohenheimer Absolvent und Lehramtsstudent an der Universität Stuttgart teilt Brenkels Begeisterung: Er kümmert sich in seiner Freizeit nicht nur um seine eigene Streuobstwiese, sondern fahndet ebenfalls nach verschollen geglaubten Obstsorten. „Die alten Sorten sind meist robuster und weniger anfällig, etwa gegen Krankheiten“, erklärt er, und vor allem auch ein Kulturgut mit Geschichte.“

Auch wenn Brenkel aus heutiger Sicht feststellt, dass es „eine Strafarbeit sein dürfte, diese kleinen Früchte in ausreichender Menge aufzulesen“ - frühere Generationen zeigten sich vom Hohenheimer Rieslingapfel begeistert. Erstmals erwähnt 1874 in der „Rheinischen Gartenschrift“, wird die Sorte in den „Pomologischen Monatsheften“ 1880 näher beschrieben. Der Wein aus diesen Äpfeln erinnere „in Farbe, Geschmack und Feuer an den aus den Rieslingtrauben gewonnenen Traubenwein“, weshalb „Garteninspector Schüle in Hohenheim“ der Sorte ihren Namen gab.

Streuobstfachstelle sorgt für Erhalt der Sorten

Um diesen exzellenten „Weinapfel“ zu retten, haben die beiden versierten Hobby-Pomologen auch mit Jochen Berger von der Streuobstfachstelle der Stadt Stuttgart Kontakt aufgenommen. „Hohenheim war vor 150 Jahren einer der Ausgangspunkte für Sortenzüchtungen, von hier aus wurden sie in ganz Süddeutschland verteilt“, erklärt er. „Heutzutage wird ein Standardsortiment von vielleicht 25 Sorten in fast jeder Baumschule angeboten. Doch lokale Sorten sind oft, wenn überhaupt, nur noch als einzelne Bäume anzutreffen.“
Sie zu retten, unterstütze die Stadt Stuttgart. „Denn die Zeit läuft uns davon, die Altbäume sterben nach und nach ab.“ Um den Rieslingapfel für den Streuobstanbau zu erhalten, hat er Auftragsveredelungen mit den Reisern des Altbaumes veranlasst. „Denn Streuobstwiesen sind nicht nur ein prägendes Kulturgut, sondern mit die artenreichsten Lebensräume, die wir in Mitteleuropa haben.“ 

Genetische Vielfalt im Fokus der Hohenheimer Gärten
Die Bewahrung der genetischen Vielfalt ist auch eine der Hauptaufgaben der Hohenheimer Gärten, betont Dr. Gliniars. „Die alten Sorten bergen ein genetisches Potenzial, das uns nicht verloren gehen sollte. Die Erbanlagen könnten in der Züchtung interessant werden, um neue Sorten resistenter zu machen.“
Für den Hohenheimer Rieslingapfel kam die Rettung gerade noch rechtzeitig. „Der alte Baum ist eine abgängige Ruine“, berichtet Brenkel, „obwohl er jedes Jahr noch einige Äpfel trägt.“ Doch mit den beiden Bäumen in Hohenheim und weiteren Exemplaren im Freilichtmuseum Beuren, Altbach und Wiesbaden sei die Sorte erst einmal gesichert, meinen die Fachleute. Demnächst wird es auch noch einen Baum mehr geben: „Auf meiner Streuobstwiese ist gerade ein Baum abgängig“, verrät Pacholet. „Da wird dann ein Rieslingapfel hinkommen.“ red

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