Beim Sozialdienst katholischer Frauen können wohnungslose Frauen duschen, Wäsche waschen, essen – und auch etwas für ihr Ego tun.

Lokales: Sybille Neth (sne)

Stuttgart - Frau D. hat in der Heusteigstraße zwei Freundinnen und eine Heimat gefunden. Damit hat ihr der Tagestreff für Frauen „Femmetastisch“ des Sozialdienstes katholischer Frauen (SKF) tatsächlich fantastisch geholfen, denn weder Freunde noch einen vertrauten Ort kannte sie seit Jahren nicht mehr. Nach mehreren Aufenthalten in der Psychiatrie war alles weg: die familiären Bindungen, der Job, die Wohnung. „Ich bin bei einem Kumpel untergekommen“, sagt Frau D. Mit ihm teilt sie sich eine Einzimmerwohnung – ohne Gegenleistungen, erzählt sie und fügt stolz an, dass sie jetzt in die städtische Notfallkartei stehe.

 

Start ohne Finanzierung

Seit zwölf Jahren kommt Frau D. täglich hierher in den Tagestreff für Frauen zum Mittagessen. „Die zwei Euro dafür kann ich bezahlen“, sagt sie. Wer den Betrag für das frisch gekochte Essen nicht hat, kann zum Beispiel in der Küche mithelfen – muss es aber nicht, betont Ingrid Stoll, die dort die Wohnungsnotfallhilfe leitet. Vor 25 Jahren öffnete die Einrichtung ihre Türen, damals noch beengt auf einer Etage in der Stöckachstraße 55. Die erste Wohnung für Frauen in der Olgastraße wurde einige Zeit später gefunden und im Juli 1994 gab es den ersten regelmäßigen Mittagstisch für wohnsitzlose Frauen. Doch dann verweigerte die Stadt ihre ursprünglich zugesagte finanzielle Unterstützung dafür.

Hab’ und Gut im Trolley

„Wir machen es trotzdem“, entschied mutig die damalige SKF-Vorsitzende Therese Wieland. Bis 1996 wurde der Tagestreff durch Spenden aufrecht erhalten, dann wurde der städtische Zuschuss gewährt. 1999 fand der SKF die Räume in der Heusteigstraße. „In den Gründungsjahren geriet die Wohnungslosigkeit von Frauen erst ins öffentliche Bewusstsein“, blickt die SKF-Geschäftsführerin Angela Riße zurück. „Anders als Männer verdecken Frauen ihre Situation. Sie wollen nach außen Normalität demonstrieren“, weiß sie. So erschien eine der ersten regelmäßigen Besucherinnen stets in gepflegter Kleidung mit ihrem Trolley, in den ihr ganzes Hab und Gut passte. „Sie kam täglich zum Duschen und Wäsche waschen“, berichtet Riße. Auch das können die Besucherinnen in der Heusteigstraße, ebenso ausschlafen. Selbst ein Second-Shop für Kleidung ist vorhanden.

Bruch in der Biografie

Was dort für Mini-Beträge zum Anziehen gekauft werden kann, zeigten Femmetastisch-Stammbesucherinnen beim Jubiläumsfest Mitte bei einer Modenschau. Schülerinnen des St. Agnes-Gymnasiums verschönten in ihrem Nagelstudio die Hände der Besucherinnen. Äußerlichkeiten sind wichtig, denn alle Frauen, die hierher kommen haben schweres hinter sich: Gewalt, Trennung, psychische Probleme, Inobhutnahme der Kinder. „Wir wollen den Frauen die Würde zurück geben. Daher siezen wir sie auch“, betont Christa Reuschle-Grundmann, die Leiterin der offenen Dienste des SKF, zu denen Femmetastisch gehört. In diesem Jahr wurden bisher mehr als 3657 Besuche gezählt, etwa 40 pro Tag. im vorigen Jahr waren es 7149 Besuche. 4051 Mittagessen wurden ausgegeben. Obst, Gemüse und Salat werden von einem Händler in der Markthalle gespendet. Für den Nachmittagskaffee liefert eine Stuttgarter Bäckerei die süße Begleitung.

Kurse am Nachmittag

17 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen organisieren das Kursprogramm am Nachmittag: Singen, Nähen, Malen, Einweisung in PC-Programme, Konversation auf Französisch. Frau W., die ebenfalls seit vielen Jahren zu den Stammbesucherinnen zählt, nimmt an einigen davon teil: „Ich brauche eine Beschäftigung“, sagt sie. Mit Ende 60 erhält sie wegen ihrer psychischen Erkrankung eine Erwerbsminderungsrente. „Ich habe hier eine Tagesstruktur gefunden. Das war meine Rettung“, sagt sie. Außerdem schätzt sie es, dass es hier einen geschützten Raum für die Frauen gibt, in dem sie sich öffnen können, wenn sie das Bedürfnis dazu haben oder einfach nur da sind: „Man wird hier nicht behandelt wie das arme kranke Hascherl.“ Frau W. wird hin und wieder auch selbst im Tagestreff aktiv, denn sie schreibt Prosa und Lyrik.

„Unsere Besucherinnen spiegeln die Gesellschaft wieder: Es sind sehr gebildete Frauen darunter“, weiß Elka Edelkott vom SKF. „Durch einen Bruch in ihrer Biografie kamen sie in die schwierige Lage.“ Diese Klientinnen nehmen mit Begeisterung an den gemeinsamen Theater- und Ausstellungsbesuchen teil, die Femmetastisch im Rahmen der kulturellen Gratisangebote der Stadt organisiert.

Schwierige Wohnungssuche

Heftige Kritik üben die Mitarbeiterinnen an der Wohnungspolitik. Denn für ihre Klientinnen ist es nahezu unmöglich, eine bezahlbare Bleibe zu finden. Andererseits nimmt die Zahl der Besucherinnen in der Tagesstätte zu – ein Zeichen dafür, dass die Wohnungslosigkeit bei Frauen steigt. Knapp ein Drittel der in Stuttgart offiziell registrierten Wohnungslosen sind weiblich. Das bedeutet: 1000 Frauen haben keine Bleibe. Der SKF hat insgesamt 24 betreute Wohnplätze an mehreren Standorten. Über die Wohnungsnotfallhilfe erhält der SKF ein bis zwei Wohnungen pro Jahr für die Weitergabe an seine Klientinnen zugewiesen. Angesichts dieser Zahl macht sich auch Frau D. wenig Illusionen darüber, dass sie bald bei ihrem „Kumpel“ ausziehen kann: „Ich bin noch ganz frisch in der Notfallkartei“, sagt sie.