Das Klassik-Genie Ludwig van Beethoven gilt als musikalisches Ausnahmetalent. Doch was zeigt sich von seiner kompositorischen Genialität in seinem Erbgut? Frankfurter Forscher habe das jetzt untersucht und sind dabei zu überraschenden Ergebnissen gekommen.
Ob Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Anton Bruckner oder Ludwig van Beethoven: Viele berühmte Komponisten gelten als Ausnahmetalente mit einzigartiger Musikalität. Doch was macht sie so besonders? Sind bestimmte Gene für die herausragenden musikalischen Fähigkeiten solcher genialen Tonkünstler verantwortlich?
Musik ist mehr als DNA
Musikalische Fähigkeiten werden nicht allein durch Gene bestimmt. Das zeigt sich Forschern zufolge am Beispiel Ludwig van Beethovens (1770-1827). Dessen Gene unterschieden sich bei der Musikalität nicht von anderen Bevölkerungsstichproben, wie das Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik am Dienstag (26. März) in Frankfurt am Main mitgeteilt hat. Die Studie ist im Fachmagazin „50 Current Biology“ erschienen.
Musikalität ist aber auch erblich bedingt
Zwillingsstudien aus den vergangenen Jahren aus Schweden und den USA zeigen, dass die Musikalität zu rund 42 Prozent erblich bedingt ist. Ein gutes Rhythmusgefühl zu haben, hängt auch von den Genen ab. Von welchen, hatten Forscher im Jahr 2022 durch Genomvergleiche bei mehr als 600 000 Menschen herausgefunden. In ihrer genomweiten Studie identifizierten sie insgesamt 69 Genvarianten, die ein gutes Rhythmusgefühl verleihen und auch weitere Aspekte der Musikalität fördern.
Daraus folgt: Musikalität und Rhythmusgefühl werden durch das Zusammenwirken vieler genetischer Komponenten beeinflusst, darunter auch solchen, die bei biologischen Rhythmen wie Gehen oder Atmen eine Rolle spielen.
Was hat das mit Beethovens Erbgut zu tun?
An dieser Stelle kommen Ludwig van Beethoven und sein Erbgut ins Spiel. Die 2023 in einigen untersuchten Haarlocken des Komponisten erhaltene DNA hatte den Frankfurter Forschern bereits erste Einblicke in Beethovens Genom gewährt, darunter vor allem in die genetischen Grundlagen seiner Erkrankungen.
„Wir haben diesen Ansatz nun auf die Musikalität erweitert“, sagen Laura Wesseldijk und ihre Kollegen vom Frankfurter Max-Planck-Institut. Dafür suchten sie im Erbgut des Komponisten nach den aus der bereits erfolgten Studie bekannten 69 Genvarianten für Musikalität und Rhythmusgefühl.
Die Experte analysierten DNA-Sequenzen, die für die 2023 veröffentlichte Studie aus Haarsträhnen des Komponisten gewonnen worden waren. Daraus berechneten sie einen Indikator für die genetische Veranlagung zur Taktsynchronisation – eine Fähigkeit, die eng mit Musikalität verbunden ist.
Wie ist das möglich? Beethoven war genetisch gesehen musikalischer Durchschnitt
„Wir haben diesen polygenischen Index für Beethoven ermittelt und ihn dann mit zwei populationsbasierten Datensätzen von tausenden modernen Menschen verglichen“, erklären Wesseldijk und ihr Team das Prozedere. Als Vergleichsgruppen dienten rund 5600 Menschen eines schwedischen Zwillingsregisters und 6150 Personen aus einer US-Genomdatenbank, die jeweils auf Rhythmusgefühl und Musikalität getestet worden waren.
Die Genomvergleiche enthüllten Überraschendes: Beethoven, einer der berühmtesten Musiker der Geschichte, hatte demnach im Vergleich zu den bereits erwähnten Bevölkerungs-Stichproben des schwedischen Karolinska Instituts und der amerikanischen Vanderbilt University einen unauffälligen genetischen Indikator für Musikalität.
„Auf den ersten Blick erscheinen diese Resultate ziemlich verwirrend“, schreiben die Forscher. „Denn Beethoven, einer der berühmtesten Musiker der Geschichte, schneidet hier wenig bemerkenswert ab.“
Gene enthüllen eben nur einen Teil der Wahrheit
Die Forscher verweisen zur Begründung auf die begrenzte Aussagekraft eines solchen sogenannten Polygenen Scores. Zudem lasse ein Indikator für die Fähigkeit zur Taktsynchronisation auch nicht direkt auf Beethovens kompositorische Fähigkeiten, also seine musikalische Kreativität, schließen.
„Es wäre natürlich falsch, aus Beethovens niedrigem Polygenen Score zu schließen, dass seine musikalischen Fähigkeiten nicht außergewöhnlich waren“, erklärt MPI-Studienmitautor Simon Fisher. Die große Diskrepanz zwischen dieser DNA-basierten Vorhersage und Beethovens musikalischem Genie sei „eine wertvolle Lektion“. Behaupte zum Beispiel jemand, mit einem Gentest könne zuverlässig bestimmt werden, ob ein Kind musikalisch oder auf einem anderen Gebiet besonders begabt sein wird, sei Skepsis angebracht.
Fazit: „Musikalität ist eine Multikomponenten-Suite von Fähigkeiten“
„Musikalität ist kein einzelnes Merkmal, sondern eine Multikomponenten-Suite von Fähigkeiten“, betonen die Wissenschaftler. Diese Fähigkeiten wiederum beruhten auf einer Mixtur verschiedener genetischer Faktoren, von denen einige nur ganz bestimmte Aspekte der Musikalität beeinflussen.
Beethovens außergewöhnliche Musikalität beruht demnach, so das Fazit der Studie, sehr wahrscheinlich auf genetischen und sozialen Faktoren, die außerhalb der getesteten 69 Genvarianten liegen (mit AFP-Agenturmatrial).