Ein Beispiel aus Kornwestheim zeigt, wie Bürokratie rund ums Sanieren die Menschen belastet. Nicht nur Eigentümer und Handwerker ärgern sich – auch aus dem Rathaus in Kornwestheim kommt Kritik.

Ludwigsburg : Emanuel Hege (ehe)

Die Eigentümergemeinschaft des Hochhauses in der Kornwestheimer Stauffenbergstraße ist frustriert. Eigentlich wollen die Bewohner nur ihr altes Dach sanieren, mussten dafür aber einen Bauantrag einreichen und schlagen sich nun seit über einem Jahr mit dem Baurechtsamt der Stadt Kornwestheim herum. „Es ist ein ständiges Hin und Her, immer wieder müssen wir Dinge nachreichen“, sagt Ellen Mostert, Mitglied des Verwaltungsbeirats der Eigentümergemeinschaft. Aus ihrer Sicht sind viele der Anfragen regelrecht unsinnig: „Wir sollten zum Beispiel Informationen zu unserer Heizung einreichen und einen Auszug aus dem Liegenschaftskataster.“

 

Anfang des Jahres kam dann noch die Photovoltaikpflicht hinzu. Obwohl die Eigentümer durch eine extra beauftragte Bohrung beweisen konnten, dass das Dach keine PV-Anlage tragen kann, verlangte das Baurechtsamt eine Unwirtschaftlichkeitsberechnung. Wieder Arbeit, wieder Verzögerung.

Mostert will aber nicht das Baurechtsamt der Stadt anprangern, für sie geht es um das darüberliegende Problem: Bürokratische Hürden beim Bauen und Sanieren werden immer weiter aufgebaut und belasten die Bürger. Ähnlich sehen das auch der Kreishandwerksmeister und Kornwestheims Stadtspitze. Und auch der Erste Bürgermeister Daniel Güthler hat eine klare Meinung.

Kreishandwerksmeister sorgt sich um Eigentümer

Die Anforderungen seien stark gestiegen, die Taktung neuer Regeln werde immer schneller, und die Realisierungszeiten verlängerten sich, fasst Albrecht Lang, Kreishandwerksmeister aus Benningen, die Situation zusammen. Nicht unbedingt speziell bei der Sanierung von Dächern, aber etwa bei Brand- und Lärmschutz, Wärmedämmung, Fahrradstellplätzen, Parkplätzen und nicht zuletzt bei Photovoltaikanlagen seien in den vergangenen Jahrzehnten mehr Regeln hinzugekommen. „Das trifft vor allem die kleinen Häuslebauer oder das alte Ehepaar mit Eigentum“, sagt Lang. Die würden häufig nur etwas richten wollen und sähen sich dann mit komplizierten Vorschriften und zusätzlichen Kosten konfrontiert.

Der Kreishandwerksmeister sorgt sich jedoch nicht nur um die Eigentümer, er merke auch, wie die steigende Bürokratie den Behördenmitarbeitern zusetze. Zum einen sei es eine Herausforderung, sich immer wieder in neue Vorschriften einzuarbeiten. Doch vor allem liege das Problem in der Anwendung. „Kein Vorhaben ist gleich, es gibt immer eine Besonderheit“, so Lang. Die Behördenmitarbeiter können die immer neuen Vorschriften also nicht wie Schablonen verwenden, sondern müssen sich darüber hinaus noch in jeden Einzelfall einarbeiten.

Seine Mitarbeiter müssten sich immer auf dem neuesten Stand halten, alles werde komplexer, sagt auch Johannes Hartmann, Leitung Fachbereich Planen und Bauen der Stadt Kornwestheim. Das würde sich in den Bauvorlagen widerspiegeln, die das Baurechtsamt erreichen. Während vor 15 Jahren noch rund 50 Prozent der Bauvorlagen beim ersten Einreichen vollständig gewesen seien, schätzt Hartmann, sind es mittlerweile sind nur noch fünf bis zehn Prozent. Eine Belastung für Antragsteller und die Behördenmitarbeiter gleichermaßen. Hinzu kommen immer häufigere Klagen gegen Bauvorhaben, sagt Hartmann. Die hätten zwar selten Aussicht auf Erfolg, dafür verschlängen sie aber viel Zeit.

Kritik an Landesregierung

Zwar gehe die Landesregierung das Problem der ausufernden Bürokratie bei Bau und Sanierung mittlerweile an, sagt Hartmann, „viel zu lange wurde aber nicht auf die kommunalen Spitzenverbände gehört“. Bezeichnend sei da beispielsweise die Digitalisierung von Bauanträgen. Eigentlich sollten Bürger bereits seit Mitte 2019 die Möglichkeit haben, Bauvorlagen und Anträge online einzureichen. „Das wurde zwar in die Landesbauordnung geschrieben, an die Umsetzung wurde aber kaum gedacht“, kritisiert Hartmann. Und so sei der digitale Bauantrag auch Ende 2023 immer noch keine gelebte Praxis in Baden-Württemberg.

In Kornwestheim stemme man sich im Gegenzug mit gelebter Bürgernähe gegen die Bürokratie, sagt Hartmann. „Wir sind hier immer offen für Gesprächen mit allen Seiten.“ Die Erreichbarkeit des Baurechtsamtes in der 34 000-Einwohner-Stadt sei ein enormer Vorteil gegenüber Großstädten, wo die Verfahren anonymer ablaufen würden.

„Das Leben wird auch so immer komplexer“, sagt Hartmanns Vorgesetzter und Kornwestheims Erster Bürgermeister, Daniel Güthler. „Die Verwaltung sollte das Leben der Bürger nicht noch aufwendiger machen.“ Güthler wünscht sich daher entsprechende politische Veränderungen im Baurecht: Die Städte und Kommunen sollten grundsätzlich mehr Freiheiten bekommen, nicht jeder letzte Fahrradstellplatz müsse gesetzlich vorgegeben sein. Und: „Für jede Vorschrift, die dazukommt, muss eine weg – ich weiß, das klappt nicht immer, aber das muss der Leitgedanke sein.“

Das wäre auch im Sinne der Eigentümergemeinschaft des Hochhauses in der Kornwestheimer Stauffenbergstraße. Die wartet immer noch auf die Genehmigung für ihre Dachsanierung – und das seit 14 Monaten. Es fehlen immer noch Nachweise, die das Baurechtsamt laut aktueller Gesetzeslage braucht.

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