Der Ex-Klinikumsmanager Andreas Braun soll von 2005 bis 2018 fast eine halbe Million Euro im Nebenjob verdient haben. Zuletzt coachte er trotz Hausverbot bei den SSB.

Stuttgart - In der turbulent verlaufenen Sitzung des Verwaltungsausschusses am Mittwoch war nicht nur eine Aussprache zur Misswirtschaft in der Abteilung für Auslandspatienten des Klinikums vorgesehen, sondern auch einen Bericht zum Betrug bei der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG. Stadtrat Matthias Oechnser (FDP) fiel zu vorgerückter Stunde ein, OB Fritz Kuhn (Grüne) daran zu erinnern, dass er noch nichts zum Bestechungsvorwurf bei Auftragsvergaben der SSB gehört habe. Immerhin wird dem Ex-Klinikum-Abteilungsleiter Andreas Braun auch dabei eine aktive Beteiligung unterstellt, die durch seinen Nebenjob als Coach und Moderator möglich gewesen sein soll (unsere Zeitung berichtete). Oechsner wunderte sich, dass ein mehr als ausgelasteter Abteilungsleiter gleichzeitig in zwei städtischen Töchtern beschäftigt sein konnte, ohne dass das jemandem aufgefallen sei. Und dies sogar bis 2018, wie Kuhn in seiner knapp gehaltenen Replik zur Überraschung des Plenums verriet.

 

Ex-Klinikums-Geschäftsführer Ralf-Michael Schmitz habe Braun 2010 eine Genehmigung zur Nebentätigkeit erteilt, ergänzte Krankenhausbürgermeister Michael Föll (CDU). Nach Informationen unserer Zeitung war der Zweitjob aber auch in den Jahren zuvor gestattet gewesen. Auf Anfrage einiger Fraktionen soll das nun auch überprüft werden.

Andreas Braun hatt einen genehmigten Nebenerwerb

Mehr über den Bestechungsfall wissen mittlerweile nur jene Stadträte, die im SSB-Aufsichtsrat sitzen. Sie hat der Vorstand nun mit Details versorgt. So bestand seit 2011 ein Rahmendienstleistungsvertrag mit Brauns Firma Coachingprofis, der korrekt über eine Mitarbeiterin und dem für den Einkauf zuständigen Teamleiter erteilt worden sei. Nachweisbar seien Einzelaufträge für Moderationen, etwa für eine Betriebsratsklausur, eine Mediation zwischen Vorstand und Betriebsrat nach der Ablehnung des Einigungsstellenspruchs 2015 und Potenzialanalysen (OPQ 32) aber schon seit 2005. Bis 2016 soll er Rechnungen von rund 420 000 Euro gestellt haben.

Dann veranlasste der SSB-Vorstand jedoch, Braun bis zur Klärung der strafrechtlich relevanten Vorwürfe gegen ihn im Klinikum-Skandal nicht mehr als Coach oder Berater zu verpflichten und seinen Vertrag ruhen zu lassen, „um keine falschen Signale zu setzen“. Vermutlich als Reaktion darauf, so das Fazit interner Ermittlungen, habe der beschuldigte SSB-Fachbereichsleiter nicht mehr Brauns Firma für OPQ-32-Persönlichkeitstests engagiert, sondern im Umfang von rund 20 000 Euro das Unternehmen Consensus, für das der 54-Jährige frei tätig gewesen ist. Genügend Zeit hatte Braun mittlerweile, denn vom Klinikum wurde er im Juni 2016 freigestellt. Nachdem der SSB-Vorstand 2018 von Brauns verbotenen Auftritten in seinem Haus Wind bekommen hatte, war es damit vorbei. Peter Bechstein von der Firma Consensus betont, vom Beschäftigungsverbot gar nichts gewusst zu haben. Braun habe den SSB ein Angebot für neun Persönlichkeitstests zu je 1800 Euro unterbreitet und – offenbar vom beschuldigten Fachbereichsleiter – den Zuschlag erhalten. Braun, der davon 1300 Euro netto erhalten habe, sei im April 2017 als freier Mitarbeiter verpflichtet worden. Nach dessen Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2018 habe man ihm außerordentlich gekündigt.

Brauns Vertragspartner bei den SSB soll Geldforderungen gestellt haben

Die Staatsanwaltschaft hatte am 12. Dezember 2018 die SSB-Zentrale und die Wohnung der Führungskraft durchsucht. Ihm wird vorgeworfen, von Coachprofis-Chef Braun Provisionen und Sachleistungen gefordert und erhalten zu haben. Der Beschuldigte wurde freigestellt und erhielt ein Hausverbot. Nach einer Anhörung in Anwesenheit des Betriebsrats und eines Rechtsanwalts wurde ihm nach Weihnachten fristlos gekündigt.

Die SSB-Spitze lässt nun alle Verträge mit den Firmen Coachprofis und Consensus untersuchen. Die Revision wurde beauftragt, auch alle anderen im betroffenen Bereich genehmigten Aufträge aus den Jahren 2016 und 2017 zu prüfen. Außerdem wurde die Kündigung laufender Beraterverträge beschlossen sowie eine Intensivierung der Führungskräfteschulungen zum Thema Compliance veranlasst. Die Personalchefin hat derweil Gespräche mit Mitarbeitern und früheren Vorgesetzten geführt, es fand zudem eine Mitarbeiterversammlung des Fachbereichs statt.