Schüler müssen möglicherweise Jahre auf die digitale Lernplattform warten. Der Grund: Kultusministerin Eisenmann wirft den Projektpartner raus. Dem Land droht deshalb ein Millionenschaden.

Stuttgart - Die Bildungsplattform „Ella“, die für 1,3 Millionen Nutzer an öffentlichen Schulen gedacht ist, verzögert sich möglicherweise um Jahre. Dem Land droht ein Millionenschaden. Das Projekt soll nach dem Willen von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) nun europaweit ausgeschrieben werden, allein das nehme neun Monate in Anspruch.

 

Der bisherige IT-Dienstleister ist aus dem Rennen

Dreieinhalb Stunden debattierte der Bildungsausschuss des Landtags am Donnerstag über Ursachen für das vorläufige Scheitern der geplanten Lehr- und Lernplattform, spürte Verantwortlichkeiten nach und suchte Perspektiven. Dann ließ die Kultusministerin die Katze aus dem Sack. Der bisherige Ausführende, der kommunale IT-Zweckverband Iteos ist nach diversen Pannen mit dem Projekt aus dem Rennen.

Die IT-Agentur des Landes, die BitBW, die das Projekt für das Kultusministerium in Auftrag gegeben und begleitet hat, bekommt noch eine Chance. Das Ministerium werde BitBW auffordern, Vorschläge zu machen, wie die Zielsetzung von „Ella“ als Bildungscloud erreicht werden könne. „Aber ohne den Partner Iteos.“ Das Kultusministerium habe „nicht die Überzeugung gewonnen, dass Iteos der Partner ist, mit dem wir uns die technische Umsetzung vorstellen können“, sagte Eisenmann. Darin sei sie sich mit Innenminister Thomas Strobl einig. Doch auch „mit der Steuerung und Begleitung von BitBW sind wir nicht zufrieden“, stellte Eisenmann klar. Sie hatte das prestigeträchtige Projekt „Ella“ im Februar wenige Tage vor dem offiziellen Probelauf kurzerhand gestoppt, weil Zweifel an dessen Funktionsfähigkeit aufgekommen waren.

Innenminister Strobl ist im Gegensatz zu Eisenmann zufrieden mit BitBW

Die IT-Agentur des Landes darf zwar Vorschläge machen, wie die Bildungsplattform „Ella“ ermöglicht werden könnte, doch ob diese akzeptiert werde, ließ Eisenmann offen. Sie ließ deutliche Zweifel auch an BitBW anklingen, diese hat Thomas Strobl nach Eisenmanns Aussage eher nicht. Der IT-Dienstleister untersteht dem Innenminister. Sollte das Unternehmen nicht überzeugen, werde das Kultusministerium den Antrag stellen, „den Auftrag selbst vergeben zu können“. Das widerspräche dem sogenannten BitBW-Gesetz, nach dem alle IT-Aufträge über die Agentur laufen müssen und hätte Auswirkungen auf andere Ministerien und deren Digitalprojekte. Wie das Verfahren auch ausgehen werde, „das Kultusministerium wird das Projekt mit einer eigenen Stabstelle begleiten, wir haben das Vertrauen in die Partner verloren“, kündigte Eisenmann an. Sie räumte ein, „das war vom BitBW-Gesetz gerade nicht vorgesehen“.

Für die Bildungsplattform „Ella“ hat die Landesregierung insgesamt 28,7 Millionen Euro vorgesehen. 8,7 Millionen Euro hat das Kultusministerium Eisenmann zufolge bereits an BitBW überwiesen. Diese hat demnach bisher 6,5 Millionen Euro für geleistete Arbeit an Iteos ausbezahlt. Nach dem Projektstopp durch Eisenmann wurden alle Aktivitäten in Sachen „Ella“ bis zu einer Entscheidung eingestellt.

Das Land hat mehrere Millionen Euro in das Projek investiert

Welche Forderungen auf das Land zukommen, ist offen. Stefan Dallinger, der Landrat des Rhein-Neckar-Kreises und Iteos-Verbandschef, verwies auf bestehende Verträge. „Für die weitere Laufzeit sind Zahlungen vereinbart, die werden wir gegenüber dem Land geltend machen“, sagte Dallinger nach der Sitzung. Die Höhe der Forderungen sei noch nicht beziffert. Man werde verhandeln, „zu welchen Bedingungen wir bereit sind, den Vertrag aufzulösen“. Zuvor hatte Iteos deutlich gemacht, dass der Verband die Zusammenarbeit fortsetzen wolle, man sehe sich in der Lage „Ella“ umzusetzen. Christian Leinert, der Präsident von BitBW, dagegen, hatte dies in der Ausschusssitzung angezweifelt.

Timm Kern (FDP) bescheinigt der Landesregierung „eine grandiose Bruchlandung“. Ob die Bildungsplattform noch in dieser Legislaturperiode komme, sei fraglich. Die Liberalen streben einen Untersuchungsausschuss an, brauchen dafür aber eine zweite Fraktion. Die AfD verschließt sich nicht. Das lehnt die FDP ab: „Eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es nicht geben“, sagte Kern, „wir werden auf die SPD zugehen.“ Deren Bildungspolitiker Stefan Fulst-Blei „schließt nicht aus, dass wir einem Untersuchungsausschuss beitreten werden.“ Die ersten Schritte zu „Ella“ hatte die grün-rote Landesregierung gemacht.