Ein Blick hinter die Kulissen: Wie der frisch zurückgetretene Ex-Nationalspieler Mesut Özil vom englischen Fußball-Erstligisten FC Arsenal tickt und wer ihm bei seiner beispiellosen Abrechnung auf Twitter geholfen hat.

Sport: Gerhard Pfisterer (ggp)

Stuttgart - Mesut Özil hasst den Begriff Deutschtürke. Er kann es nicht verstehen, warum er oft so bezeichnet wird, Sami Khedira aber nicht in gleichem Maße als Deutschtunesier oder Jérôme Boateng als Deutschghanaer. Eine große Sache hat er öffentlich daraus in der Vergangenheit aber nie gemacht.

 

Der 29-Jährige ist ein eher schüchterner Typ. Er hat noch nie gerne viel geredet und stattdessen lieber den Ball für sich sprechen lassen. Auftritte auf einem Pressepodium beispielsweise sind für ihn eine Qual, dort fühlt er sich überhaupt nicht wohl. Während seiner Zeit im Trikot der deutschen Fußball-Nationalelf hat er sich den Fragen der Journalisten daher immer nur ausgesetzt, wenn es aufgrund von Pflichtterminen gar nicht anders ging.

Die Abrechnung trägt eine professionelle Handschrift

Deshalb hat es auch nicht verwundert, dass der Spielmacher von Arsenal London zur Verkündung seines Rücktritts aus der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) keine Pressekonferenz anberaumt hat, wie das vielleicht manch anderer Akteur mit seiner Vita (92 Länderspiele, Weltmeister 2014) getan hätte. Mesut Özil verabschiedete sich über das Internet, auf Twitter – mit einem beispiellosen Knalleffekt.

Die Abrechnung auf Englisch, die am Sonntag in drei Tranchen im Abstand von mehreren Stunden in der Welt verbreitet wurde, hat es in sich. Voller Zorn brach Mesut Özil mit einem Rundumschlag sein wochenlanges Schweigen zur Erdogan-Affäre. Wobei er das alles nicht alleine formuliert hat. Das wort- und kritikreiche Schreiben ist kein spontaner Erguss, sondern eine von langer Hand geplante Einlassung – mit professioneller Handschrift.

Bei der Beraterfirma Family & Football ist der Name Programm

Beraten wird Mesut Özil von der Firma Family & Football, zu deren Klienten auch Ilkay Gündogan (Manchester City) und Shkodran Mustafi (FC Arsenal) zählen. Die Fäden ziehen Harun Arslan, zugleich Berater von Bundestrainer Joachim Löw, und der Rechtsanwalt Erkut Sögüt, während auch Familienangehörige wie Özils Bruder Mutlu, Gündogans Onkel Ilhan und Mustafis Vater Kujtim zum Firmenclan zählen. Özils Vater Mustafa, den er 2013 als Manager feuerte, spielt keine Rolle mehr in Mesut Özils Beraterumfeld. Das Verhältnis ist belastet. Umso mehr verehrt der Fußballer die geschiedene Mutter Gülizar, was ja an verschiedenen Stellen auch in seiner Twitter-Erklärung durchscheint.

Harun Arslan aus Hannover ist ein machtbewusstes Alphatier der Beraterszene. Er besitzt gute Kontakte zur „Bild“-Zeitung und trinkt auch am Spieltag mittags noch mit seinem Klienten Joachim Löw Kaffee, während andere Spielerberater keinen Zugang zum Teamhotel haben. Er gilt als Diplomat, der Konflikte leise hinter den Kulissen löst. Eine entscheidende Rolle bei dem polternden Twitter-Kommuniqué dürfte deshalb vielmehr Erkut Sögüt gespielt haben, der neben einem Doktortitel auch eine Lizenz als Spielerberater besitzt.

Das sagen Stuttgarter zum Rücktritt Özils:

Ein ehrgeiziger Sportjurist spielt bei Mesut Özil eine zentrale Rolle

Erkut Sögüt ist ein zentraler Fixpunkt in Mesut Özils Kosmos. Der 38-Jährige lebt wie sein prominenter Klient in London und betreut ihn dort – rund um die Uhr, wenn es sein muss. Sein Motto lautet gemäß einem türkischen Sprichwort: „Du darfst niemals sagen, wer du bist, du musst immer sagen, wer du sein willst.“ Der ehrgeizige Sportjurist ist als Sohn türkischer Einwanderer in Hannover geboren, hat sich hartnäckig aus einfachen Verhältnissen (Vater Fabrikarbeiter, Mutter Putzfrau) hochgearbeitet. Zur Finanzierung seines Studiums in Osnabrück hat er einst Flyer verteilt, gekellnert, bei H&M an der Kasse oder auch in einer Dönerbude gejobbt.

Vom einfachen Mitarbeiter von Harun Arslan hat Erkut Sögüt es bis zum engen Vertrauten von Mesut Özil gebracht. „Ich sage immer, Spieler zu beraten ist wie eine Gehirnoperation, jede Operation ist anders. Ich mache das jetzt seit knapp sechs Jahren hauptberuflich, und jeder Tag in meinem Leben ist anders“, hat er 2017 in einem Interview der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gesagt. Während auch sein bester Freund Baris Ciftci und sein Cousin Serdar Özil im Alltag eng mit Mesut Özil verbandelt sind, bestimmt Erkut Sögüt das große Ganze mit – er führt die Operationen strategisch durch. Und er gilt in der Debatte über die Erdogan-Affäre als unversöhnlich.