Frank-Walter Steinmeier will in Zeiten der Verunsicherung vieler Menschen gegen Populismus angehen, sagte er im Stuttgarter Landtag.

Stuttgart - Der Bundespräsidenten-Kandidat von CDU/CSU und SPD, Frank-Walter Steinmeier (SPD), will in Zeiten der Verunsicherung vieler Menschen dem Populismus einen Riegel vorschieben. Der Einsatz und der Respekt füreinander, der Blick über den Tellerrand, Toleranz und Zusammenhalt seien das Fundament der Gesellschaft, sagte der Bundesaußenminister am Freitag in Stuttgart. „Das ist das Gegenteil davon, was Populisten poltern. Deren Geschrei hat mit Stärke, nach der sie suchen, überhaupt nichts zu tun“, fügte er bei einer Veranstaltung der SPD-Fraktion hinzu.

 

Den Wahlleuten für die Bundesversammlung am 12. Februar sowie Vertretern von Verbänden, Wirtschaft, Gewerkschaften und Religionsgemeinschaften präsentierte sich der Bewerber um das höchste politische Amt als Mutmacher: „Ich möchte als Bundespräsident so etwas sein wie ein Gegengewicht zur Tendenz zur grenzenlosen Vereinfachung.“ Demokratie vertrage keine Resignation.

Was ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält?

Mit Blick auf die Krisen in allen Regionen der Welt sagte er vor rund 200 Menschen: „Die Probleme sind komplexer geworden, aber wir müssen auch sagen, dass die Antworten deshalb nicht einfacher werden können. Dafür um Verständnis zu werben, sehe ich als meine Rolle.“ Überdies werde er sich im Fall seiner Wahl intensiv mit der Frage beschäftigen: „Was ist am Ende der Kitt jenseits aller Trennlinien, der diese Gesellschaft zusammenhält?“ Sein derzeitiges Bild in der Bevölkerung umriss der Außenpolitiker mit einem Schmunzeln: „Der mit den schlechten Nachrichten abends in der Tagesschau.“

Baden-Württemberg schickt 80 Wahlleute nach Berlin, darunter auch einige Prominente: Fußball-Bundestrainer Joachim Löw und Chemie-Nobelpreisträger Stefan Hell stimmen als Wahlmänner für die Grünen. Die CDU entsendet unter anderem Kugelstoßer und Paralympics-Sieger Niko Kappel. Schauspielerin Natalia Wörner ist eine der SPD Wahlfrauen. Die FDP lässt den Journalisten Helmut Markwort votieren. Neben Steinmeier tritt auch Christoph Butterwegge, Kandidat der Linken für das Bundespräsidentenamt, an.

Steinmeier ging ausführlich auf das Thema „Fake News“ (gefälschte Nachrichten) ein. Gefühlte und erfundene Wahrnehmungen stünden teils gleichberechtigt neben der Realität. So sei vor dem Brexit die Wahrheit auf dem „Altar des Populismus geopfert worden“. Ein britischer Minister habe erklärt, dass die Menschen nichts mehr von Experten hielten - „als ob es eine Schande sei, Ahnung von etwas zu haben“. Und im US-Wahlkampf habe Wahrheit keine ernstzunehmende Rolle mehr gespielt. Aber auch in Inland seien die Menschen nicht gefeit davor, in Scheinwelten abzutauchen. „Auch hier in Deutschland werden Falschnachrichten millionenfach ins Netz gesetzt.“ Dieses Verhalten laufe dem breiten Austausch und dem demokratieprägenden Streit auf Augenhöhe zuwider, sagte der 61-Jährige.

Grillrezepte für den „Meister des Dialogs“

Der Sohn eines Tischlers stellte sich auch Fragen aus dem Publikum. Zwei Grünen-Parlamentariern versicherte er, dass die von ihm in der Rede nicht erwähnten Komplexe Umwelt, Artenschutz und Energie nicht verloren gingen. Die Amtsübernahme von Donald Trump als neuer US-Präsident kommentierte er mit den Worten, diese werde die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses maßgeblich beeinflussen. Der Westen müsse aufpassen, dass sein ganzes Wertefundament nicht verrutsche. Er hoffe, dass sich die US-Regierung rasch zusammenraufe und ihre internen Widersprüche auflöse.

Der Wortmeldung der Landtagsabgeordneten der AfD, Christina Baum, entgegnete Steinmeier, er habe von ihr erwartet, dass sie sich von der Rede des thüringischen Landeschefs Bernd Höcke distanziere. Dieser hatte offensichtlich mit Blick auf das Holocaust-Mahnmal in Berlin gesagt: „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat“ - und damit für Empörung gesorgt. Im Ausland würden jegliche Ausschläge in Richtung Antisemitismus sehr sensibel wahrgenommen, schrieb Steinmeier der AfD-Frau ins Stammbuch.

Gastgeber und SPD-Fraktionschef Andreas Stoch übergab dem „Meister des Dialogs“ als Geschenk ein Buch mit Grillrezepten und einen Grillhandschuh. „Wir gehen davon aus, dass Du das eine oder andere heiße Eisen anfassen musst und Du damit zurecht kommst.“