Asylbewerber mit Job werden nicht abgeschoben? CDU-Chef Strobl zeigt Sympathie für diesen Grünen-Vorstoß. Sein Generalsekretär sieht darin einen Anschlag auf den Rechtsstaat. Wie passt das zusammen?

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Geschlossenheit gilt in Parteien als hohes Gut. Gerade zwischen dem Vorsitzenden und dem Generalsekretär sollte in wichtigen Fragen Konsens herrschen. Letzterer – oft mehr Sekretär als General – kann sich schon deshalb kaum abweichende Meinungen leisten, weil er auf das uneingeschränkte Vertrauen des Chefs angewiesen ist.

 

Doch bei der baden-württembergischen CDU ist jetzt eine interessante Ausnahme von der Regel zu besichtigen. In der Asylpolitik, die die Partei nach wie vor heftig umtreibt, sandte der Vorsitzende, Innenminister Thomas Strobl, unlängst konziliante Töne an die Grünen. Ein Abschiebestopp für gut ins Arbeitsleben integrierte Asylbewerber, wie ihn Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) vorgeschlagen habe, sei diskutabel. Da der Bund ohnehin eine solche Regelung plane, „liegt es nahe, dass wir uns bereits über diese Personen Gedanken machen“, sagte der Vizepremier der „Schwäbischen Zeitung“.

Der Facebook-Eintrag verschwindet plötzlich

Fast die gegenteiligen Gedanken machte sich zeitgleich Generalsekretär Manuel Hagel. Lucha schlage „mit seinen Forderungen dem Rechtsstaat ins Gesicht“, postete der Strobl-Vertraute auf dem Facebook-Kanal der Südwest-CDU. „Wer rechtskräftig ausreisepflichtig ist, muss das Land auch verlassen und notfalls abgeschoben werden.“ Garniert war der meinungsstarke Beitrag mit einem Foto des 30-jährigen Parteiaufsteigers.

Hagel ist zwar bekannt dafür, dass er den „Spurwechsel“ von der Asyl- zur Arbeitsmigration höchst kritisch sieht. Er fürchtet etwa, dass damit neue Anreize für Flüchtlinge gesetzt werden. Doch auf der offiziellen Parteiplattform frontal dem Parteichef zu widersprechen – das ging für etliche Christdemokraten doch zu weit. Entsprechend aufmerksam registrierten sie auch, dass der Eintrag nach wenigen Stunden plötzlich wieder verschwunden war; fortan stand er auf Hagels persönlicher Seite. Die Platzierung sei das Versehen eines Mitarbeiters, das er auf seine eigene Kappe nehme, sagte Hagel. Eine Intervention soll es nicht gegeben haben.

Der General bedient die Konservativen

Strobl habe gewusst, dass er einen Generalsekretär „mit eigenem Kopf“ bekomme, kommentieren CDU-Strategen den Dissens. Er lasse ihm viel Spielraum, um die konservative Klientel zu bedienen. Gerade beim Asylthema könnten beide zusammen die Breite der Meinungen in der Partei gut abdecken. Doch in puncto Glaubwürdigkeit kann das schnell zur Gratwanderung werden: Während Hagel von den Kommentatoren noch angefeuert wurde, er möge seine harte Position unbedingt durchhalten, hatte Strobl sie bereits aufgeweicht.

Prompt erntete das CDU-Spitzenduo Spott von der oppositionellen SPD. „Papas Liebling versucht sich als Rechtsausleger und lässt seinen Ziehvater einsam zurück“, ätzte der Generalsekretär Sascha Binder. Strobl könne einem „langsam fast leid tun“. Recht habe indes der Parteichef, befand Binder: Menschen abzuschieben, die in Deutschland in Arbeit oder Ausbildung seien, sei schlichtweg „absurd“.