Mit dem Herbst bekommen Erreger von Atemwegserkrankungen wieder leichtes Spiel. Die Covid-19-Fallzahlen steigen. Ab 18. September ist der angepasste Corona-Impfstoff in Arztpraxen verfügbar. Und eine neue Unbekannte bereitet den Experten zunehmend Sorgen: die Virus-Variante „Pirola“.

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Dass über Corona wieder häufiger gesprochen wird, liegt auch an Weiterentwicklungen im Erbgut von Sars-CoV-2. Entscheidend ist die Frage, ob womöglich doch noch mal eine Virus-Variante entsteht, die unser Immunsystem wieder richtig austricksen kann.

 

„Bisher habe ich keine neue Variante gesehen, bei der ich Bauchschmerzen kriegen und zu besonderer Wachsamkeit mahnen würde“, erklärt Carsten Watzl, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin sieht bisher keine Hinweise auf eine höhere Krankheitsschwere.

Steht genug Impfstoff zur Verfügung?

Ja. Für Corona-Impfungen im Herbst und Winter sollen rund 14 Millionen Dosen von Biontech zur Verfügung stehen, die an aktuelle Virus-Varianten angepasst sind. Ausgeliefert werden sollen sie zwischen September und November, wie das Bundesgesundheitsministerium mitteilte.

Erwartet werden voraussichtlich 13,6 Millionen Dosen für Menschen ab zwölf Jahren, 300 000 Dosen für Kinder von fünf bis elf Jahren sowie 200 000 Dosen für Kleinkinder.

Gegen welche Variante wirkt der angepasste Impfstoff?

Es handelt sich um ein von Biontech hergestelltes auf die Omikron-Sublinie XBB.1.5 angepasstes Präparat, das besser gegen kursierende Varianten schützen soll.

Ab wann kann man damit geimpft werden?

Eine Mitarbeiterin der Pflege steht auf dem Gang der Intensivstation des Universitätsklinikums Essen. Für den Herbst und Winter rechnen deutsche Corona-Experten wieder vermehrt mit Ansteckungen Foto: dpa/Fabian Strauch

Erstmals in den Praxen zu bekommen sein sollen die neuen Impfstoffe von Biontech ab der Woche vom 18. September. Bestellungen dafür können Praxen nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bis kommenden Dienstag (12. September) bei Apotheken einreichen.

Dabei bedeutet es erheblichen organisatorischen Mehraufwand, dass der Impfstoff nach wie vor nicht in Einzeldosen ausgeliefert werde, sondern in Fläschchen mit sechs Dosen.

Wer bietet neben Biontech einen angepassten Impfstoff an?

Für die Impfsaison erwartet werden – vorbehaltlich einer Zulassung durch die Europäische Kommission – auch 10,6 Millionen Dosen der an XBB.1.5. angepassten Impfstoffe von Novavax. Sie sollen voraussichtlich im vierten Quartal 2023 zur Verfügung stehen.

Für den angepassten Impfstoff von Moderna gibt es noch keine Zulassung. Wenn sie vorliege und sich Moderna entscheide, ihn in der Regelversorgung anzubieten, werde der Impfstoff auch von der Krankenkasse bezahlt, wenn Ärzte ihn im Rahmen der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) verordnen.

Welche Varianten sind derzeit in Umlauf?

Coronamodelle und Stempel mit „EG.5 Eris“. Foto: Imago/Sascha Steinach

Die derzeit am weitesten verbreitete Virus-Variante ist „Eris“ EG.5. Sie ist eine Subvariante von Omikron XBB.1.5, die seit dem Frühjahr 2023 das Infektionsgeschehen beherrscht. Beide stehen zusammen mit der vor allem in Asien auftretenden Linie XBB.1.16 unter besonderer Beobachtung der WHO.

Wegen des Wachstumsvorteils und Immunflucht-Eigenschaften könnte „Eris“ EG.5 laut WHO wieder für mehr Fälle sorgen und in einigen Ländern oder sogar weltweit dominant werden.

Was ist das Besondere an „Pirola“?

Coronamodell mit Schriftzug „Pirola BA.2.86“. Foto: Imago/Sascha Steinach

Doch noch eine andere Variante ist derzeit im Kommen: BA.2.86, genannt „Pirola“. Diese Variante tauchte im Juli erstmals in Dänemark auf. Bislang gibt es weltweit noch wenige bestätigte Fälle, unter anderem in der Schweiz, Südafrika, Israel, den USA und Großbritannien.

Verglichen mit der derzeit dominierenden Mutante XBB.1.5 „Eris“ EG.5 weist BA.2.86 „Pirola“ über 30 Mutationen am Spike-Protein auf, mit dem das Virus in die menschlichen Zellen eindringt, berichtet der Spezialist für Corona-Varianten Richard Neher aus Basel.

Bisher liegen laut Neger erst wenige Sequenzen vor, jedoch aus verschiedenen Ländern. Das deute auf eine bereits weite Verbreitung hin. Die hohe Anzahl ist also ungewöhnlich und bereitet den Experten zunehmend Sorgen.

Warum könnte „Pirola“ gefährlich werden?

Virologen befürchten, dass BA.2.86 „Pirola“ den aufgebauten Immunschutz durch Impfung und/oder Infektion unterlaufen könnte. Zudem ist der neue Virus-Stamm weit verbreitet.

Nach Aussage des Direktors des Genetics Institute am University College London, Francois Balloux, ist BA.2.86 „Pirola“ „der auffälligste Covid-Stamm, den die Welt seit der Entstehung von Omikron gesehen“ habe. Noch lässt sich allerdings nicht abschätzen, ob die neue Variante das Potenzial hat, sich als dominierend durchzusetzen.

Welche Symptome treten bei „Pirola“ auf?

Da noch zu wenige Daten über „Pirola“ vorliegen, gehen Experten davon aus, dass nach Infektion die klassischen Symptome vorherrschen, die bei allen Varianten des BA.2-Stammes auftreten können.

  • Schnupfen mit laufender Nase
  • Kopfschmerzen
  • Fieber
  • Abgeschlagenheit
  • hartnäckiger Husten mit trockenem Hals

Was könnte der Herbst bringen?

Prognosen über den Verlauf von Grippe- und auch Corona-Wellen sind derzeit kaum möglich. Viren entwickeln sich weiter. Der Zeitpunkt und das Ausmaß ihrer Zirkulation werden zudem von vielen verschiedenen Parametern beeinflusst, wie das RKI erklärt. Allerdings habe auch Corona bislang insbesondere im Herbst und Winter starke Erkrankungswellen verursacht. „Deshalb ist auch künftig mit einem Anstieg der Fallzahlen in diesen Jahreszeiten zu rechnen“, teilt das RKI mit.

„Wir werden weiter ein gewisses Auf und Ab erleben“, ist der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb überzeugt. Doch solange keine gänzlich andere Variante entstehe, sehe er keine neue pandemische Situation. „Aber wachsam müssen wir schon bleiben.“