Birgit Kriesten-Ploppa erzählt vom meist sehr beschaulichen Leben in der Mahdental-Siedlung – irgendwo zwischen Leonberg und Stuttgart.

„Sie möchten was über die Mahdental-Siedlung wissen? Ach, da gibt es nicht viel zu erzählen, das sind ein paar Häuser, mehr ist da nicht, mehr passiert auch nicht“, sagt Birgit Kriesten-Ploppa am Telefon und lacht herzlich. Die 57-Jährige ist dort im „Nirgendwo“ zwischen Leonberg und Stuttgart, wo der Verkehr auf der Landesstraße schnell vorbeirauscht und die Menschen keinen Sinn für die Dinge am Wegesrand haben, aufgewachsen.

 

Und dann sprudelt es aus ihr heraus. Sie erinnert sich an ihre Kindheit, verbunden mit so vielen schönen Momenten – und macht gerne ein persönliches Treffen vor Ort aus. „Für uns Kinder, fünf bis zehn haben hier immer gewohnt, war das Mahdental ein Paradies in der Natur, wir haben einen Spielplatz gehabt, waren viel im Wald unterwegs. Und auch unsere eigenen Kinder sind in der Natur aufgewachsen“, sagt sie beim Spaziergang in der Sackgasse „Im Mahdental“. Dieser fällt kurz aus, weil der Weg nach einigen Metern ja schon wieder endet und in einen Waldweg mündet.

Den Spielplatz hat sich die Natur zurückgeholt

Den Spielplatz mit den zwei Basketballkörben hat sich in der Zwischenzeit die Natur wieder zurückgeholt. So auch das kleine versteckte Häuschen im Wald, wo die Kinder viele Abenteuer erlebten und die damalige Mahdental-Community regelmäßig zusammen Feste feierte. Der mittlerweile verstorbene Peter Weiß wurde von allen Mahdentalern der „Bürgermeister“ genannt, weil er immer nach dem Rechten schaute – unter anderem auch Spielplätze in Schuss hielt. Er bastelte sogar einen zentralen Briefkasten für die Zeitungen, damit sich der Austräger die Laufwege sparen konnte.

14 Häuser stehen hier, die ersten wurden in den 1950er Jahren erbaut. Im Stadtarchiv ist über diese Besiedelung auf Leonberger Gemarkung nichts zu finden. Allein in einer Beschreibung des Oberamtes Leonberg aus dem Jahr 1930 steht geschrieben, dass die Mahdentalstraße, die heutige Landesstraße 1187 von Leonberg in Richtung Stuttgart-Büsnau, im Herbst 1928 fertiggestellt wurde. Keine Zeile nirgendwo über die kleine parallel verlaufende Sackgasse „Im Mahdental“, wo die Häuschen versteckt in ihren Gärten liegen.

Eigentlich wollte Birgit Kriesten-Ploppa gerne noch einen Nachbarn beim Gespräch dabei haben, doch der sagte kurzfristig ab, da er ja erst seit 25 Jahren in der Siedlung leben würde und längst nicht so viel darüber erzählen könne.

Für teures Geld eine sumpfige Wiese erworben

Birgit Kriesten-Ploppa, im Jahr 1964 geboren, zog als Kind mit ihrer Familie in die Siedlung. Ihr Vater, der gelernte Gärtner Siegfried Kriesten, der noch ein Ingenieurstudium der Landespflege draufsetzte, hatte sich 1965 in der Leonberger Bismarckstraße selbstständig gemacht und 1972 im Mahdental ein fünf Hektar großes Grundstück erworben. „Für teures Geld“, sagt der heute 89-jährige Kriesten. Der Grund und Boden gehörte zum damaligen Zeitpunkt der Familie Bareiß, die sich mit ihrer Kammgarnspinnerei Schachenmayr in Salach bei Göppingen ein Imperium geschaffen hatte.

Eine Kläranlage aus der eigenen Tasche bezahlt

Auf der einst sumpfigen Wiese erschuf Siegfried Kriesten im Laufe der Jahre ein Gartencenter, das 70 Prozent seiner Kundschaft aus dem Stuttgarter Raum anlockt. Eine seiner ersten Aktionen war der Bau einer Kläranlage – auf eigene Kosten. „Es gab damals nur Sickergruben, die auch mal in die Glems überliefen, das war alles andere als hygienisch“, erinnert sich der Senior.

Mittlerweile in der dritten Generation ist das Familienunternehmen Partner beim Planen, Bauen und Pflegen qualitativ hochwertiger Gartenanlagen. „Viele Leonberger, vor allem die neu Zugezogenen, wissen gar nicht, dass es uns gibt“, sagt die studierte Landschaftsplanerin und Mutter von vier Kindern, die 1995 mit ihrem Mann Markus Ploppa die Geschäftsführung des Gartencenters übernommen hat.

Das Mahdental, das im Landschaftsschutzgebiet Glemswald liegt, kennt man durch die großen Motorradtreffen Glemseck 101. Ein Zuschauermagnet ist auch das Solitude-Revival, wenn historische Boliden die alte Rennstrecke unsicher machen. Quasi direkt vor der Haustür liegt der Verkehrsübungsplatz des ADAC, auf dem eigentlich jeder Fahranfänger in der Region schon seine Runden gedreht hat. Bekannt ist die Siedlung aber durch die Hochwasserkatastrophe im Jahr 1966, als sich nach einem Dammbruch des Steinbachsees die Wassermassen durch das Tal ergossen – oder nach Starkregen im Jahr 2013.

„Das Solitude-Revival ist für uns der Horror“

Für Kriesten-Ploppa ist besonders das Solitude-Revival „der Horror“. „Wir sind hier die Vergessenen, wir können froh sein, wenn wir überhaupt informiert werden, wann diese Veranstaltung stattfindet.“

An dem großen Rennwochenende muss sie zwangsweise ihr Gartencenter schließen, weil die einzige Zufahrtsstraße und damit auch die Siedlung abgeriegelt wird. „Wenn irgendwas passieren sollte, kommen wir nicht weg.“ Früher gab es noch die Unterführung unter der Landesstraße in Richtung Krumbachtal. Da konnten die Mahdental-Anwohner während des Solitude-Revivals auf Gerlinger Gemarkung parken und waren weiterhin mobil. Jetzt gibt es eine Ampel, die an einem Renn-Wochenende auch nichts nützt, weil man nur in Rennpausen die Straße überqueren darf. Und das kann dauern.

Drei Landkreise treffen aufeinander

Die Mahdental-Siedlung liegt geografisch betrachtet dort, wo drei Landkreise aufeinander treffen: Böblingen, Ludwigsburg und Stuttgart. Was es manchmal ziemlich schwierig macht, wenn eine Behörde kontaktiert werden soll. „Wir haben mal einen toten Fuchs an der Bushaltestelle in Richtung Leonberg gefunden und auf dem Rathaus angerufen“, erinnert sich Birgit Kriesten-Ploppa. Sie wurde nach Gerlingen verwiesen, da die Bushaltestelle auf der Gemarkung der Nachbargemeinde, die zum Landkreis Ludwigsburg gehört, liege.

Nach der Schule wurde Birgit Kriesten-Ploppa das Mahdental zu eng. Sie studierte in München, lernte dort ihren Mann kennen. Gemeinsam beschlossen sie, das Gartencenter ihres Vaters zu übernehmen. Einige Freunde von damals haben das Haus ihrer Eltern in der Mahdental-Siedlung verkauft. „In der Zwischenzeit sind wieder ein paar Kinder hier“, sagt Birgit Kriesten-Ploppa. Zwei von ihren bleiben auch – sie werden in die Fußstapfen der Eltern treten.