Die Barockstadt hat in den vergangenen 300 Jahren vieles gesehen und erlebt und einige Schwierigkeiten gemeistert. Heute steht die Stadt gut da, muss sich aber auch mit einigen Fragen auseinandersetzen.

Ludwigsburg - Für den einen ist Ludwigsburg „eine ramponierte Schönheit“, der andere lobt „den liberalen Geist“. Das Jahr, in dem die Barockstadt das Jubiläum der Stadterhebung im Jahr 1718 gefeiert hat, neigt sich dem Ende zu. Für uns ein Anlass, Bürger um ihre Meinung zu bitten – geleitet von Fragen wie „Was gefällt Ihnen an Ludwigsburg?“ oder „Worin sehen Sie die besondere Herausforderung der im Barockzeitalter gegründeten Planstadt?“.

 

Das Leitthema im Jubiläumsjahr hieß „Stadt werden“. Das Festprogramm, das mit einer Festwoche im März begonnen hat und jetzt mit den baden-württembergischen Literaturtagen endet, umfasste mehr als 40 Einzelveranstaltungen und Projekte. Zu den Höhepunkten des Programms, das dem Jahr seinen Stempel aufgedrückt hat, gehörten ein großes „Jahreszeiten“-Oratorium des Musiktheaters im Forum am Schlosspark, der Pferdemarkt sowie eine aufgepeppte Version der Venezianischen Messe, die wiederum selbst ein Jubiläum feiern konnte: Sie ist vor exakt 250 Jahren erstmals in Ludwigsburg veranstaltet worden.

Die Leitidee heißt Digitalisierung

Mit Rike Scheffler war erstmals eine Stadtschreiberin verpflichtet worden, während im Stadtmuseum die Ausstellung „Hin und weg“ die Wohn- und Lebensbereiche der Ludwigsburger beleuchtete. Und damit war eine Brücke zum Heute gebaut, was für den Oberbürgermeister Werner Spec ein wichtiges Anliegen war: Sowohl die Epoche der Stadtgründung vor 300 Jahren, als auch die aktuelle Zeit stünden im Zeichen des Umbruchs, sagte der Rathauschef. Das historische Ludwigsburg sei ein Modellfall für die Abkehr vom Mittelalter gewesen. Heute heiße die Leitidee Digitalisierung.

Anfangs hatte die Ankündigung der 300-Jahr-Feier manchen aufmerksamen Zeitgenossen irritiert, hatte man doch erst 2009 ein solches Jubiläum gefeiert. Genau betrachtet, so die Verwaltung, habe es 1709 nur einen Aufruf zur Stadtgründung gegeben. Herzog Eberhard Ludwig habe der Stadt, die seinen Namen trägt, erst am 3. September 1718 das Stadtrecht verliehen.

- „Als wir den Film „Stadtlücken“ in Ludwigsburg gedreht haben, ist mir wieder einmal klar geworden, was für ein liberaler Geist in dieser Stadt herrscht. In Ludwigsburg haben wir genau das, was wir in unserer Gesellschaft gerade so dringend brauchen: eine Gegenbewegung zur Aus- und Abgrenzung anderer Menschen. Hier lebt eine gesunde Bürgerschaft, die sich genau gegen all das stellt, und die Menschen hier tun unheimlich viel für die Integration. Hier wird eine Bereitschaft zur Offenheit gelebt, die man andernorts so sicher nicht überall findet. Was mir schon immer aufgefallen ist an Ludwigsburg, ist, dass es hier wirklich sehr viele Gruppierungen mit Migrantenhintergrund gibt. Es ist toll, wie selbstverständlich sich die Menschen hier mit den unterschiedlichsten Kulturen und Religionen auseinandersetzen und wie hier alle miteinander leben. Und aus genau diesem Grund lebe ich auch so gerne in dieser tollen Stadt: weil hier eine ganz außergewöhnliche, offene und herzliche Geisteshaltung herrscht!“

„Ich wohne nun seit fünf Jahren in Ludwigsburg, und die Stadt ist für mich auch nach dieser relativ kurzen Zeit schon zur Heimat geworden. Es ist ein Ort, an dem man wirklich alles hat und auch alles bekommt, was man braucht. Wir haben hier eine unglaublich breite und tiefe Kulturlandschaft, wir haben drei Schlösser und wahnsinnig viel Grün: Da muss man schon sehr weit fahren, um etwas so Vergleichbares zu finden. Das ist doch wirklich einzigartig und phänomenal! Ich finde, Ludwigsburg deckt das komplette Spektrum ab, und zwar in allen Bereichen. Wir haben viel für Familien, für Kulturbegeisterte, und die Menschen, die Grün suchen, kommen hier auch auf ihre Kosten. Es gibt hier so viele grüne Ecken, und dass wir so etwas wie den Favoritepark mit dem Wildpark haben, ist doch etwas Besonderes. Ich empfinde es so, dass sich die Stadt immer wieder neu erfindet. Geht irgendwo ein Türchen zu, geht an anderer Stelle wieder ein Türchen auf. Diese Stadt muss man doch einfach mögen!“

„Als ich damals hier ankam, konnte ich kein Wort Deutsch und habe mich ziemlich verloren gefühlt. Über ein Integrationsprojekt der Stadt habe ich meine Patin Rebecca Wawzyniak kennengelernt, das hat mir unglaublich geholfen. Rebecca ist mein Engel, meine Rettung! Sie hat mir nicht nur bei Behördengängen geholfen, sondern sie hat mein ganzes Leben verändert. Plötzlich hatte ich wieder Selbstbewusstsein und wusste, wer ich bin. Auch all die anderen Menschen in Ludwigsburg sind wahnsinnig offen, herzlich und freundlich. Noch niemals habe ich Ablehnung erfahren, wenn ich jemanden etwas gefragt habe! Die Menschen hier sind so süß und hilfsbereit. Vor einiger Zeit war ich in Paris, und als ich wieder zurückkam und erst die Grenze nach Deutschland überfahren habe, hatte ich schon ein richtig gutes Gefühl. Aber als ich dann die Stadtgrenze von Ludwigsburg erreicht hatte, habe ich ein ganz tiefes Gefühl von Heimat empfunden. Hier arbeite und lebe ich und bin sehr glücklich darüber.“

„Zentral an Ludwigsburg sind für mich natürlich die Ludwigsburger Schlossfestspiele! Ich finde, es ist das tollste Festival überhaupt, wir haben ein grandioses Programm, ein super Team und ein großartiges Publikum. Die Stadt selbst sehe ich wie eineArt ramponierte Schönheit, die in der Vergangenheit leider etwas ruppig und rustikal mit sich umgegangen ist. Es gibt so viele wunderschöne, alte Häuser, die einfach zugekleistert wurden! Dann die B 27 quer durch die Stadt, das aufgepfropfte Marstall-Center . . . schön ist das nicht. Ich merke aber auch, dass seit einiger Zeit das Bewusstsein für die Schönheit der Stadt bei den Menschen wieder hervorkommt, es bricht sich so ganz langsam eine Entdeckung der alten Werte wieder Bahn, was mich sehr freut. Und ich finde, dass in dieser Stadt ein sehr liberaler Geist herrscht, die Menschen sind unglaublich weltoffen und zugewandt. Wir hatten ja schon mehrere Projekte mit Flüchtlingen, und die wurden hervorragend vom Publikum angenommen. “

„Ludwigsburg ist mit seinem Grundriss eine wirklich einzigartige Stadt und hat dadurch auch eine ganz besondere Identität. Durch die vorhandene Achse einer Residenzstadt und den Marktplatz lebt man hier mit einem historischen Erbe. Zwar ist in den vergangenen Jahren der richtige Umgang mit der prägenden Substanz leider etwas verloren gegangen. Aber wir vom Gestaltungsbeirat arbeiten anhand der 2014 erlassenen Erhaltungssatzung der Stadt intensiv daran, dass sich das wieder ändert. Einer unserer Grundsätze lautet: Wenn etwas abgerissen werden muss, dann muss das Neue anschließend mindestens ebenso gut sein wie das Alte. Die Neugestaltung der Karlskaserne etwa ist ein großartiges Beispiel dafür, wie man Altes erhalten und wunderbar mit Neuem aufwerten kann. Ludwigsburg hat das beispielhaft gemeistert. Grundsätzlich sollte es beim Bauen wieder eine Rückbesinnung zur Natur und hin zu mehr Grün geben. Und: Wir brauchen dringend tragfähige Alternativen zum Auto! “