Drei von vier Firmen halten künstliche Intelligenz für wettbewerbsentscheidend. Magere 15 Prozent setzen sie ein. Das hat Gründe. Die wiegen immer schwerer.

Es ist eine Studie, die nur bedingt Hoffnungen auf beschleunigte Digitalisierung der deutschen Wirtschaft macht. Erstellt hat sie der heimische Digitalverband Bitkom. „Positiv ist, dass mittlerweile neun von zehn deutschen Unternehmen eine Digitalstrategie haben und Digitalisierung als entscheidend einstufen sowie über die Hälfte dieses Jahr mehr in diese Technologie investieren will“, sagte der neue Bitkom-Chef Ralf Wintergerst zur Vorstellung der Befragung. Dann kommt das große Aber. „Zwischen erkannter Bedeutung und Einsatz im eigenen Unternehmen klaffen große Lücken“, stellt der Manager klar. Der Anwendungsfall künstliche Intelligenz (KI) ist nur ein besonders aktuelles Beispiel dafür.

 

Mehr als sieben von zehn repräsentativ befragten Unternehmen halten sie für wettbewerbsentscheidend. 15 Prozent nutzen KI im eigenen Haus. Ähnlich ist das bei anderen Digitalanwendungen. Datenanalytik per Big Data halten über neun von zehn Firmen für wichtig, weniger als vier von zehn analysieren Daten. Bei Robotik und dem Internet der Dinge sind die Relationen ähnlich, beim Thema Blockchain krasser. Diese Technologie zur sicheren Kooperation zwischen Firmen oder Stärkung von Lieferketten halten über zwei Drittel für entscheidend – vier Prozent nutzen sie.

Überzogener Datenschutz?

Die Diskrepanzen haben Gründe. Das sind Digitalisierungshürden, die in Deutschland immer höher statt niedriger werden. Ganz oben steht überzogener Datenschutz. 77 Prozent alle Firmen sagen das. Voriges Jahr waren es 71 Prozent. Noch mehr gewachsen ist der Fachkräftemangel als zweiter Bremsklotz. Das sagen 64 Prozent aller Firmen und damit fast zehn Prozentpunkte mehr als 2022. Über zehn Prozentpunkte zugelegt haben binnen Jahresfrist fehlende finanzielle Mittel als Grund für ausbleibende Digitalisierung. Aktuell über die Hälfte aller befragten Firmen gibt das an.

„Wer in Deutschland keine Fachkräfte findet oder sich vom Datenschutz behindert fühlt, verlagert in Länder, wo das anders ist“, warnt der Bitkom-Chef. Jedes zweite befragte Unternehmen kritisiere zudem, dass die Politik den Einsatz digitaler Technologien eher verhindert als fördert. Auch der deutsche Kunde hemmt Firmen nach eigenen Angaben. Die heimische Bevölkerung sei bei neuen Technologien erst einmal immer skeptisch, sagt ebenfalls mehr als die Hälfte von ihnen.

„Vor der eigenen Tür kehren“

Wintergerst rät Unternehmen aber auch vor der eigenen Tür zu kehren und Digitalisierung nicht auf die lange Bank zu schieben. So sei mehr als die Hälfte von ihnen der Meinung, dass digitale Technik in Form von KI erst in zehn bis 20 Jahren oder sogar nie für das eigenen Unternehmen von Bedeutung sein werde. Bei einer Technologie, die sich derart rasant entwickelt, wie auch die aktuelle Diskussion über die Sprach-KI Chat GPT zeigt, rügt Bitkom das als Fehleinschätzung. „Wir brachen mehr Mut zum Digitalen, auch in den Unternehmen“, meint Wintergerst.

Realistisch sei die Selbsteinschätzung der Firmen an anderer Stelle, findet er. Knapp ein Viertel verortet sich digital als global in der Spitzengruppe, knapp ein Drittel als Nachzügler oder abgeschlagen und knapp die Hälfte im Mittelfeld. „Wir haben ein hohes Maß an Mittelmäßigkeit, das wir überwinden müssen“, meint der Bitkom-Chef.

Geld in den Firmen sei dazu meist genug da, findet er. Man müsse die Prioritäten richtig setzen. Bei den Bremsklötzen Datenschutz und Fachkräftemangel dagegen gehe es ohne politische Hilfe nicht. Deutschland-Tempo brauche es nicht nur bei Flüssiggasterminals, sondern dringend auch digital.