Die grün-schwarze Strategie zur Digitalisierung liegt vor: Der 70-seitige Entwurf enthält eine Vielzahl von Modellvorhaben, die das Leben einfacher machen sollen.

Stuttgart - Mit mehr als 80 Anstößen zur weiteren Digitalisierung aller Lebensbereiche will die Landesregierung den Südwesten zu einer „Leitregion des digitalen Wandels“ machen. Diesen Anspruch erhebt der federführende Innenminister Thomas Strobl (CDU) in einem umfangreichen Strategiepapier, das noch vor der Sommerpause im Ministerrat verabschiedet werden soll. Auf rund 70 Seiten hat eine interministerielle Arbeitsgruppe darin Ziele und Vorhaben definiert, die von der Bildung bis zum Verkehr sämtliche Ressorts tangieren. Diese seien aber alle im Bewusstsein formuliert, dass nicht die Menschen für die Technik da sind, sondern die Technik für die Menschen“, heißt es in dem Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt.

 

So ist etwa ein Test von automatisch fahrenden Kleinbussen geplant, die Fahrgäste an der Haustür abholen. Gerade in ländlichen Räumen könne die Automatisierung den öffentlichen Nahverkehr so flexibler machen, heißt es: „Wir wollen autonome Fahrzeuge nicht nur entwickeln, wir wollen auch, dass sie so schnell wie möglich auf die Straße kommen.“ Digitale Technologie soll auch dabei helfen, Verkehr und damit Staus zu vermeiden. Der Großraum Stuttgart wurde dabei zur Pilotregion für eine optimierte Verkehrssteuerung auserkoren, die auf Veranstaltungs-, Verkehrs- und Umweltdaten basiert. In einem Musterstadtteil soll zum Beispiel ein digital gestütztes Managementsystem für die Transportlogistik entstehen, um Lieferdienste zu bündeln und somit Verkehr zu vermeiden. Geplant ist auch ein einheitliches E-Ticket für Bus, Zug oder Stadtbahn im ganzen Land.

StartUps im Blick

Da Start-up-Firmen als Treiber der Digitalisierung gelten, will Grün-Schwarz auch die ideelle und finanzielle Förderung solcher Unternehmen stärker fördern. Das neue Landesprogramm Startup BW Seed will ihnen frühzeitig Finanzspritzen geben und damit nach israelischem Vorbild eine Lücke im bestehenden Förderangebot schließen. Kleinen und mittleren Unternehmen, die bei der Digitalisierung oft noch zurückhaltend sind, will man den Schritt unter anderem mit einer „Digitalisierungprämie“ schmackhaft machen. Das Geld könne auch für die Schulung der Mitarbeiter verwendet werden, heißt es. Konkrete Beträge werden in der Strategie jedoch nirgendwo genannt, diese müssten sich erst bei den Haushaltsberatungen herausschälen, heißt es.

Den Anstoß zu den Projekten hat nicht zuletzt ein wissenschaftliches Gutachten des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim gegeben, das von der Landesregierung mit einer Stärken- und Schwäche-Analyse beauftragt worden war. Die Forscher empfehlen, bei Initiativen und Förderkonzepten jene Faktoren zu berücksichtigen, die eine Digitalisierung der Wirtschaft bis heute hemmen. So sei die Breitbandversorgung im Ländervergleich zwar fortgeschritten, aber noch weit entfernt von einer flächendeckenden Verfügbarkeit. Mängel erkennt das ZEW auch bei der Datensicherheit und bei IT-Kenntnissen.

Es mangelt an Kompetenz

Grün-Schwarz will deshalb auch in der Bildungspolitik den Hebel ansetzen: „Mit einer Qualifizierungsoffensive an Lehrerseminaren und Pädagogischen Hochschulen gehen wir diese Herausforderung an“, heißt es. Auch eine landesweite digitale Bildungsplattform, auf der alle Fortbildungsangebote, Anwendungen und Bildungsinhalte abrufbar sind, ist geplant. Grün-Schwarz beabsichtigt außerdem, einen verbindlichen Aufbaukurs Informatik in Klasse 7 für alle Schüler einzuführen.

Modellprojekte sind außerdem für Museen, in der Telemedizin und im Pflegebereich geplant. Um in der Verwaltung mehr Digitalkompetenz aufzubauen, soll in Zusammenarbeit mit der Führungsakademie Baden-Württemberg sowie den Kommunen eine „Digitalakademie@bw“ eingerichtet werden. Außerdem ist ein landesweiter Wettbewerb geplant, aus dem drei ländliche geprägte Modellregionen („Digitale Zukunftsdörfer@bw“) hervorgehen sollen: Dort will das Land der Frage nachgehen, wie man innovative Technologien nutzen kann, um das Leben für Ältere zu erleichtern und für Jüngere attraktiver zu machen.

Unter Digitalisierung versteht man die Gesamtheit aller wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Neuerungen und Veränderungen auf der Basis von Informations- und Kommunikationstechnologie.