Für Rita Locher vom Mukoviszidose-Landesverband ist Lobby-Arbeit angesichts immer mehr erwachsener Kranker wichtiger denn je.

„Wir sind eine hoch professionell aufgestellte Selbsthilfeorganisation“, sagt Rita Locher, „und nicht nur Kuchenbäcker und Sockenstricker, ohne dies abwerten zu wollen“, fügt das Vorstandsmitglied des Vereins Mukoviszidose, Landesverband Baden-Württemberg, hinzu. Die Organisation mit rund 1000 Mitgliedern vertritt die Interessen der von dieser Erbkrankheit Betroffenen und ihrer Angehörigen. Auch Mediziner und Therapeuten haben sich angeschlossen, um die Bedingungen für die Behandlung der Erkrankten zu verbessern.

 

1200 Betroffene in Baden-Württemberg

Die Lobbyarbeit für die mit rund 1200 Patienten in Baden-Württemberg relativ kleine Gruppe ist laut Rita Locher gerade deswegen wichtig, weil vergleichsweise wenig Menschen von dieser seltenen Krankheit betroffen sind. „Das ist dann für Politiker oft nicht interessant genug“, so die Erfahrung der 62-Jährigen.

Rita Locher ist kurz nach der Geburt ihres an Mukoviszidose erkrankten Sohnes 1995 in den Verband eingetreten. Kurze Zeit später war die Ingenieurin, die zuvor bei einem großen Automobilhersteller gearbeitet hatte, Sprecherin der Regionalgruppe Region Nordschwarzwald. Durch die Arbeit der Gruppe vor Ort sei die Krankheit Mukoviszidose im Kreis Calw „richtig bekannt“. „Man muss präsent sein, wenn man etwas bewirken will, wenn wir weiterkommen wollen mit unseren Anliegen“, sagt Locher. Sie ist auch seit 1999 in Bad Wildbad Gemeinderätin und sitzt seit 2019 im Kreistag. Dadurch könne sie „richtig was bewegen“, auch in Sachen Mukoviszidose.

Finanzierung der Ambulanzen sichern

Eines der Anliegen des Verbandes fußt auf einer ausgesprochen positiven Entwicklung: Durch verbesserte Therapiemöglichkeiten und neue Medikamente zeichnet sich ein erfreulicher Trend ab – nämlich, dass an zystischer Fibrose (CF) Erkrankte länger leben. „Wer heute geboren wird, kann 50 Jahre und älter werden“, sagt Rita Locher mit Blick auf die steigende Lebenserwartung. Derzeit seien 60 Prozent der CF-Kranken im Land älter als 18 Jahre. Während Kinder an Unikliniken und anderen Krankenhäusern versorgt werden, gibt es für die Erwachsenen im Land fünf Regionalambulanzen in Krankenhäusern, an denen sie im Rahmen der Ambulanten Fachärztlichen Versorgung betreut werden. „Deren Arbeit muss finanziell gesichert sein“, fordert Rita Locher.

Rita Locher Foto: privat

Denn die Behandlung der Patienten ist komplex, zeitaufwendig und muss interdisziplinär erfolgen, schildert sie. Das ASV-System bilde diese umfangreiche Versorgung nicht ab, sondern sei massiv unterfinanziert, kritisieren die Verbandsvertreter. Mukoviszidose sei nicht nur eine Krankheit, sondern viele gleichzeitig. Viele Betroffene leiden zwar unter dem Symptom des zähen Schleims in der Lunge, aber andere Organe seien oft ebenfalls betroffen.

Zur Behandlung brauche es speziell ausgebildete Fachärzte und CF-Nurses sowie Physiotherapeuten. „Das muss man wollen“, sagt Rita Locher mit Blick auf den sich verschärfenden Mangel an Ärzten und Pflegepersonal. „Es wird immer schwieriger, hierfür Leute zu finden.“ Die Ambulanzen seien jetzt schon an der Patienten-Obergrenze. Es gebe in allen Ländern das Problem, dass durch die bundeseinheitliche ASV-Regelung die Versorgung speziell von Erwachsenen defizitär sei.

Kontakt zum Gesundheitsminister

Schon 2021 hat die Verbandsvertreterin vor dem Hintergrund eines dazu seit 2017 bundesweit laufenden Petitionsverfahrens mit dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Manne Lucha über die ambulante Versorgung von CF- Patienten im Land gesprochen. Sie habe darauf hingewiesen, dass die Zunahme der Zahl erwachsener Patienten in den Ambulanzen finanzielle Engpässe mit sich bringe. Vor wenigen Wochen gab es ein zweites Gespräch mit dem Minister, der derzeit Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz ist.

Ergebnis: Das Thema wird im Herbst bei der Sitzung des Landesausschusses für Gesundheit und Pflege besprochen, wo der Mukoviszidose-Landesverband Krankheitsbild, Forschungslage, Versorgungssituation einschließlich Finanzierungsthematik vorstellen kann. Auf die Frage, was das Land konkret tun könne, weist Rita Locher auf Hamburg hin, das eine zusätzliche Strukturpauschale an die CF-Ambulanzen bezahlt, um deren Betrieb sicherzustellen. Das könne jedoch nur eine vorläufige Lösung sein, es brauche eine dauerhafte bundesweite Lösung zur Finanzierung und zum Erhalt der Ambulanzen.

Verband finanziert sich über Spenden

Weil die Interessenvertreter nicht nur fordern, sondern auch handeln, finanziert der Mukoviszidose Landesverband selbst Ärzte, CF-Nurses und Therapeuten. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir 1,2 Millionen Euro an ambulanten Kliniken mitfinanziert“, bilanziert Rita Locher. Geld fließt auch in die Forschung für neue Therapien und Medikamente sowie für drei Physiotherapeutinnen, die schwerkranke Patienten Zuhause behandeln.

Die Mittel des Verbands stammen aus Spenden. Diese speisen auch einen Unterstützungsfonds für Betroffene und Angehörige in Notlagen. Denn Erkrankte können oft nicht arbeiten. „Ich bin froh um jedes Jahr, das jemand arbeitet und Beiträge zahlt, damit er nach fünf Jahre eine Rente bekommen kann“, sagt Rita Locher mit Blick auf die oftmals schwierige Situation erwachsener Mukoviszidose-Kranker.

Das ist Mukoviszidose

Krankheit
 Mukoviszidose, auch Zystische Fibrose (CF) genannt, ist eine unheilbare und vererbbare Stoffwechselerkrankung. Dabei werden lebenswichtige Organe wie Lunge und Darm durch zähen Schleim verstopft. Patienten müssen durch tägliche Therapie das Sekret entfernen. Ihre Lebenserwartung ist stark verkürzt. Ursache der Mukoviszidose ist eine Genveränderung, weshalb sie nicht geheilt werden kann. Entscheidend für die Lebensdauer ist ein früher Therapiebeginn.

Hilfe
 In Deutschland leben bis zu 8000 Patienten mit Mukoviszidose, sie gehört deshalb zu den seltenen Erkrankungen. Chronisch kranken Menschen ist nicht nur durch medizinische Forschung, etwa die Entwicklung neuer Medikamente, geholfen. Im Alltag mangelt es auch an der Finanzierung der Hilfen, etwa spezialisierter Physiotherapeuten. Mit dem Lebenslauf werden Spenden generiert, mit denen einzelne Projekte gefördert werden.