DLRG Kornwestheim Vom Schwimmer zum Retter

Nichts wie rein ins Nass: Ein Hauch von Baywatch im Alfred-Kercher-Hallenbad Foto: Martin Tschepe

Die DLRG Kornwestheim macht aus guten Schwimmern an nur zwei Tagen Rettungsschwimmer – ein weit und breit einmaliges Angebot.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Sabine Steinke will beruflich komplett neu durchstarten. Man könnte sagen: mit Volldampf. Sie möchte künftig als Rettungsschwimmerin arbeiten und nicht mehr als Sekretärin. Deshalb verbringt die Frau aus Winnenden, Jahrgang 1963, diesen sonnigen Märztag im Alfred-Kercher-Hallenbad in Kornwestheim. Zusammen mit gut einem Dutzend Männern und Frauen, zwischen 19 und 61 Jahre alt, will die Mutter von zwei erwachsenen Söhnen den Deutschen Rettungsschwimmpass Silber der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) machen.

 

Einer ist „aus Jux und Tollerei“ dabei

Mit von der Partie sind unter anderem ein junger Mann, der als Surflehrer arbeiten möchte und den Schein deshalb benötigt, sowie mehrere Triathleten aus Stuttgart, die in ihrem Verein das Training beaufsichtigen wollen, ein Mann, der im Freibad in Vaihingen als Aufsicht arbeitet und den Schein alle zwei Jahre erneuern muss, und ein Mann, der mit einem Augenzwinkern sagt, er mache eigentlich nur „aus Jux und Tollerei“ mit. Alle sind willkommen – wenn sie denn gut schwimmen können.

Wer das Silberabzeichen erlangen will, benötigt eigentlich mehr Zeit – zehn bis 14 Wochen, sagt der Vorsitzende der DLRG Ortsgruppe Kornwestheim, Adam Bühler. Sein Verein hat seit 2008 regelmäßig auch Crashkurse im Programm. Der Vorsitzende spricht lieber von Kompaktkursen. Crash trifft’s aus der Sicht mancher Teilnehmer indes vermutlich ein klein bisschen besser. Denn einige haben ordentlich Respekt vor der Aufgabe, die an diesem Samstagfrüh allerdings schon etwa zur Hälfte bewältigt ist. Bereits am Vorabend standen ein paar Theorieeinheiten und die ersten praktischen Prüfungen im Becken auf dem Programm. Die Teilnehmer waren erst nach 22 Uhr daheim.

Selbst Sabine Steinke sagt, sie sei sich nicht sicher, ob sie alle Aufgaben bestehen könne, ohne unmittelbar davor noch großartig Zeit zum Üben zu haben. Dabei ist sie eine top Schwimmerin, die beim SV Cannstatt trainiert und kürzlich bei den Masters-Europameisterschaften auf Madeira zwei Goldmedaillen geholt hat. „Silber“ in Kornwestheim sollte also machbar sein, oder? Abwarten. Adam Bühler sowie Frank Köhler und Melanie Sommer von der DLRG Kornwestheim leiten diesem Kompaktkurs und sagen sinngemäß: Anmelden sollten sich wirklich nur gute Schwimmerinnen und Schwimmer, besser noch: sehr gute! Es komme gelegentlich vor, dass bei so einen Wochenend-Schnellkurs bereits freitagabends nach den ersten Minuten im Wasser manche aussortiert werden müssten.

Rauswerfen ist diesmal – bis dato zumindest – nicht nötig. Alle haben die ersten Übungen am Freitag mit Bravour bewältigt, etwa das Schwimmen auf Zeit: 400 Meter (200 davon in Rückenlage ohne Armzug) in maximal 15 Minuten.

Manch einer schafft die 50 Meter nur mit Ach und Krach

Samstag, kurz nach acht Uhr am Beckenrand. An diesem Vormittag stehen unter anderem jene Übungen an, die laut Adam Bühler für einige Kursteilnehmer oft die schwierigsten sind: das Schwimmen in Kleidern (300 Meter in zwölf Minuten), das Weit- beziehungsweise Tieftauchen und das sogenannte Schleppen; dabei tragen zwei Partner Kleidung und müssen sich gegenseitig 50 Meter weit abschleppen – in maximal vier Minuten. Speziell dieses Schleppen wird in der Tat quasi zur Meisterprüfung, manch einer schafft die 50 Meter nur mit Ach und Krach und in einer Zeit von etwas weniger als vier Minuten. Selbst Sabine Steinke erklärt unmittelbar nach dieser Prüfung: das Abschleppen des Partners in voller Montur habe sie ordentlich geschlaucht.

Es geht weiter Schlag auf Schlag, kaum Zeit zum Ausruhen: 25 Meter weit tauchen. Dreimal aus dem knapp vier Meter tiefen Sprungbecken einen fünf Kilogramm schweren Ring holen. Befreiungsgriffe üben, zunächst an Land, dann sofort auch im Becken. Den Einsatz von Rettungsgeräten studieren, etwa die Wurfleine und die Rettungsboje. Und schließlich das Highlight, die sogenannte kombinierte Übung, alles muss ohne Pause absolviert werden: Kopfsprung ins Wasser, 20 Meter Anschwimmen in Bauchlage, Abtauchen und den Fünf-Kilogramm-Ring vom Boden des Sprungbeckens holen und wieder fallen lassen, die Umklammerung eines anderen Schwimmers, der einen Ertrinkenden mimt, lösen. Schließlich einen der erlernten Befreiungsgriffe anwenden, den Partner abschleppen und aus dem Becken holen. Zu guter Letzt noch drei Minuten lang an einer Pumpe die Herz-Lungen-Wiederbelebung demonstrieren. Nach den praktischen Prüfungen, die alle Teilnehmer bestehen, gibt’s Pizza satt – und dann geht es auch schon weiter im Programm: mit der Theorie.

Während der nächsten Stunden geht es um Unfälle, beispielsweise um diese Frage: Was tun, wenn ein Auto in einem Fluss oder einen See landet? Ruhe bewahren, möglichst schnell die Fenster öffnen – die Türen sind nämlich wegen des Wassers außen versperrt – und raus aufs Dach klettern. Später geht es um die Gefahren bei extremer Kälte und bei Hitze und alle die Dinge, die zum Abschluss in der Online-Prüfung abgefragt werden könnten. Jeder Teilnehmer bekommt 35 Fragen gestellt – aus einem Pool von rund 500 Fragen! Zum Beispiel diese Frage: Was tun, wenn bei einem nicht bewusstlosen Verunglückten im Wasser die Gefahr einer Halswirbelverletzung besteht? Richtige Antwort: Er bleibt im Wasser bis der Rettungswagen mit einer Spezialtrage da ist. Bei unruhigem Wasser sollte der Mann oder die Frau auf einem Brett, einer Tür oder einem ähnlichen Gegenstand gerettet werden.

Samstagnachmittag im DLRG-Vereinsraum im Kornwestheimer Hallenbad: Ein bisschen erschöpft sitzen die Teilnehmer des DLRG-Crashkurses auf den Stühlen, alle mit einem Lächeln im Gesicht – denn jeder und jede hat auch die theoretische Prüfung bestanden. Alle sind richtig zufrieden, mit den eigenen Leistungen und mit dem Kurs. Die DLRG Kornwestheim arbeite „sehr professionell“, lobt eine Teilnehmerin. Ein Mann erklärt, er komme „sehr gerne wieder“. Der Mann, der aus Jux und Tollerei dabei war, sagt, er wolle demnächst mal das noch anspruchsvollere Gold-Abzeichen machen. Frank Köhler notiert den Wusch nach einem Kompaktkurs „Gold“, den die DLRG Kornwestheim bis dato noch nie angeboten hat.

Und wie geht’s weiter bei Sabine Steinke? Die Frau aus Winnenden, die nicht mehr als Sekretärin arbeiten mag, hat demnächst ein Vorstellungsgespräch beim Wunnebad in Winnenden. Die Stadtwerke Winnenden suchen Rettungsschwimmer.

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