Dozentenmangel in den Volkshochschulen der Region Pilatestrainer dringend gesucht

Besonders im Bewegungs- und Gesundheitsbereich fehlen den Volkshochschulen Dozentinnen und Dozenten. Foto: dpa//Jens Kalaene

Ob Sprachkurse oder Bewegungs- und Gesundheitskurse: Volkshochschulen fehlen Dozentinnen und Dozenten, wie konkrete Beispiele zeigen. Wobei das Problem landauf und landab herrscht. Dabei schlummert in der Bevölkerung viel ungenutztes Potenzial.

Die Volkshochschulen starten bald ins Frühling-Sommer-Semester – mit weniger Kursen, als ihnen lieb ist. Denn ihnen fehlen Dozentinnen und Dozenten. In Korntal-Münchingen herrscht hier eigentlich „eine große Kontinuität“. Problematisch wird es im Fachbereich Gesundheit, sagt die VHS-Leiterin Cornelie Class-Hähnel weiter. Im neuen Semester fallen zwölf Kurse aus. Pilates und Wirbelsäulenkurse, aber auch „manche Babykurse, die uns immer sehr wichtig sind“. Zuletzt fehlten bereits drei Kursleitungen von Anfang an; eine Person hörte laut der VHS-Chefin während dem Semester auf. „Insgesamt waren neun Kurse, die voll belegt waren, betroffen.“

 

Cornelie Class-Hähnel nennt mehrere Gründe. Als eine Folge der Coronapandemie hätten sich einzelne Kursleitende für eine andere berufliche Tätigkeit entschieden, andere möchten nicht mehr als Freiberufler arbeiten oder hätten die Zahl ihrer Kurse reduziert. Wegzug und Krankheit sind weitere Ursachen. Die VHS-Chefin findet die Lage „problematisch“. Die Kurse seien durchweg gut belegt gewesen, die Kursleitungen hoch qualifiziert und beliebt. „Sie hinterlassen auch im großen Team eine Lücke.“ Rund 100 Lehrende hat die Einrichtung. Die Stellen nachzubesetzen, stellt sich für die VHS als schwierig heraus. Und mangels Platzes können nicht allen Teilnehmenden alternative Kurse angeboten werden. Etliche Gesundheitskurse gehen über mehrere Semester.

Werben auf Online-Plattformen

Auch in den Nachbarorten ist Personalmangel kein Fremdwort. „Uns fehlen jetzt schon Dozierende, sodass wir wenige Kurse im Tagesbereich nicht anbieten können“, berichtet der Gerlinger VHS-Leiter Markus Fink. Er freue sich sehr über Menschen, „die bei uns unterrichten wollen – besonders im Bewegungs- und Gesundheitsbereich sowie im Sprachenbereich gibt es Bedarf.“ Die VHS hat rund 200 aktive Dozentinnen und Dozenten und wirbt unter anderem auf Online-Plattformen.

Aus Leonberg mit gut 300 Kursleitenden heißt es, in den allermeisten Bereichen gebe es ausreichend Dozentinnen und Dozenten. „In einzelnen Bereichen, wie etwa bei Bewegungs- sowie Deutsch- und Integrationskursen, könnte die Anzahl größer sein“, sagt der Rathaussprecher Sebastian Küster. Ersatz zu finden, gelinge bislang in den meisten Fällen. Fällt ein Kurs aus, erhalten die Teilnehmenden für gewöhnlich passende Alternativen. „Bei Sprachkursen zum Beispiel finden häufig entweder an einem anderen Standort in der Nähe oder zu einer anderen Uhrzeit die gleichen Sprachkurse auf gleichem Niveau statt“, sagt Sebastian Küster. Dieses Angebot werde oft genutzt.

Es gehen mehr Ältere als Jüngere nachkommen

Der Personalmangel macht landesweit den Volkshochschulen zu schaffen. „Von zunehmenden Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Kursleitenden berichten nahezu alle“, sagt die Sprecherin Athanasia Tsantou-Kiesow vom Volkshochschulverband Baden-Württemberg. Dass es „tatsächlich anspruchsvoller geworden ist, Kursleitende zu finden“, erklärt sie unter anderem mit dem generellen Lehrer- und Fachkräftemangel, der auch Schulen und andere Bildungseinrichtungen betrifft. „Das gilt besonders für den Bereich der Integrations- und Berufssprachkurse für Einwanderer, wo es derzeit schlicht zu wenig qualifizierte Kursleitende gibt.“ In anderen Bereichen werde daneben die demografische Entwicklung bereits spürbar: Ältere Kursleitende geben ihre Tätigkeit aus Altersgründen auf, gleichzeitig kommen weniger Jüngere nach. „Erschwerend hinzu kommt dabei ein deutlich steigender Druck auf die Honorare in Konkurrenz zu anderen Einrichtungen und Arbeitsmöglichkeiten“, stellt Athanasia Tsantou-Kiesow fest.

Verband wie Volkshochschulen arbeiten „verstärkt“ daran, die Möglichkeit, Kurse an der VHS anzubieten, bekannter zu machen. Und sie wollen potenziell geeignete Menschen zum Unterrichten ermutigen, indem sie niedrigschwellige Weiterbildungen unterstützen. „Es geht darum, Menschen zu begeistern“, erläutert Athanasia Tsantou-Kiesow. Angesichts der Inflation und Tarifsteigerungen im öffentlichen Dienst würden für viele neue und langjährige Kursleitende auch die finanziellen Rahmenbedingungen eine Rolle spielen. „Die Entwicklung der Honorare darf aber nicht zu Lasten der Teilnahmegebühren gehen, damit die Kurse für alle bezahlbar bleiben“, betont Athanasia Tsantou-Kiesow. Daher seien die Volkshochschulen notwendig auf die in der Landesverfassung festgeschriebene staatliche Förderung durch Land und Kommunen angewiesen.

Keine Abstriche bei der Qualifikation

Die VHS in Leonberg hat die Honorare erhöht, „um möglichst attraktiv zu sein“. Die Lehrenden erhalten Fortbildungen und dafür Zuschüsse. Man betreue vor allem neue Kursleitende eng, sagt der Sprecher Küster. Abstriche bei der Qualifikation macht die VHS nicht. Gerade beim Bewegungsangebot sei neben den nötigen Erfahrungswerten die Zertifizierung ein Muss. Ausnahmen gibt es jedoch etwa bei Sprachkursen: Für gewöhnlich haben die Lehrenden die Sprache studiert. „In manchen Fällen sprechen sie aber auf Muttersprachniveau und haben bereits in anderen Ländern umfangreiche Erfahrungen im Sprachunterricht erworben.“

Ähnlich läuft es in Korntal-Münchingen. Die Fachbereichsleiterin Susanne Klare setzt auf Anfragen an Fachschulen, den Unisport, das Institut für Sportwissenschaften und Vereine, wirbt auf der Website und mit Aushängen. Susanne Klare sagt, jeder mit Interesse zu unterrichten könne sich ohne Scheu an die VHS wenden. „Wir beraten und empfehlen Weiter- und Fortbildungen.“

Fast eineinhalb Millionen Menschen im Land besuchen Volkshochschulen

Neues Programm
 Das neue Semester der Volkshochschulen beginnt am 19. Februar. Die Programmhefte sind bereits erschienen. In Korntal-Münchingen gibt es 330 Veranstaltungen, das Schwerpunktthema heißt „In Europa leben“. Auch die VHS in Gerlingen beschäftigt sich vor dem Hintergrund der Wahlen in diesem Jahr viel mit Europa. 32 der 492 Kurse beziehen sich auf den Schwerpunkt mit dem Titel „Perspektive Europa: miteinander voneinander lernen“. Leonberg bietet nächstes Semester mehr als 850 Veranstaltungen an.

VHS in Zahlen
 Der Volkshochschulverband Baden-Württemberg ist der Fach- und Interessenverband der 161 Volkshochschulen des Landes mit knapp 650 Außenstellen. Bundesweit hat es laut dem Verband 858 Volkshochschulen. Er zählt jedes Jahr 1,47 Millionen Teilnehmende in Baden-Württemberg. Hier gibt es 2,62 Millionen Unterrichtseinheiten, knapp 312 000 sind in digitaler Form.

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