Musikalisch ansprechend, gesundheitlich angeschlagen: Drangsal kämpfen im ausverkauften Kellerklub tapfer mit dem Weltschmerz.

Stuttgart - Es gibt viele Gründe, an der Welt zu leiden. „Donald Trump ist Präsident, Leonard Cohen ist gestorben – und Jennifer Rostock haben eine neue Platte gemacht“, fasst Max Gruber die neuesten Tiefschläge des Weltgeschehens zusammen. Doch das Elend ist noch näher an ihn herangerückt: Ein verkorkster Magen, so hört man, hat ihn in der Nacht zuvor sogar ins Krankenhaus gezwungen, und auch bei seinem Konzert am Freitag im ausverkauften Keller Klub steht Deutschlands derzeit vielleicht meistgehypter Indiepopper in erkennbar angeschlagenem Zustand auf der Bühne. Alles andere als ideale Voraussetzungen also für einen schmissigen Abend – aus dem das Nachtschattengewächs aus dem pfälzischen Herxheim aber das Beste macht.

 

Mix aus Postpunk und Synthiepop

Gruber ordnet zunächst einmal die Verhältnisse. Keine One-Man-Show oder reine Studiogeburt möchte Drangsal sein, sondern ein „richtiges“ Bandprojekt – und das funktioniert schon recht ordentlich. Wo auf Platte noch etwas viel Make-up aufgetragen wird und manches Arrangement auch mal die Geschmacksgrenzen streift, wirkt dieser knietief in den 1980ern watende Mix aus Postpunk und Synthiepop in freier Wildbahn geerdeter, kantiger. Zwei Gitarren und Keyboards sorgen zwar für die nötige klangliche Opulenz; allerdings werden live die elektronischen Elemente zugunsten von sattem Joy-Division-Gedächtnisbass und dynamischen Drumbeats stark zurückgefahren: ein Gewinn.

Mag Gruber weiß, wann ein Song auserzählt ist

Gruber selbst lässt immer mal wieder erkennen, wie schwer es ihm bisweilen fällt, sich den Entertainer in sich abzuringen, seine Bühnenpersönlichkeit auszudefinieren – was seine Posen und seine Publikumsansprache manchmal noch ungelenk, aber nicht unsympathisch wirken lässt. Und er gehört zu jenen Musikern, die einen Song rechtzeitig beenden können, wenn er auserzählt ist: Manchmal nur 150 Sekunden und meist nicht mehr als drei, dreieinhalb Minuten dauern Drangsal-Songs wie „Allan Aligne“ oder „Love Me Or Leave Me Alone“. Dass daraus nicht mehr als ein knapp 60-minütiges Konzert entsteht, verzeihen ihm die rund 300 Besucher im Keller Klub angesichts der Umstände ohne jedes Murren.