Gut ein Jahr nach der Entführung und Ermordung der Bankiersgattin Maria Bögerl ist ihr Ehemann erhängt aufgefunden worden.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Heidenheim - Der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Heidenheim, Thomas Bögerl, ist tot. Wie ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Ellwangen am Montagnachmittag bestätigte, wurde der 56-jährige Bankier in seinem eigenen Haus gegen Mittag von einer "Zugehfrau" entdeckt. Vermutlich hat er sich selber erhängt. Eine noch am Montag angeordnete Obduktion soll Aufschluss über die genaue Todesursache und den Todeszeitpunkt geben.

 

Thomas Bögerl ist der Ehemann Maria Bögerls, die am 12. Mai 2010 tagsüber aus dem gemeinsamen Haus in Heidenheim-Schnaitheim entführt und erstochen worden war. Seither verfolgte eine Sonderkommission den oder die Entführer - bis heute vergeblich. Weit mehr als 1000 Spuren wurden gesammelt und führten ins Nichts.

Maria Bögerls Leiche wurde übersehen

Thomas Bögerl gab immer an, am Entführungstag von einem Unbekannten mit schwäbischem Akzent angerufen worden zu sein, der sich "Schmid" nannte. Der Entführer soll 300.000 Euro gefordert haben; das Geld hinterlegte der Bankier auf Anweisung an einer Betriebsausfahrt der Autobahn 7 in der Nähe von Heidenheim. Das Lösegeld wurde aber nie abgeholt. Wie sich später herausstellte, war die vom Entführer geforderte Uhrzeit verpasst worden.

Alarmierte Streifenwagen waren mit Blaulicht in Richtung Übergabestelle gefahren. Maria Bögerls Leiche wurde erst drei Wochen später von einem Spaziergänger unter Ästen am Rand eines Waldwegs gefunden, nur einen Kilometer von der Autobahnbetriebsausfahrt entfernt. Eine Polizeihundertschaft, die das Gebiet kurz nach der Entführung durchkämmte, hatte den Leichnam übersehen. Wochenlanger Regen hatte wichtige Spuren zerstört.

Viele Spekulationen um Thomas Bögerl

Auch danach blieb dieser Fall an Merkwürdigkeiten reich. Fernsehzuschauern sind die Tränen noch gut in Erinnerung, unter denen Thomas Bögerl und seine zwei Kinder während der Sendung "Aktenzeichen XY" um die Freilassung Maria Bögerls flehten. Die Heidenheimer Sonderkommission suchte später nach einem Mann mit Zopf, der am Tattag gesehen worden war. Die Spur führte zu einem entsetzten Gastwirt, der sich als unschuldig erwies.

Polizeilabors verglichen Hunderte unter Männern erhobene DNA-Proben mit Spuren aus dem Auto, in dem Maria Bögerl getötet wurde. Zuletzt richtete sich der Blick nach Österreich, wo ein Mitglied der Rockerbande Bandidos im Gefängnis saß. Er war in Tschechien gefasst worden, nachdem er eine Bankiersehefrau in Linz überfallen hatte. Doch wieder zerplatzte die Hoffnung, den Täter gefasst zu haben. Während all das geschah, entstand in Heidenheim ein Gerücht, das bald in einschlägigen Internetforen behandelt und von dort, verstärkt um weitere Spekulationen, zurück in die Stadt katapultiert wurde. Es gibt gar keinen Entführer, so der Tenor zahlloser bloggender Hobbydetektive. Thomas Bögerl, der seine Vorstandstätigkeit einige Wochen nach der Entführung wiederaufgenommen hatte, sollte eine Freundin haben, ja sogar Kinder mit dieser ominösen Unbekannten. Die Polizei Heidenheim dementierte das stets. Ob nicht doch insgeheim weiter gegen den Bankchef ermittelt wurde, war nicht zu erfahren.

Zwei schauderhafte Varianten

Wie die Agentur dpa am späten Nachmittag erfahren haben will, hinterließ Bögerl, der zum Todeszeitpunkt alkoholisiert gewesen sei, einen Abschiedsbrief. Über den Inhalt ist nichts bekannt. Dass der Bankier verzweifelt war, bestägte am Abend der Heidenheimer Landrat Hermann Mader, zugleich Verwaltungsratsvorsitzender der Kreissparkasse Heidenheim. Mader teilte am Abend schriftlich mit, Bögerl hatte "in den vergangenen Monaten, wie er selbst mitteilte, nicht die Kraft, sein Amt auszuüben. Auf sein Ersuchen hin haben wir uns mit ihm über eine einvernehmliche Lösung verständigt, in der er in Kürze aus dem Amt geschieden wäre". So blieb bis zum Abend offen, was dieser mutmaßliche Freitod zu bedeuten hat. Vielleicht handelt es sich wirklich um eine Wende im Mordfall Maria Bögerl, um ein Schuldeingeständnis. Oder hat ein Mann, den die anonymen Verdächtigungen der vergangenen Monate, vielleicht auch Schuldgefühle wegen der schiefgelaufenen Lösegeldübergabe plagten, sein Leben nicht mehr ausgehalten. Beide Varianten lassen schaudern.

Seite 3: Der Fall Bögerl - eine Chronologie

Rückblick

Das Verbrechen an der Bankiersfrau Maria Bögerl beschäftigt die Polizei seit mehr als einem Jahr. Ein Rückblick:

12. Mai 2010: Maria Bögerl (54), zweifache Mutter und Frau eines Sparkassenchefs, wird aus dem Haus der Familie in Heidenheim-Schnaitheim entführt. Ihr Mann hinterlegt 300.000 Euro Lösegeld an einer vereinbarten Stelle an der Autobahn A 7.

13. Mai: Das Geld wird nicht abgeholt, der Kontakt zum Entführer bricht ab. Von der Frau fehlt jede Spur.

14. Mai: Maria Bögerls Handy wird gefunden. Ihr Auto entdeckt die Polizei nach Hinweisen im Hof eines Klosters.

16. Mai: Geplatzte Hoffnung: Ein zunächst verdächtiger Mann wird kurz nach seiner Festnahme wieder freigelassen.

18. Mai: Blutspuren in einem Wald stammen von einem Reh. Die Belohnung für Hinweise zur Aufklärung des Falls wird auf 100 000 Euro verdoppelt. Die Polizei bildet die Sonderkommission „Flagge“.

19. Mai: Mit einem verzweifelten Appell wendet sich die Familie in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“ an die Täter.

3. Juni: Zehn Kilometer vom Wohnhaus der Familie entfernt entdeckt ein Spaziergänger am Waldrand die Leiche einer Frau. Am Folgetag steht fest: Es handelt sich um die Bankiersehefrau.

9. Juni: Unter großer Anteilnahme wird Maria Bögerl beigesetzt.

24. Juni: Die Polizei sucht nun auch mit Speichelproben nach dem Täter.

3. August: Die Bundesbank widerspricht einem Bericht, die Geldübergabe habe sich wegen einer Mittagspause ihrer Ulmer Filiale verzögert.

Oktober 2010: Bei der Polizei geht ein anonymes Schreiben ein, nach dem die Lösegeldbeschaffung sehr viel schneller hätte klappen können.

29. April 2011: Bei Budweis in Tschechien wird im April ein angeblicher deutscher Chef einer Rockerbande gefasst, der in Österreich versucht haben soll, eine Bankiersgattin zu entführen - laut Polizei ist das aber keine „heiße Spur“ 7. Juni 2011: Die Befragung des Rockers durch deutsche Ermittler liefert keine Anhaltspunkte dafür, dass er etwas mit dem Mordfall zu tun haben könnte.

11. Juli 2011: Die Polizei teilt mit, dass Bögerls Ehemann in seinem Haus erhängt aufgefunden worden ist.