Der Einhorn-Tunnel in Schwäbisch Gmünd hätte nicht nur fast einen lustigen Namen bekommen. Er ist auch eine technische Meisterleistung. Das „Jahrhundertbauwerk“, für das unter anderem ein Fluss umgelenkt werden musste, wird am Montagvormittag eröffnet.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Schwäbisch Gmünd - Straßentunnel, die unter Städten hindurchführen, gibt es viele. Aber wenige sind gut vier Kilometer lang. Für noch weniger musste ein Fluss – in diesem Fall die Rems – auf mehreren Hundert Meter Länge verlegt werden. Und nur in Schwäbisch Gmünd, der Stauferstadt in Kessellage, gehört zum Tunnel ein gigantischer Abluftkamin, der 175 Meter über dem Verkehr auf der Bundesstraße 29 mündet. Der Ingenieur Robert Hamm, Projektleiter des Tunnelbaus spricht von einem Jahrhundertbauwerk. Ein so „extrem komplexes“ Projekt habe er noch nie umgesetzt, sagt der Oberbaurat in Diensten des Regierungspräsidiums Stuttgart.

 

Bald 20 000 Fahrzeuge werden den Einhorntunnel, der seinen Namen nach dem Wappentier von Schwäbisch Gmünd erhielt, täglich durchfahren. Die Fahrer werden nichts von den 300 Kilometer Kabel sehen, die hinter den Wänden verborgen liegen, nichts von der turnhallengroßen Kaverne und den leistungsstarken Strahlventilatoren an den Tunneleingängen, die permanent die Abgase aus dem Tunnel blasen. Alle 60 Meter öffnet sich über den Köpfen der Autofahrer eine Absaugöffnung. Hoffentlich nie werden die Durchreisenden einmal den Rettungsstollen zu sehen bekommen, der parallel zur Fahrröhre verläuft und so geplant ist, dass er eines Tages eventuell zu einer zusätzlichen Fahrbahn ausgeweitet werden könnte.

Die Brandschutztechnik lässt den Projektleiter schwärmen

Sicherheitselektronik überwacht ständig 16 000 Datenpunkte, angebracht an den Nottüren zum Rettungsstollen, den Feuerlöschern, den Lampen und Kameras. Hält beispielsweise ein Auto in einer der Notparkbuchten, wird das mittels Kontaktschleifen registriert. Dann geben die Geschwindigkeitstafeln vor den Tunneleingängen sofort ein geringeres Tempo vor. Ins Schwärmen gerät Baumeister Hamm geradezu, wenn er von der Brandschutztechnik spricht. Gesteuert von moderner Messtechnik im Tunnelinnern wird Ruß, der von einem brennenden Fahrzeug aufsteigt, sofort von zwei Seiten angeblasen. Die Ausbreitung von Giftgasen würde so auf 200 bis 300 Meter eingegrenzt, erklärt der Ingenieur. Dadurch erhöhe sich signifikant die „Selbstrettungszeit“ für alle, die sich zur Unglückszeit im Tunnel befinden.

Zum Datenblatt des Einhorntunnels gehören auch die Baukosten. Auf einem alten Infoblatt des Bundesverkehrsministeriums sind sie noch mit 230 Millionen Euro veranschlagt, als Fertigstellungstermin steht da „Ende 2012“ zu lesen. Mit diesem Volumen war der Einhorntunnel lange Zeit das größte Einzelstraßenbauprojekt des Bundes. Nun, ein Jahr später, stehen die Kosten bei rund 280 Millionen Euro, was auch damit zu tun hat, dass sich die Flussverlegung komplizierter gestaltete als gedacht. Die Rems fließt im Osten der Stadt jetzt in einem Trog, dessen Durchmesser sich am größten vorstellbaren Hochwasser orientiert. Es wäre eine Katastrophe, sagt Projektleiter Hamm, wenn der Tunnel eines Tages überschwemmt werden würde.

Pünktlich zur Landesgartenschau

Fast vergessen sind nun schon die langjährigen Mühen des Bauens, die zusätzlichen Staus, der Dreck und Lärm, die Furcht, das alles würde nicht mehr fertig werden, bis kommendes Jahr die Landesgartenschau in der Stadt beginnt und sich die Bagger gegenseitig behindern. „Ein schöner und hoffnungsvoller Tag“ sei die Eröffnung für die Gmünder und alle Menschen der Region, sagt der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl (FDP). Vorbei sei es nun mit den „unzumutbaren Verkehrsverhältnissen“, die Gmünder seien entlastet von Abgasen und gewännen Raum zur Stadtentwicklung. Für Schmalzl ist der Tunnel sogar ein „Jahrtausendprojekt“. Auch deswegen, weil es gelungen sei, die Bürger mitzunehmen.

Ein Beispiel für gelungene Bürgerbeteiligung

Tatsächlich ist der Tunnelbau von Gmünd ein Musterbeispiel für gelungene Bürgerbeteiligung. 700 öffentliche Führungen hat das Regierungspräsidium während der Bauzeit organisiert, annähernd 20 000 Interessierte haben sich dabei informieren lassen. „Unsere Bürger sind jetzt beteiligungsgeschult“, sagt der Oberbürgermeister Richard Arnold (CDU). Was das praktisch bedeutet, macht Chefingenieur Hamm anschaulich: „Wir hatten in den sechs Jahren, in denen ich hier bin, vielleicht zehn Leute, die sich beschwert haben.“ Neben der umfassenden Aufklärung hat das auch mit richtigen Berechnungen zu tun. Die Setzungen des Tunnelbauwerks – in der Regel nicht mehr als 1,5 Zentimeter – ließen Brücken, Gleise und Hausfassaden fast überall unbeschädigt. Wo es doch zu einzelnen Rissen kam, ließ das Regierungspräsidium die Schäden rasch beseitigen.

Am Wochenende sind die letzten Kehrmaschinen durch die große Röhre gefahren, die Tunnelportale sind mit Bäumchen und frischer Farbe aufgehübscht worden. Alles ist angerichtet für den Festakt am Vormittag. Tunnelbauer Hamm aber sagt froh: „Ich werde in meinem Leben wohl keinen zweiten Tunnel mehr bauen.“

Der Tunnel und sein Name

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und sein baden-württembergischer Kollege Winfried Hermann (Grüne) eröffnen am Montag ab 9.45 Uhr den Einhorntunnel. Schon am Sonntagabend war die Bevölkerung zu einem Konzert anlässlich der Tunneleröffnung in das Congress Centrum der Stadt eingeladen.

An die Geschichte der Namensgebung erinnern sich viele mit Schmunzeln. Facebook-Aktivisten hatten zunächst den Namen „Bud-Spencer-Tunnel“ durchgesetzt. Am Ende gab der Schauspieler seinen Namen für das städtische Freibad („Bad Spencer“).