Für die Ludwigsburger sind sie eine Institution: Die Oliviers haben ihnen das Eisessen beigebracht. Die erste Filiale öffnete 1953 – in einem Haus mit einem Kino und einem Tanzcafé.

Ludwigsburg - Begonnen hat die Geschichte der Firma Eis-Olivier 1953 mit der Eröffnung der Filiale in der Myliusstraße. Das glauben zumindest die Ludwigsburger. Tatsächlich beginnt die Geschichte des Familienunternehmens schon sehr viel früher – in den Dolomiten. Denn schon im 19. Jahrhundert haben sich die ersten Oliviers auf die Produktion von Speiseeis verlegt. Und lange bevor sie nach Ludwigsburg kamen, verwöhnten sie die Österreicher mit Erdbeer- oder Schokoeis.

 

Das und noch viel mehr hat Michael Betz im Rahmen einer Veranstaltung zur aktuellen Ausstellung „Eine Stadt isst“ im Stadtmuseum erzählt. Irgendwann habe der Urgroßvater damit begonnen, Eier, Zucker, Milch und Vanille aufzukochen und das Gemisch dann ins Kalte zu stellen. „Und das ist eigentlich immer noch so“, sagte Betz. Mit dem kleinen Unterschied, dass es heute mehr Eissorten gebe und dass bei der Zubereitung sehr viel größere Mengen an Milch, Kakao oder Beeren verwendet werden.

Cappuccino statt Filterkaffee

„Wichtig sind frische Zutaten. Bei uns wird keine Luft reingepumpt wie bei dem industriell hergestellten Eis.“ Die vielen Besucher, die zum Vortrag mit anschließender Führung durch das „Laboratorium“ von Olivier gekommen waren, hörten es gern. Doch als die Gäste schwärmten, dass Olivier „das beste Eis weit und breit“ mache, wehrte Betz bescheiden ab: „Das ist nur so, weil Sie das gewöhnt sind. Eismachen ist kein Hexenwerk.“

Trotzdem haben die Ludwigsburger sogar das Eisessen erst nach dem Krieg von den Oliviers gelernt. Ebenso wie das Im-Freien-Sitzen: „Als meine Großeltern an der Myliusstraße Stühle rausgestellt haben, wurden sie erst einmal ausgelacht“, sagt Betz. „Der erste Wind wird sie wegwehen, sagten die Leute.“ Außerdem hätten die Oliviers den Ludwigsburgern, die nur Filterkaffee kannten, schon in den frühen sechziger Jahren Cappuccino serviert.

Eisverkauf um zu Überleben

Der Geschäftsführer der Eisdiele an der Wilhelmstraße trägt zwar nicht den Namen, zählt aber zur Dynastie der Oliviers, die sich in Ludwigsburg, Bietigheim-Bissingen, Zuffenhausen und Winnenden niedergelassen haben. „Meine Mutter hat einen Schwaben geheiratet“, sagt Betz, der von klein auf das Eisgewerbe kennengelernt hat und seit seiner Kindheit auch die Wintermonate in dem Dolomitenort Belluno verbringt, aus dem die Oliviers stammen. „Da treffen wir uns eigentlich immer noch alle“, sagt der Diplom-Kaufmann, „das ist dann immer schön, weil wir da auch Zeit für Bergtouren haben.“

Die Kehrseite der schönen Landschaft des Veneto: „Die Leute dort führten ein armseliges Leben“, sagt der 49-Jährige. Nachdem sie lange vom Erz- und Holzhandel mit Venedig gelebt hatten, brachte die Industrialisierung die Geschäfte zum Erliegen. Junge Leute verließen die Region, um woanders Arbeit zu finden – oder sie schafften sich Eiswagen an: „Anfangs gab es nur ambulanten Eisverkauf“, sagt Betz. „Die Leute zogen mit den Wagen umher und verkauften das Eis auf der Straße.“

Nach dem Kino noch ein Eis

Der Urgroßvater ist damit dann bis nach Wien gezogen, was nahe lag, weil Venetien damals zur K. und K. Monarchie gehörte. In Wien hat dieser Ferdinand Olivier dann 1905 auch das erste Ladengeschäft für „Gefrorenes“ eröffnet – an der Wiener Hauptstraße, in nächster Nachbarschaft zu einem Kino. „Er hatte herausgefunden, dass die Leute nach dem Kino gern noch ein Eis gegessen haben.“

Auf dieses Erfolgsmodell hat dann auch noch die nächste Generation gesetzt: Der erste Eissalon in der Ludwigsburger Myliusstraße befand sich in einem Gebäude mit dem „Arkadia“-Kino und einem Tanzcafé. Dass die Familie nach Ludwigsburg kam, ist wohl eher dem Zufall zu verdanken.

Der Zufall führte die Familie nach Ludwigsburg

„Nach dem Zweiten Weltkrieg war es schwierig in Österreich“, sagt Betz. „So gab es zum Beispiel eine Zuckersteuer, und die Wirtschaft kam insgesamt nicht so schnell in Gang wie in Deutschland.“ Die Oliviers ließen sich also vom Wirtschaftswunder anlocken, landeten aber zunächst in Düsseldorf. „Dort hat ihnen wohl jemand einen Tipp gegeben, und so sind sie nach Ludwigsburg gekommen“, sagt der Eisexperte.

Auch wenn man ihm ansieht, dass er sein Handwerk liebt: „Ich erwarte nicht, dass meine Tochter das Geschäft übernimmt“, sagt Betz. Für kleinere Eisdielen seien die Bedingungen schlechter geworden: Da sei zum einen ein sehr viel größerer bürokratischer Aufwand, zum anderen finde man kaum noch genug Personal für die Sommersaison. Und dann sind da noch gewisse Modephänomene: Zwar gibt es bei Olivier auch veganes Eis, aber Michael Betz ist kein Fan davon: Eine Eisproduktion ohne Eier und Milch und ganz frische Zutaten, das fühle sich nicht richtig an, sagt er.