Mit der Formel E hat der Motorsport den Anschluss an die Elektromobilität erfolgreich geschafft. Auf zwei Rädern steckt die Entwicklung dagegen noch in den Kinderschuhen. Doch daran könnte sich bald etwas ändern.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Stuttgart - Mucksmäuschenstill ist es in der Halle, wenn Mat Rebeaud zu einem Sprung ansetzt. Und das liegt nicht nur an dem spektakulären Auftritt des Motocross-Freestylers, sondern auch an seiner Maschine: Der 38-Jährige fährt seit zwei Jahren als bislang Einziger in seinem Metier auf einem Elektromotorrad. „It’s the future“, erklärt der Schweizer immer wieder – zuletzt im vergangenen November beim ADAC Supercross in Stuttgart, der in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie abgesagt wurde. Dass die Elektromobilität in der Sportart buchstäblich noch in den Kinderschuhen steckt, war bei der Veranstaltung im letzten Jahr gut zu beobachten: Erstmalig in ihrer Geschichte war auch ein E-Bike bei einem Rennen am Start – in der kleinsten Klasse.

 

Dabei könnte der Elektroantrieb viele Probleme der Sportart lösen. Mat Rebeaud ist auf Batteriebetrieb umgestiegen, weil er in seinem Alter mehr trainieren müsse als die junge Konkurrenz. Nur den Motorenlärm hörten die Nachbarn nicht gern. „Unser Sport wird auf Dauer eine größere Akzeptanz erfahren, wenn wir etwas für die Umwelt tun“, sagt Michael Saur, Vorsitzender des 1. RMC Reutlingen. Der Verein hat die neunjährige Emma Nusser beim ADAC Supercross auf dem Elektrocrosser an den Start geschickt. Für die Schnuppertrainings in Reutlingen, mit denen Kinder für den Sport begeistert werden sollen, wurden mehrere der Maschinen angeschafft. „Mit der fortschreitenden technologischen Entwicklung war klar: Sobald es beim Motorrad möglich wird, begeben wir uns auf dieses Feld“, sagt Michael Saur. Als Vorstand Sport beim ADAC Württemberg setzt er sich auch dafür ein, dass die Maschinen zu den Rennen zugelassen werden.

Es wird immer schwieriger, Motocross zu betreiben

Ein Start-up bei Nürnberg hat die Entwicklung etwas beschleunigt: Vor zwei Jahren hat die Firma High Voltage Racing Bikes (HVR) ihr erstes Motorrad im 50 Kubikzentimeterbereich auf den Markt gebracht, das mit den Verbrennern mithalten kann. „Bei uns läuft es wirklich gut“, sagt die Unternehmensgründerin Nina Deitermann. Den Absatz konnte die Ingenieurin jedes Jahr verdoppeln, 2021 will sie 400 Maschinen verkaufen. Der österreichische Hersteller KTM hat mittlerweile ein E-Modell nachgelegt. „Der Hauptgrund für unseren Erfolg ist, dass es immer schwieriger wird, Motocross zu betreiben“, sagt sie. Auch beim 1. RMC Reutlingen sind die Trainingszeiten zum Schutz der Anwohner auf drei Tage und ein paar Stunden in der Woche begrenzt. Auf den Strommotorrädern können die Kinder sogar im eigenen Garten fahren, da sie weder stinken noch knattern.

Bis sich der Sport elektrifizieren lässt, müssen allerdings noch einige Hindernisse überwunden werden. Wie generell bei der Elektromobilität, steht an erster Stelle die begrenzte Reichweite der Batterien. Im Motocross kommt erschwerend hinzu, dass die meist abseits der Zivilisation liegenden Strecken keinen Stromanschluss zum Aufladen haben. Für Anfänger reicht der HVR-Akku eineinhalb Stunden, bei voller Leistung geht ihm nach einer halben Stunde der Saft aus. Dennoch ist Michael Saur vom Zukunftspotenzial der Maschinen überzeugt: „Sobald auf dem Fahrzeug einer gewinnt, legt es den Schalter um.“

Es gibt bisher kaum Alternativen

Für umsteigewillige Erwachsene gibt es aktuell auch keine Alternativen – Rebeaud fährt ein eigens angefertigtes Modell. Mit der straßentauglichen Enduro Freeride hat nur KTM ein Elektromodell auf dem Markt, das jedoch kein vollwertiges Motocrossmotorrad ist. Der US-amerikanische Hersteller Alta Motors, der bisher als einziger eine wettbewerbstaugliche Maschine hinbekommen hatte, ist pleite. Honda und Yamaha haben Prototypen vorgestellt, aber nie geliefert. Der hohe Preis für die Batterien war bisher die Bremse. Am ehesten wird ein kostengünstiges E-Motorrad von der chinesischen Firma Surron erwartet. HVR arbeitet auch an einem großen Modell, für die Serienproduktion müsste aber ein Investor einsteigen.

„Im Kinderbereich ist es einfacher einzusteigen, bei Erwachsenen ist der Vollgas-Petrolhead noch weit verbreitet“, sagt Nina Deitermann. Ihrer Ansicht nach kippt die Stimmung aber so langsam – mit der steigenden Zahl von Elektroautos auf der Straße würden die Motocrossfans offener für den alternativen Antrieb. Und mit zunehmender Verbreitung werden die Bauteile günstiger und die Technik besser. „Wir werden nachlegen“, sagt die Ingenieurin. Im Autorennsport hat die Formel E die Anziehungskraft der E-Mobilität vorgeführt: Alle deutschen Autohersteller schicken mittlerweile Teams ins Rennen, diese Saison hat sie das Weltmeisterschaftsprädikat der FIA erhalten.