Das Stuttgarter Theater der Altstadt zeigt „Allein unter Schwaben“, den Bühnenerstling von Elisabeth Kabatek. Auch wenn es um das ernste Flüchtlingsthema geht: Lachen ist in dieser Tragikomödie erlaubt.

Stuttgart - Man weiß nicht, ob sich dieses Verwandtschaftsverhältnis mittlerweile bis nach London rumgesprochen hat, aber es ist so: Bridget Jones hat eine Schwester in Stuttgart, zumindest eine Schwester im vom Chaos regierten Geiste. Die von der Kehrwoche geplagte Frau heißt Pipeline Praetorius und teilt mit Miss Jones unter anderem die Neigung zu ungewöhnlichem Essverhalten. Pipeline vespert nach dem Aufstehen zwar keine englische Schokolade, aber doch schwäbische „Laugenweckle zum Frühstück“, wie im gleichnamigen Bestseller von Elisabeth Kabatek nachzulesen ist. Im Herbst erscheint das fünfte und, sofern man der in Gerlingen geborenen Autorin glauben mag, letzte Großstadtabenteuer ihrer sympathischen Kuddelmuddelfrau – und wieder ist damit zu rechnen, dass Kabatek das Publikum bestens bedient: Das Genre der bei aller Leichtigkeit intelligenten Unterhaltungsliteratur beherrscht sie souverän.

 

Dass die unterhaltende Spaßfrau auch anders kann, nämlich ernst und engagiert, analytisch und politisch, beweist sie seit Jahren als Kolumnistin der Stuttgarter Zeitung. „Was treibt die Welt?“ fragt Kabatek da regelmäßig im Kulturteil und wirft einen Blick über Teller- und Kesselrand hinaus. Eines ihrer Dauerthemen: Flüchtlinge und wie wir mit ihnen umgehen – und genau davon handelt auch ihr erstes Bühnenstück, das jetzt im Theater der Altstadt uraufgeführt worden ist: „Allein unter Schwaben oder Bloß net in onserm Hinterhof“, eine amüsante Komödie, in die langsam Tragik sickert, ohne den im Stück waltenden Humor als unangebracht erscheinen zu lassen. Denn auch das kann Kabatek: stilsicher mit Genres jonglieren, sie homöopathisch ausbalancieren und derart das Lachen zum Vehikel der Aufklärung machen.

Herrgottsack aber auch, jetzt „hot se a Negerle“

Auf der Bühne von Siegfried Albrecht ist eine mit dem Grellen flirtende Ikea-Wohnung zu sehen. Grüne Barhocker rund um den hohen Esstisch, ein gelber Sessel zum Relaxen und Warhols bunt übermaltes Marilyn-Monroe-Porträt als Wandschmuck dahinter – und weil die schlanke und fitte Beate (Tina Rottensteiner) von ihrer Tochter Sara (Stefanie Friedrich) als „verbindliche Partnerin“ wahrgenommen werden will, scheint in dieser modernen, schicken, großzügigen Familie alles zum Besten zu stehen. Doch dann bringt die nicht ganz so figurbewusste, Pumphosen tragende Tochter ihren neuen Freund mit nach Hause, um ihm beim Deutschlernen zu helfen – und die Toleranz des schwäbischen Mittelstands gerät in den Stresstest: Malik ist ein UMF, ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling aus Gambia, er ist schwarz, glaubt an Allah und verliebt sich in Sara, so wie Sara sich in ihn verliebt. Herrgottsack aber auch, jetzt „hot se a Negerle“, wie die Nachbarin Bärbel sagt, weshalb sie von Saras Großtante Gertrud prompt gerügt wird: „Des isch ned politically correct.“

Theater mit Courage

Bärbel und Gertrud werden von Monika Hirschle und Susanne Heydenreich gespielt, die mit ihrem bewährten Schwabentum den komischen, clever mit Klischees spielenden Handlungsstrang der Tragikomödie bestreiten. Ihn vermengt der Regisseur Stephan Bruckmeier nicht minder clever mit dem tragischen, der sich durch die Flüchtlingsstory zieht. Vorurteile, Gerüchte, Verleumdungen machen Sara und Malik das Leben schwer, wobei die Stärke von Kabateks Bühnenerstling nun darin liegt, im Ernstfall auf Schwarzweißmalerei zu verzichten: Auch Malik, der aus Kenia stammende Erick Marigu, ist ein Mensch mit Schwächen, der sich in ärgster Not nicht anders zu helfen weiß als mit Tricks und Lügen. Und daran, an den aufkommenden Skrupeln, zerbricht der junge Mann, auf den die Hoffnungen der ganzen Familie in Gambia ruhen. Jenseits aller Debatten um Überfremdung und Transitzentren ruft „Allein unter Schwaben“ also eines mit aller Vehemenz in Erinnerung: Es geht um Menschen!

Das klingt banal, ist es aber in unserer Seehofer-Zeit nicht – und schon gar nicht in einem Theater, dessen Publikum nicht nur in ästhetischer Hinsicht mehrheitlich konservativ ticken dürfte. Das Theater der Altstadt zeigt mithin ein kurzweiliges Stück. Aber es zeigt mit seiner gelungenen Kabatek-Uraufführung auch noch etwas anderes. Es zeigt Courage.