Vor einem Jahr, am 8. September 2022, starb Queen Elizabeth II. Wie beerbt man eine Jahrhundertkönigin? Ihr Sohn König Charles III. muss seinen eigenen Weg finden.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Es ist der 6. September vor einem Jahr: Queen Elizabeth II. empfängt Liz Truss auf Schloss Balmoral. Eine zerbrechlich wirkende Monarchin, auf einen Stock gestützt, die weißen Locken perfekt onduliert, reicht der neuen britischen Premierministerin die Hand. 48 Stunden später ist Queen Elizabeth II. tot. Pflichterfüllung bis ganz zuletzt. Die 96-jährige Königin erlaubte es sich einfach nicht nachzulassen. Bis ihr Herz aufhörte zu schlagen.

 

Großbritannien, das Commonwealth, ja die ganze Welt trauert an diesem 8. September. Um „die Queen“, die so lange, nämlich sagenhafte 70 Jahre, auf dem britischen Thron saß, so dass sie einen Beinamen nicht mehr brauchte. Es begann die Operation London Bridge, die makellos ausgeführte Trauerzeremonie für eine makellose Monarchin, die stets den Dienst im Namen der Krone an erste Stelle stellte. Ein Land stand still – und verbeugte sich in Dankbarkeit vor seiner Königin.

Das Ende einer Ära

„Sie war fröhlich, für so viele da und hat eine Vielzahl von Leben berührt“, sagte Justin Welby, der Erzbischof von Canterbury, in seiner Predigt bei der Trauerfeier in der Londoner Westminster Abbey. Als der Sarg mit Elizabeths sterblichen Überresten in der St. George’s Chapel in Windsor in die Gruft hinabgelassen wurde und „the Queen’s Piper“ schwermütige Dudelsackklänge spielte, war eines spürbar: Hier endet eine Ära. Das zweite Elisabethanische Zeitalter, es ist unwiederbringlich vorbei.

Wie folgt man einer Jahrhundertkönigin? Am besten mit viel Demut. Keiner weiß das besser als ihr Sohn und Nachfolger. König Charles III. übt seine neue Rolle unaufgeregt aus. Als Kronprinz mischte sich der heute 74-Jährige immer gern ein, schrieb Briefe an Abgeordnete, wenn ihm etwas nicht passte oder er eine Angelegenheit wichtig fand. Als Monarch hält er sich mehr zurück. Sogar sein Herzensthema Umwelt- und Klimaschutz überlässt der König in den ersten Monaten seiner Regentschaft weitgehend seinem Sohn William, dem neuen Prinzen von Wales, der kräftig für sein Nachhaltigkeitsprojekt den sogenannten Earthshot-Preis, trommelt.

Große Projekte mussten in den ersten Monaten vielleicht auch deshalb hintanstehen, weil der Palast eine Krönung zu planen hatte. Der Zeremonie am 6. Mai 2023 in der Westminster Abbey drückte König Charles seinen ganz eigenen Stempel auf. Vertreter aller Glaubensgemeinschaften hatten in dem Gottesdienst eine Rolle, in den Bänken saßen jede Menge Britinnen und Briten, die sich durch ihr gesellschaftliches Engagement besonders verdient gemacht haben. Gekrönt wurde auch Charles Ehefrau, Königin Camilla, die sich mit ihrer unprätentiösen, direkten Art längst in die meisten Herzen gespielt hat. Drei Tage lang feierte Großbritannien die Monarchie – und die britische Lebensart.

Dass das royale Rampenlicht vor allem von den glamourösen Wales’, William und seiner Frau Prinzessin Kate, dominiert wird, dürfte König Charles und Königin Camilla keinen Schmerz bereiten. Der Monarch versteht das Unternehmen Königshaus als Teamarbeit. In seiner abgespeckten Monarchie ist ohnehin jede Hilfe willkommen, seit Prinz Harry und Herzogin Meghan sich selbst aus dem Spiel genommen haben.

Im Bundestag spricht der König Deutsch

König und Königin können nicht überall sein, auch wenn sie sich offensichtlich redliche Mühe geben. Unermüdlich reisten der 74-jährige Charles und die ein Jahr ältere Camilla diesen Sommer durchs Königreich, schauten in Wales und Cornwall vorbei, trafen unzählige Menschen, schüttelten Hände und hörten zu. Anfang Juli weilten sie für die traditionelle „Holyrood Week“ in Schottland, wo eine Art „zweite Krönung“ mit dem schottischen Kronjuwelen anstand. Auch in Deutschland war das Königspaar schon – und Charles eroberte die Herzen, als er beim Staatsbesuch im März im Bundestag Deutsch sprach und in seine Rede einen Scherz zum Silvester-Klassiker „Dinner for One“ einbaute.

Was sich im Vergleich zu den Tagen von Queen Elizabeth II. geändert hat: Fast überall, wo König Charles III. in seinem Königreich auftaucht, sind Demonstranten schon da. Mit gelben Schildern, auf denen in dicken schwarzen Buchstaben prangt: „Not my king“ – „nicht mein König“. Knapp ein Drittel der Befragten sprach sich in einer Umfrage im Frühsommer für ein Referendum über die Staatsform in Großbritannien aus. Das klingt nach nicht viel, aber es sind fast zehn Prozent mehr als zu Zeiten der Queen. Ob Charles diese Monarchiekritiker je für sich einnehmen kann? Wahrscheinlich nicht.

Das Vermächtnis der Queen

Tagebücher
Paul Whybrew diente Queen Elizabeth II. 44 Jahre lang und gehörte zu ihren engsten Vertrauten. Dem Kammerdiener obliegt es nun, die Tagebücher und Briefe der verstorbenen Monarchin auszuwerten und zu entscheiden, welche Inhalte daraus die Öffentlichkeit sehen darf und was für immer unter Verschluss bleibt.