Die FDP labt sich beim Dreikönigstreffen am Selbstbild als „Stimme der wirtschaftlichen Vernunft“. Umso ärgerlicher für die Partei, dass der Verband Südwestmetall ausgerechnet den Grünen mehr spendet.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war ein großer Auftritt für das CDU-Mitglied Berthold Leibinger beim Dreikönigstreffen der FDP. Schon im Foyer des Opernhauses wurde der Seniorchef der Trumpf-Unternehmensgruppe von Reportern belagert. Auch drinnen im Saal, wo er in der ersten Reihe neben Ex-Außenminister Klaus Kinkel Platz nahm, richteten sich viele Kameras auf den 84-Jährigen. Dessen Begrüßung geriet dem liberalen Landeschef Michael Theurer zu einer wahren Huldigung: Es sei ihm eine „ganz besondere Ehre“, eine solche „Unternehmerpersönlichkeit“ mit einer „zutiefst beeindruckenden Lebensleistung“ willkommen heißen zu dürfen.

 

Dann zitierte Theurer noch einmal genüsslich, wie Leibinger – seit Jahrzehnten der CDU verbunden – vor Weihnachten für die Liberalen geworben hatte: Seine Partei brauche „ein Korrektiv“ und nach der Landtagswahl 2016 einen „liberalen Partner“. Den sehe er wie viele Gesprächspartner aus der Wirtschaft in den geläuterten Freidemokraten, bei denen „die Maximen Eigenverantwortung, Wettbewerb, Marktwirtschaft, Subsidiarität gewissermaßen in de Genen verankert“ seien.

Theurer wettert gegen die Grünen

Das war nicht nur Labsaal für die gepeinigte Seele der Partei, sondern unterstrich auf Schönste eine der Botschaften, die vom Dreikönigstreffen 2015 ausgehen sollte. Schon beim Landesparteitag am Montag hatte Theurer die FDP als „Stimme der wirtschaftlichen Vernunft“ gepriesen. Einer solchen bedürfe es in Berlin, wo die „Verteilparteien“ sich nur aufs Geldausgeben verstünden, aber auch in Baden-Württemberg, das stark von seinen Exporterfolgen lebe; die grün-rote Regierung tue zu wenig, dass das so bleibe.

Besonders mit den Grünen ging der Landeschef ins Gericht: Unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann gerierten sie sich zwar als Wirtschaftspartei, seien aber gar keine. Der „Verzichtsideologie“ der Grünen setzten die Liberalen ein Konzept des „blauen Wachstums“ entgegen, das auf Nachhaltigkeit durch Innovationen vertraue und von „Fortschrittsoptimismus“ durchdrungen sei. Ein entsprechender Leitantrag des Landesvorstands wurde nahezu einstimmig beschlossen.

Aufregung um 100 000-Euro-Spende

Während die Delegierten noch diskutierten, meldete sich per Pressemitteilung eine andere gewichtige Stimme aus der Wirtschaft zu Wort: der Arbeitgeberverband Südwestmetall unter Führung von Stefan Wolf (CDU). Anlass war die Aufregung um eine kurz zuvor bekannt gewordene Spende an die Grünen. 100 000 Euro hatte der Verband ihnen vor Weihnachten überwiesen, stattliche 40 000 Euro mehr als im Jahr zuvor. Prompt sah der „Spiegel“ die Ökopartei in „Erklärungsnot“: Mitglied bei Südwestmetall seien schließlich auch Rüstungsfirmen wie Heckler & Koch oder Diehl Defence. Das passe ins Bild der wenig prinzipientreuen Pazifisten, sekundierte die Linkspartei: schon die Stallwächterparty in Berlin habe sich die grün-rote Landesregierung bekanntlich von einem Rüstungsunternehmen mitbezahlen lassen.

Südwestmetall sah sich jedenfalls zu einer Klarstellung veranlasst. „Totaler Quatsch“ sei die suggerierte einseitige Einflussnahme eines einzelnen Industriezweiges durch die Spende, konterte der Vorsitzende Wolf. Man vertrete die Interessen von etwa 1000 Betrieben der Metall- und Elektroindustrie im Südwesten, quer durch alle Branchen. Im Übrigen sei die Spendenpraxis völlig transparent. Eher beiläufig ließ Wolf erläutern, nach welchen Kriterien der jährliche Geldsegen verteilt wird: „Die Höhe der einzelnen Spenden richte sich dabei nach dem Einsatz der jeweiligen Partei für die Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft.“ Es folgte eine Auflistung der Gaben: CDU 150 000 Euro, Grüne 100 000 Euro, FDP 80 000 Euro, SPD 55 000 Euro; bei den Genossen, erläuterte ein Verbandssprecher, habe sich vor allem der Einsatz für die Rente mit 63 und den Bildungsurlaub negativ ausgewirkt.

Die Generalsekretärin ist nicht amüsiert

Ausgerechnet die Grünen engagieren sich aus Sicht von Südwestmetall also stärker für die Marktwirtschaft als die FDP? Diese nahe liegende Schlussfolgerung kam am Rande des FDP-Treffens gar nicht gut an – konterkarierte sie doch das Bestreben, als Wirtschaftspartei wahrgenommen zu werden. Auf den Verbandschef Wolf, einst in der Jungen Union tätig, sind viele Liberale ohnehin nicht gut zu sprechen. Kaum hatte die CDU Guido Wolf – nicht verwandt oder verschwägert – zum Spitzenkandidaten gekürt, preschte Stefan Wolf mit einem Plädoyer für schwarz-grün vor: „Eine solche Koalition kann ich mir in Baden-Württemberg gut vorstellen.“ Die Grünen-geführte Regierung habe schließlich ein offenes Ohr für die Wirtschaft.

„Starker Tobak“ sei die Begründung für die Staffelung der Spenden, grollte ein altgedienter FDP-Abgeordneter. „Sehr eigenwillig“ nannte sie ein Landesvorständler. Offiziell irritiert zeigte sich die neue Generalsekretärin Judith Skudelny: die Darstellung von Südwestmetall sei offenkundig „verkürzt“, weitere Argumente für die Unterstützung der FDP habe der Verband wohl „vergessen“. Nicht amüsiert wirkte auch der Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Liberale, kommentierte er gleichwohl, seien „große Anhänger der Meinungsfreiheit“: so wie Südwestmetall die Höhe der Zuwendungen frei bestimmen könne, stehe es dem Verband auch frei, sie „nach Belieben zu begründen“.