Die Luft am Neckartor ist aller Anstrengungen im Kampf gegen Feinstaub zum Trotz immer noch häufig zu schlecht. Deshalb ziehen zwei Bürger jetzt vor Gericht. Brisant ist auch eine Studie, nach der Stuttgart auch 2030 noch zu den Metropolen mit der dicksten Luft gehören werde.

Stuttgart - Zwei Stuttgarter Bürger haben beim Stuttgarter Verwaltungsgericht eine weitere Klage wegen zu hoher Schadstoffwerte in der Luft gegen das Regierungspräsidium (RP) eingereicht. Für zusätzliche Brisanz sorgt auch eine Studie des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Wien, nach der Stuttgart auch noch im Jahr 2030 zu den europäischen Metropolen mit der dicksten Luft gehört.

 

Laut Rechtsanwalt Roland Kugler haben sich seine beiden Mandanten zu der Klage entschlossen, weil am Neckartor auch im zehnten Jahr die seit 2005 geltenden Grenzwerte für Feinstaub sowie für Stickstoffdioxid (NO2) nicht eingehalten würden. Mit einem Termin beim Verwaltungsgericht sei allerdings erst gegen Ende des Jahres zu rechnen. Das Ziel der Klage sei es, durch einen weiteren Luftreinhalteplan zu erreichen, dass die Menge der beiden gesundheitsschädlichen Luftschadstoffe im Talkessel endlich deutlich und nachhaltig reduziert würden.

Wissenschaftler fordern Reformen

„Dieses Ziel ist trotz aller früheren Pläne auch 2014 nicht erreicht worden“, kritisiert Kugler. Bei 18 zugelassenen Überschreitungen für NO2 im Jahr seien am Neckartor im vergangenen Jahr 36 über dem Limit liegende Konzentrationen gemessen worden. Beim Feinstaub habe es an 64 statt an 35 Tagen zu hohe Werte gegeben. Die am Neckartor und in der Kernerstraße wohnenden Kläger hätten das RP Ende Januar aufgefordert, den Luftreinhalteplan zu ändern, aber keine Antwort erhalten. Bereits früher seien Verbesserungen vor allem auf dem Klageweg durchgesetzt worden, so Kugler. Dazu gehörten das Durchfahrverbot für Lastwagen, Temporeduzierungen auf der Cannstatter Straße und an Steigungsstrecken.

Nach Angaben der IIASA-Forscher aus Österreich, die europäische Messdaten aus dem Jahr 2010 ausgewertet haben, kann die Luft in etlichen Städten noch feinstaubhaltiger werden. Zu diesen „Hotspots“, bei denen das Problem bestehen bliebe oder sich verschlimmern könnte, zählen sie nicht nur Warschau, Paris und Mailand, sondern auch Stuttgart, Berlin, München und Bremen. In Großstädten sei das Problem hausgemacht, da der Autoverkehr einen großen Teil des Feinstaubs erzeuge.

Die Wissenschaftler mahnen Reformen an, weil vier von fünf Europäern Feinstaubwerten ausgesetzt seien, die über den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) lägen. Nach Schätzungen der Europäischen Umweltagentur (EEA) sterben jährlich Hunderttausende vorzeitig wegen der Luftverschmutzung. Für die IIASA-Forscher reicht die Kontrolle von Fahrzeugemissionen nicht aus, um die heutigen EU-Grenzwerte einzuhalten.