Nicht nur für Gäste von außerhalb lohnt sich ein Besuch im Restaurant des Waldhotels Stuttgart, wo regionale Spezialitäten überzeugen.  

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Wie es der Zufall so wollte, hat sich gleich doppelt viel getan auf der Waldau: Mit großem Aufwand wurde die Gastronomie im Fernsehturm erneuert - darüber wird noch ausführlich zu berichten sein. Und das Waldhotel Stuttgart, das fast fünfzig Jahre mehr auf dem Buckel hat, wurde kernsaniert. Gut anderthalb Jahre wurde in dem Kasten mit seinen immerhin 94 Zimmern gewerkelt, und man fragt sich, wie viel Geld die neuen Privateigentümer John und Sean Kevin Sorensen wohl in die Hand genommen haben. Ein erster Blick zeigt - sehr viel.

 

Vorerst aber interessiert uns das Restaurant Finch, zu Deutsch Fink, der namengebende Vogel im Logo. Auch hier wurde viel getan - mit Rücksicht auf das zum Teil denkmalgeschützte Haus. So ergänzen sich alte Holzelemente mit neuen Details wie zum Beispiel dem Kamin hinter Glas. Besonders nett sitzt man in den Giebelnischen mit Blick auf Innenhof und Terrasse. Als Küchenchef hat man Henry Kühnle engagiert, der aus der Stuttgarter Schule von Siegfried Keck stammt und als Chef de Partie und Souschef viele Jahre in Sternerestaurants unterwegs war. Aber, so der Wunsch der Eigentümer: im Finch soll es nicht zu gehoben zugehen. Mit regionalen und bezahlbaren Spezialitäten wolle man auch die Stuttgarter wieder ins Haus holen, so der Direktor Christoph Rawe.

Alles frisch und hausgemacht

Dennoch erkennt man die handwerklichen Fähigkeiten von Kühnle schon bei der wunderbaren Kombination der Vorspeise für 9 Euro: die gebratenen Schwarzwurstkrusteln sind außen kross und innen fluffig, die Alblinsen mit Senfsaatmarinade sind so gut angemacht, dass der bei manchen reflexhafte Griff zum Essig überflüssig ist. In der Mitte thront Ackersalat. Auch gut: die üppige Croustillade vom Räucherlachs mit rotem Rettich und Dillgurken, die dem Fischgericht einen erdigen Touch verleihen. Bei den Hauptspeisen überzeugen die Scheiben vom Milchkalbrücken (mit Marktgemüse und Spätzle) wegen ihrer niedriggegarten Milde nicht ganz so wie der Fisch. Denn die Zanderschnitte (18,50Euro) ist perfekt gegrillt, obwohl sie nicht gerade dünn ist, die Beilagen (geschmolzene Basilikumtomaten, Zuckerschoten, kleine kugelrunde Thymiankartoffeln) sind geschmacklich eine Wucht.

Zwischendurch gab es noch eine nicht zu sämige Kürbissuppe, denn wir hatten einmal ein Viergangmenü für 43 Euro - und mussten satt und zufrieden den vierten Gang streichen, weil wir das süße Flädle mit Schattenmorellen und Schokoladeneis nicht geschafft hätten. Stattdessen gab's ein Mangosorbet, das allerdings (noch) kein eigenes ist. Ansonsten aber, versichert Kühnle, sei alles frisch und hausgemacht, natürlich auch die Soßen - beim nächsten Mal konzentrieren wir uns auf Zwiebelrostbraten und Maultaschen. Die Weinkarte bietet sowohl Trollingerschlotzern als auch Etikettentrinkern viel (etwa einen Ornellaia oder einen 92er Mouton-Rothschild). Deswegen vergeben wir für alle Bereiche des Restaurants das, was auch das Hotel anstrebt: vier Sterne superior.

Finch, Guts-Muths-Weg 18, 70597 Stuttgart, Telefon 18572-0, geöffnet täglich von 18 bis 22 Uhr.

Die Bewertung

Küche: ****

Service: ****

Ambiente: ****

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-Leistungs-Verhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.