In seiner Fischerkate in Großerlach pflegt Martin Jeromin eine traditionelle Handwerkskunst: Er räuchert Lachse, Makrelen, Forellen und andere Fischspezialitäten nach Altonaer Art – über offenem Holzfeuer.

Rems-Murr: Chris Lederer (cl)

Martin Jeromins Gefühl ersetzt das Thermometer. Er hält seine Hand knapp über die glimmenden Holzspäne am Boden des schmiedeeisernen Räucherofens und zählt: „. . . acht, neun, zehn!“ Dann zieht er die Hand zurück, nickt und lächelt zufrieden. Die Temperatur stimmt, so kann es weitergehen. Im schwarzen Schrank hängen Dutzende goldbraune Makrelen und längliche Lachsstücke aufgereiht über einem Glutnest aus Buchen- und Kirschholzspänen. Türe wieder zu, die Fische dürfen bei mehr als 60 Grad noch ein Weilchen hängen bleiben, im Rauch garen und so das besondere Aroma aufnehmen.

 

Kalträuchern bei optimalen 25 bis 28 Grad

Im Ofen nebenan veredelt der 59-Jährige gerade Lachsflanken. Jeweils drei stattliche Stücke liegen nebeneinander auf schwarz patinierten Holzgitterrahmen. Zwölf Rahmen passen übereinander in den mannshohen Ofen. „Die Flanken hier werden kaltgeräuchert, bei maximal 30 Grad, optimal sind 25 bis 28 Grad“, erklärt der gelernte Fischwirt für Fluss- und Seefischerei. Auch das Kalträuchern ist eine Wissenschaft für sich: „Die Holzspäne im Räucherkasten müssen so angeordnet sein, dass sie nicht schnell verbrennen, sondern nur ganz schwach glimmen – das nennt man glosten.“ Dazu werden abschnittsweise zwischen die Späne auch Hartholzstücke platziert, durch die sich die schwache Glut nur ganz langsam hindurchfrisst. Selbst auf den Luftdruck komme es an. Zuvor wurden die Flanken in einer Mischung aus braunem Rohrzucker und grobkörnigem Salz zwei Tage lang gestapelt, gepresst und gebeizt – bis sie dunkelorange sind. Salz und Rauch sorgen für natürliche Konservierung und machen den Fisch länger haltbar.

„Die Flanken auf den Holzgittern sind so angeordnet, dass der blaugelbe Rauch stetig an ihnen vorbeizieht“, erklärt Jeromin. „Wie bei einer Wendeltreppe.“ Das Kalträuchern sei aufgrund der geringen Temperaturen im Ofen ein längerer Vorgang. „Im Winter kann der Lachs schon mal bis zu 72 Stunden benötigen“, sagt er. Die Räucherdauer hänge aber auch von der Art und der Dicke des jeweiligen Fisches ab. „Alle fünf bis sechs Stunden muss man den Rauchkasten kontrollieren und eventuell Späne nachlegen.“ Auch das verwendete Holz spielt eine wichtige Rolle: die Art, mehrjährige Lagerung und die Größe der eingebrachten Stücke. „Das Holz machen mein Schwager und meine Neffen, meine Kunden bringen mir Kirschholz.“

Auch im Fischmobil unterwegs

Anders als bei den modernen elektronischen Industrieöfen, deren Befeuerung und Räuchervorgang von Computern gesteuert wird, braucht es beim Räuchern nach Altonaer Art über der „lebendigen Flamme“ neben Erfahrung auch besondere Aufmerksamkeit. „Wenn man nicht aufpasst, kann einem der ganze Ofen in Brand geraten.“ Seine Ausbildung zum Fischwirt für Fluss- und Seefischerei in Timmendorfer Strand hat einige Jahre gedauert – und in den ersten Jahren habe er noch keinen der Räucheröfen bedienen dürfen. Heute beherrscht Jeromin das Verfahren aus dem Effeff. Dennoch ist Vorsicht geboten, und zur Sicherheit setzt auch er elektronische Warnmelder ein. Kontrolle sei wichtig, nicht zuletzt darum wohnen er und seine Frau Angelika direkt über der Fischerkate im Großerlacher Gewerbegebiet.

Dort stellt der aus Hamburg stammende Wahlschwabe nicht nur Räucherfisch-Spezialitäten her, er verkauft darüber hinaus auch frische Meeres- und Süßwasserfische, Matjessalat, Lachsmousse, Garnelendressing oder Lachssalat. Von Mittwoch bis Freitag gibt es in der Fischerkate Mittagstisch zum Mitnehmen. Freitags ist er mit seinem Fischmobil in Sechselberg, samstags auf dem Markt in Backnang.

40 verschiedene Sorten Fisch hat er im Angebot – die eine Hälfte geräuchert, die andere Frischfisch. Der Atlantik-Lachs, dessen wissenschaftlicher Name Salmo salar lautet, macht dabei den Löwenanteil aus. Die Fische können bis zu anderthalb Meter lang werden und sind Einzelgänger. Im Spätherbst ziehen sie weit die Flüsse Europas und Nordamerikas hinauf, um an den Oberläufen zu laichen. „Im Gegensatz zu pazifischen Lachsen, die in Schwärmen leben, sind sie zwar etwas teurer, haben aber eine schönere Textur und schmecken deutlich besser“, erklärt der Fischwirt. „Den pazifischen Lachs überlassen wir den Discountern.“

Aquakultur oder Wildfang?

Generell sei Lachs der Deutschen liebster Speisefisch: „Er schmeckt in jeder Form: heiß-, warm- und kaltgeräuchert, frisch und gebeizt, gebraten, gebacken und gekocht“, sagt Jeromin, der sich zur Abwechslung persönlich gerne auch mal Zander und Aal auf den Teller legt. Letztere Gesellen seien jedoch eher im norddeutschen Raum beliebt. „Die Schwaben bevorzugen statt Aal lieber Forelle und beim Frischfisch Rotbarsch, Kabeljau und Seelachs.“ Ob Fische aus Wildfang oder Aquakultur – Jeromin bietet beides an und will nicht urteilen. „Köche in Restaurants und Hotels wollen oft lieber Fische aus Aquakulturen, auch weil Größe, Form, Farbe und Textur möglichst gleichbleibend sind.“ Das kann sich bei Wildfang schon deutlich unterscheiden, und auch im Preis merkt man den Unterschied.

In jedem Fall sei Fisch hierzulande ein Luxusgut. „Die Kosten, die mit dem Fischfang und dem Transport verbunden sind, sind enorm“, sagt er. Permanente Kühlung sei das Wichtigste. Angefangen vom Fischerboot über das Zwischenlager bis hin zu dem Transport und der Kühlung an der Theke – ohne Strom kein Fisch. „Früher haben wir unseren Fisch selbst in Hamburg am Hafen abgeholt, das lässt sich heute finanziell nicht mehr machen, da setzen wir auf gute Beziehungen zu den Händlern und deren Logistikunternehmen.“ Zweimal in der Woche bekommt er frische Ware angeliefert.

200 Fische in einer Stunde filetiert

Die wird in Großerlach im Filetierraum weiterverarbeitet, ehe es in die Räucherstube geht. Dass er sein Handwerk auch über das Räuchern hinaus beherrscht, demonstriert Jeromin an einem Wolfsbarsch, den er in Sekunden grätenfrei filetiert. „Früher habe ich das im Akkord gemacht, mehr als 200 Stück in einer Stunde.“ Heute geht es zum Glück weniger stressig zu. Die Familie ist in das Unternehmen eingebunden und hilft, wo sie kann, beim Holzmachen, beim Verarbeiten und im Verkauf. Zum Fischen in der Ostsee wie früher kommt Jeromin nicht mehr, dafür wirft er in der Freizeit die Angel aus. Den besten Fang, den der Hamburger je gemacht hat, daran lässt er keinen Zweifel, war aber seine schwäbische Ehefrau Angelika.

Mehr Infos gibt es auch im Internet unter: www.die-fischerkate.de