In einer Schultoilette des Friedrich-Schiller-Gymnasiums sind antisemitische Schmierereien entdeckt worden. Nicht der erste Vorfall dieser Art, sagen einige Schüler. Wie blicken sie aufs Thema Antisemitismus?

Volontäre: Maximilian Kroh (kro)

Dass in Herrenberg ausgerechnet an dem Tag Hakenkreuze auf den Fotografien von Holocaust-Überlebenden gefunden wurden, an dem im Friedrich-Schiller-Gymnasium (FSG) in Marbach eine Podiumsdiskussion zum Thema Antisemitismus stattfand, war bezeichnend. Denn auch am FSG hatte es erst vor Kurzem einen Vorfall auf der Schultoilette gegeben, wo Schüler unter anderem Hakenkreuz-Schmierereien entdeckt hatten. So wenig, wie Herrenberg also ein Einzelfall war, waren es die Hakenkreuze am FSG.

 

„Das gehört fast zum Schulalltag“, sagt Linus Stadtfeld. Der Zwölftklässler ist Teil des Israel-Seminarkurses der Schule und war bei der Podiumsdiskussion einer der Moderatoren. „Wer sich in den Klassenzimmern Stühle, Tische oder Betonsäulen anschaut, findet viele Hakenkreuze“, fügt sein Mitschüler Mathis Conrad hinzu. Sie erhoffen sich, dass die Diskussion die Schülerschaft sensibilisiert, solche Vorfälle zu melden und dagegen vorzugehen.

Durchsage des Schulleiters war richtig

Dass Schulleiter Volker Müller noch während der Diskussion eine Durchsage an die ganze Schule macht und den Vorfall verurteilt, sei wichtig und richtig gewesen, da sind sie sich einig. „Bei solchen Vorfällen muss die ganze Schule in einen Prozess der Aufarbeitung gehen“, erklärt Sybille Hoffmann vom Zentrum für Schulqualität und Lehrerbildung (ZSL). „Die Schulleitung muss das in ihre Verantwortung nehmen.“ Wichtig seien neben entsprechenden Lernmaterialien vor allem direkte Ansprechpersonen sowie ein konkretes Interventionskonzept.

Im Unterricht allerdings, finden die Schüler, werde zu wenig über Antisemitismus gesprochen und wenn, dann nur in Zusammenhang mit dem Dritten Reich. „Der moderne Antisemitismus spielt überhaupt keine Rolle“, sagt Stadtfeld. Malte Hollmann, ebenfalls Mitglied des Seminarkurses, geht sogar noch einen Schritt weiter: „Ich habe das Gefühl, die Auseinandersetzung wird auf die Schulen abgewälzt und von ihnen auf die Lehrkräfte. Und denen fehlt oft die Zeit.“

Antidiskriminierungstag am FSG

Wie genau und wie viel der Umgang mit Antisemitismus im Unterricht vorkommen sollte, ist ein heikles Thema, das sieht auch Seminarkursleiter Andreas Dold so. „Egal, wie viele Stunden wir das im Unterricht besprechen, wichtiger ist der tägliche Umgang miteinander“, sagt der Lehrer. „An der Schule können wir nur versuchen, Impulse zu geben.“ Sybille Hoffmann betont die pädagogische Freiheit der Lehrkraft, die auch bei einem vollen Bildungsplan gelte. „Auch Sport- und Mathelehrer sollten ein Grundwissen zum Umgang mit Diskriminierung haben“, findet die Expertin. „Es ist zu einfach, sich nur auf den Bildungsplan zu verlassen, auch das Schulcurriculum hat hier Spielraum.“

Am FSG fand Anfang des Jahres ein ganzer Antidiskriminierungstag statt, dort sollten den Schülern eben solche Impulse an die Hand gegeben werden. Ein deutlich effektiveres Mittel ist für Andreas Dold – der selbst übrigens Sport und Mathe unterrichtet – der Israel-Austausch am FSG. Zuletzt reisten 17 Schülerinnen und Schüler am Beginn des vergangenen Schuljahres nach Israel. Seine Schüler sehen das gleich. „Oft fehlt wahrscheinlich einfach der Kontakt zu jüdischen Menschen, weil der Anteil in Deutschland so gering ist“, sagt Linus Stadtfeld. „Da konnten wir vom Austausch viel mitnehmen.“