Seit Anfang Juli findet immer donnerstags auf dem Stuttgarter Karlsplatz ein Street Food Market statt. Ein Rundgang zeigt: Nicht nur Hipster interessieren sich für verschiedene Esskulturen.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Stuttgart - Wer nichts wird, wird Wirt, lautet ein alter Spruch, den man aktualisieren könnte zu: Wer nichts wird, macht Street Food, denn Fixkosten und unternehmerisches Risiko sind weitaus geringer als bei einem Restaurant. Überall werden Food Trucks aus den Garagen ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und ziehen von Stadt zu Stadt. Wie es scheint, will jeder noch schnell auf den fahrenden Zug aufspringen, bevor das Thema überstrapaziert und der Markt gesättigt ist. Auch beim Dinkelacker-Brauereifest am 12. und 13. September gibt es dieses Jahr zum ersten Mal – genau, einen Street-Food-Market.

 

Auf dem Stuttgarter Karlsplatz hat sich seit Ende Juli der wöchentliche Street-Food-Markt als Institution etabliert, die auch dem Weindorf und den Sommerferien trotzen konnte. Vom Ambiente her ist der schmucke Platz in 1-A-Lage ohnehin ideal und hat sich längst etwa als Adresse für den Hamburger Fischmarkt behauptet. Der Street-Food-Markt aber soll anders sein – nicht nur vom kulinarischen Angebot her, sondern auch was die Dichte der Betreiber angeht. Mehr Raum für Austausch und Abwechslung ist ein zentrales Anliegen, das so gut ankommt, dass es irgendwann doch noch eng werden könnte.

Street Food ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Nach eher chilligen Nachmittagsstunden, in denen man sich in Ruhe von Stand zu Stand, von Truck zu Truck durchfuttern kann, ist der Platz ab 18 Uhr ziemlich bevölkert. Und das gar nicht mal nur von Hipstern mit Bart und Dutt, die über die ideale Garzeit von Pulled Pork fachsimpeln, sondern bunt gemischt von Fashion Victims und Bürohengsten über Familien bis hin zu Senioren. Street Food ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen – und das ist gut so, weil etwas mehr Bewusstsein für vielfältige Ernährung nicht schaden kann.

Veranstaltet wird der Street-Food-Markt von der Stuttgarter Eventagentur Heldenreich. Der Geschäftsführer Daniel Rosner sagt, er habe inzwischen mehr als 200 Kontakte. Heißt also, dass zwischen einigen Stammplatzhaltern unter den rund 15 Trucks und Ständen jede Woche neue dabei sind. Die Kühlschränke der Getränkezelte sind mit wechselnden Marken eines nicht handelsüblichen Sortiments gefüllt, zuletzt zum Beispiel mit Zitronenstolz aus Bietigheim-Bissingen oder Craft Beer der Münchner Crew Republic.

Keine mobilen Einheiten von alteingesessenen Betreibern

Auch die lockere Möblierung des Platzes soll immer wieder anders sein. Neben Bierbänken und -tischen gibt es mal Liegestühle, mal Hängematten, mal Sitzquader. Bügelbretter und Tischkicker gehören ebenso zum Bild. Für die dezente Beschallung werden meist Straßenmusiker ausgesucht, denn ein Partyhotspot mit Bands und DJs soll der Markt nicht werden. Und dass in den Trucks und Ständen sauber gearbeitet wird – das wird amtlich kontrolliert.

Viele Quereinsteiger in der Branche

Und wer sind nun diese Street-Food-Macher im Einzelnen? Eingangsspruch hin oder her: es handelt sich nicht um verkrachte Existenzen, aber viele Quereinsteiger sind es schon. Wichtig ist Rosner, dass keine mobilen Einheiten von alteingesessenen Gastronomen vertreten sind. Einige Caterer sind zwar dabei, ebenso solche, die mit bis zu drei Food Trucks ein richtiges kleines Unternehmen haben wie Sven Wagner, der schon die Anhänger von Helene Fischer oder Fans bei Rock am Ring mit seinen ungarischen Lángos versorgt hat und inzwischen über eine Expansion nach Malaysia nachdenkt. Oder Lou’s Maultäschle mit einem Truck und zwei Hängern. Oder das Laugenbekenntnis der Brüder Daniel und Marcel Brandt, die mittags auf ihrer festen Wochentour große Firmen ansteuern und demnächst eine zweiten Wagen haben, um etwas flexibler zu sein.

Pulled Pork läuft in Zürich, Linz, Salzburg – und Stuttgart

Die Wenigsten sind gelernte Köche, aber auch solche gibt es etwa in der Küchenkutsche, aus der zwar vergleichsweise konventionelle, aber gut gemachte Kost wie Riesengarnelen mit Spinatspätzle gereicht werden. Petros Zoidis stand sogar 30 Jahre in der Küche, doch vor kurzem hat er sein Restaurant Goldfish im Stuttgarter Westen aufgegeben und verbindet mit seiner Fahrküche nun zwei Hobbys: Autos und Kochen eben. Er hat sich ein Feuerwehrauto Baujahr 1972 gekauft und umgerüstet, bietet unter anderem Frühlingsröllchen, Kokos-Hühnchen-Spieße oder Asia Burger an und sagt: „Im Vordergrund steht der Spaß.“

Aus dem Raum Frankfurt kommt Klaus Vanluchene mit seiner Cubita-Bretterbude, die authentisch südamerikanisch aussieht. Seine Spezialität: Cuban Burger mit Pulled Pork und Arepas aus Maismehl. Die laufen auch in Zürich, Linz und Salzburg gut. Das Herumziehen ist Valunchene gewohnt, denn früher war er Techniker im Zirkus. Die Peruvian Bros mit ihrem Truck, der so hoch ist, dass eine Europalette als Tritt dienen muss, haben tatsächlich peruanische Wurzeln, auch wenn sie Patrick und Derrick Pieper heißen. Sie sind aus der Gegend von Mühlacker und eigentlich Uhrmacher und Goldschmied, aber ihre Sandwiches mit Pulled Pork sind der Knaller.

Eine Bespielung des Karlsplatzes 2016 wäre wünschenswert

Auch Süßes ist auf dem Street-Food-Markt zu haben, zum Beispiel „Choco Kebab“ aus Göppingen. Die italienische Spezialität, für die Nussnougat vom rotierenden Spieß geschabt wird, sieht gut aus und schmeckt auch so. Domenico Mobilia arbeitet als Informatiker in einem großen Unternehmen, aber die Leidenschaft für Gastronomie sei angeboren: Sein Bruder und seine Mutter haben beziehungsweise hatten Restaurants.

Weitere Angebote wie Dim Sum, Chicken Teriyaki und natürlich veganes und glutenfreies Food oder die Eatboxes aus der Eatbox – unter anderem mit aus einer Kartoffel gedrehten Patata-Chips-Girlande und Pulled Pork – zeigen: im Großen und Ganzen stimmt der Mix auf dem Markt. Und die Leute stehen geduldig an, wenn es bei manchen der handgemachten Spezialitäten etwas länger dauert.

Laut Daniel Rosner gibt es zwar noch keine Verhandlungen mit den Behörden für nächstes Jahr, aber eine Fortsetzung mit noch mehr Abwechslung wäre wünschenswert – auch wenn Street Food 2016 endgültig kein Trendthema mehr ist.

Übrigens: die ideale Garzeit für Pulled Pork scheint bei zwölf Stunden zu liegen.

Info: Die Saison geht noch bis zum 12. November jeden Donnerstag von 15 bis 22 Uhr auf dem Karlsplatz. Infos auf www.facebook.com/GaumenfreudeStreetFood