Weit mehr als 10 000 Unterschriften hat die SPD in Baden-Württemberg gesammelt, um ein Volksbegehren für gebührenfreie Kitas in Gang zu bringen. Am kommenden Dienstag soll der CDU-Innenminister den Antrag entgegennehmen. Schon jetzt bereiten sich die Genossen intensiv auf die nächste Phase vor.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Der Strom ist noch nicht abgerissen. So wird die SPD nächste Woche erheblich mehr als 10 000 beglaubigte Unterschriften wahlberechtigter Baden-Württemberger im Innenministerium abliefern – die Marke, um das Volksbegehren für gebührenfreie Kitas in Gang zu bringen, wird weit überschritten. Ressortchef Thomas Strobl (CDU) wurde schriftlich angefragt, ob er die Listen und den Antrag auf Zulassung des Volksbegehrens am kommenden Dienstag, also an einem für die Landespolitiker günstigen Sitzungstag, persönlich entgegennehmen will. Bisher gab es noch keine Reaktion. „Die SPD wird rechtzeitig vor dem 12. Februar eine Antwort von uns erhalten – freilich nicht aus der Zeitung“, sagte ein Sprecher des Ministers unserer Zeitung.

 

In jedem Fall muss das Ministerium in den nächsten Wochen über den Antrag entscheiden. Dass es diesen ablehnt, hält der Cheforganisator der Kampagne, Sascha Binder, nicht für möglich. Der Innenminister habe seine Defizite, aber in dieser Hinsicht sei er „eher klug“, meint der SPD-Generalsekretär. Längst bereitet sich die Partei somit darauf vor, über einen per Gesetz definierten Zeitraum von sechs Monaten von Anfang April bis Ende September Unterschriften zu sammeln. Mindestens ein Zehntel der Wahlberechtigten, also etwa 777 000 Namen, werden benötigt, um den Gesetzentwurf im Oktober in den Landtag zu bringen.

Am 6. April will die SPD mit den Partnern losmarschieren

Die SPD will dabei beide vorgegebene Wege nutzen: Eine freie sowie eine amtliche Sammlung – letztere darf sich allerdings nur über drei Monate erstrecken. Bei der freien Sammlung sozusagen auf der Straße hinterlässt jeder Befürworter des Begehrens seine Unterschrift und seine Adresse. Die Listen werden dann auf dem örtlichen Rathaus abgegeben, wo die Signaturen beglaubigt und gezählt werden. Einmal im Monat darf die SPD den Wasserstand abfragen. Wer an einer amtlichen Sammlung teilnehmen will, muss hingegen direkt ins Rathaus gehen, wo die Kommune Unterschriftenlisten auslegt, die später amtlich überprüft werden. Der bürokratische Aufwand hält sich demnach in beiden Fällen in Grenzen.

Möglichst viele gesellschaftliche Bündnispartner will die SPD an Bord holen, um mit ihnen am 6. April offiziell in das Volksbegehren zu starten. Klar ist bereits, dass die Gewerkschaften dabei sein werden, die sich positiv zu dem Vorhaben stellen. Doch streben die Initiatoren eine noch breitere Aufstellung in den Städten und Gemeinden an. Gemeint sind zum Beispiel Basisgruppierungen wie die Reutlinger Elterninitiative, die von sich aus bereits 900 Unterschriften für den Antrag gesammelt hat – was aus Sicht von Binder zeigt, „dass wir in Richtung zweiter Phase gut unterwegs sind“. Die Bündnispartner machten am Ende die Schlagkraft aus. Aber auch Prominente sollen nach Möglichkeit für das Anliegen der Genossen werben.

Die Grünen lehnen die Gebührenfreiheit ab

Dass der SPD-Entwurf die Zustimmung einer Landtagsmehrheit erhält, erscheint derzeit unwahrscheinlich. Denn auch die Grünen lehnen eine komplette Gebührenfreiheit ab, wie sie neulich bekräftigt haben. „Wenn man die Politik des Gehörtwerdens und direkte Demokratie ernst nehmen will, wird man vielleicht klüger“, sagt Binder. „Wenn die Grünen jedoch bei ihrer Position bleiben, wird es eine Volksabstimmung geben.“ Dabei würde sich dann die Mehrheit der Teilnehmer durchsetzen – vorausgesetzt, mindestens ein Fünftel der Stimmberechtigten hat der Vorlage zugestimmt.

Das Ganze ist Neuland – der erste Antrag auf ein Volksbegehren im Südwesten seit 20 Jahren. Und noch nie gab es hier ein Volksbegehren, das zu einer Volksabstimmung führte – auch weil Grüne und SPD erst in ihrer bis 2016 währenden Regierungszeit die Hürden abgesenkt haben, um das Instrument praktikabel zu machen.

Reißen die Genossen diese Hürden allerdings, wäre die Blamage groß. Entsprechend ist bei manchen Skepsis vernehmbar. Binder strotzt dennoch vor Zuversicht: „Wir haben eine große Chance, das Volksbegehren hinzubekommen“, sagt er. Das Thema werde bisher in weiten Teilen der Bevölkerung positiv aufgenommen – selbst Konservative und Grüne vor Ort seien offener dafür als ihre Parteiführungen in Stuttgart. Und „so arg viele wichtigere Dinge, über die man eine Volksabstimmung machen kann, fallen mir gerade nicht ein.“