Während der NS-Zeit wurden Sinti und Roma entrechtet, verschleppt und systematisch ermordet. Am Tag zum Gedenken an den Genozid fordern Menschenrechtler eine Entschädigung – und kritisieren anhaltende Diskriminierung.
Das Deutsche Institut für Menschenrechte verlangt eine angemessene Entschädigung von Sinti und Roma für das während der NS-Zeit zugefügte Unrecht. Das Institut äußerte sich am Mittwoch in Berlin anlässlich des Europäischen Gedenktags an den Genozid an den Sinti und Roma. Er erinnert an die Nacht vom 2. August 1944, als die SS 4.300 Sinti und Roma, die noch im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau überlebt hatten, ermordete.
Das Menschenrechtsinstitut legte der Bundesregierung und dem Bundestag nahe, die Empfehlungen der von ihnen eingesetzten „Unabhängigen Kommission Antiziganismus“ systematisch umzusetzen. Dazu gehöre vor allem, das Unrecht, welches Sinti und Roma während der NS-Zeit zugefügt wurde, anzuerkennen und angemessen zu entschädigen, ebenso wie das Unrecht, das ihnen auch nach 1945 weiter zugefügt worden sei.
Sinti und Roma sind als Opfergruppe schlechter gestellt
„Sinti und Roma erleben nach wie vor alltägliche Diskriminierung“, betonte das Institut. „Die Erinnerung an die Opfer der mörderischen rassistischen Verfolgung muss verbunden sein mit dem Einsatz für die gleichen Rechte und mit dem Schutz vor Diskriminierung, Hetze und Gewalt heute“, heißt es weiter.
Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) beklagte, dass Sinti und Roma viel zu lang als Opfergruppe kaum wahrgenommen worden seien. „Ihnen steht ein fester Platz in unserer Erinnerungskultur zu“, sagte Roth. In diesem Sinne werde die Bundesregierung die Gedenkstättenkonzeption des Bundes weiterentwickeln. Zugleich müsse „der Anteil der Sinti und Roma an unserer gemeinsamen jahrhundertelangen Geschichte stärker beleuchtet werden. „Deshalb gilt es, die Kultur der deutschen Sinti und Roma weiterhin zu fördern und ihre Bürgerrechtsarbeit auch zukünftig tatkräftig zu unterstützen“, so die Grünenpolitikerin.
Für die Anerkennung des Genozids mussten Überlebende kämpfen
Das Menschenrechtsinstitut erinnerte daran, dass Sinti und Roma seit Beginn der NS-Herrschaft auf der Grundlage der nationalsozialistischen Rassenideologie schrittweise entrechtet, ihrer Lebensgrundlagen beraubt und schließlich in Vernichtungslagern oder durch Massenerschießungen ermordet wurden. Insgesamt fielen in Europa mehrere hunderttausend Menschen dem Porajmos, dem Genozid an den Sinti und Roma in der Zeit des Nationalsozialismus, zum Opfer.
Die Überlebenden hätten sich die Anerkennung dieses Genozids im Nachkriegsdeutschland über Jahrzehnte mühsam erkämpfen müssen. „Die Verleugnung der rassistischen Verfolgung ging mit der Fortsetzung staatlicher und nichtstaatlicher Diskriminierung von Sinti und Roma einher – wie etwa der Reproduktion rassistischer Stereotype in der Gesellschaft und der stigmatisierenden polizeilichen Erfassung“, betonte das Menschenrechtsinstitut.